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Hoch zu Ross von Frankreich nach Moskau

Ein Artikel von Margarete Donner | 20.05.2021 - 15:11
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Kathleen Martin und Grégoire Malko reisen vom Westen Frankreichs bis in die russische Hauptstadt Moskau - 6.000 km hoch zu Ross. © Margarete Donner

Am 11. September 2020 brachen Kathleen Martin, Französin mit irischen Wurzeln, und der russischstämmige Grégoire Malko von einem kleinen bretonischen Dorf an der westfranzösischen Küste auf in Richtung Osten. Das Ziel der langen Reise ist kein geringeres als die russische Hauptstadt Moskau. Ihre treuen Reisebegleiter für die geplanten 6000 Kilometer sind zwei mächtige Schimmel: der ungarische Wallach Brutus und Amoer, ein KWPN-Wallach. Dass die beiden Warmblüter mit einem Stockmaß von über 1,65 schließlich auserkoren wurden, mit auf die große Wanderung zu kommen, war mehr oder weniger Zufall. Oder Liebe auf den ersten Blick. Denn Kathleen und Grégoire waren eigentlich auf der Suche nach kleinen, zähen Pferden für den abenteuerlichen Ritt über Berg und Tal. Daher lehnten sie das Schimmel-Duo, welches im Gespannfahren internationale Turniere bestritten hatte, erst einmal kategorisch ab. Doch als sie sich die beiden Wallache schließlich doch ansahen, sprang der Funke sofort über. „Diese oder keine“, war sich Kathleen schon nach fünfzehn Minuten Probereiten sicher.


Pferde mit Reiselust

Seither sind die vier ein eingeschworenes Team, trotzen Hitze, Regen und Schnee, übernachten im Freien oder nehmen Herberge bei gastfreundlichen Menschen an ihrer Reiseroute. Diese führte sie von Frankreich über Italien und Slowenien nach Österreich. Nachdem sie bei Spielfeld die Grenze passiert hatten, durchquerten sie die Steiermark und landeten schließlich auf dem Neudlhof im Nordburgenland. Gegen freiwillige Mitarbeit durften sie zwei Wochen auf dem Bauernhof wohnen, essen und rasten. Wie bewältigen die Pferde diesen weiten Ritt? „Beide freuen sich immer, sobald es wieder weitergeht“, erzählt Kathleen lachend. „Wenn wir länger Pause machen, können wir sie danach kaum halten.“

Geritten werden je nach Gelände circa 20 bis 25 Kilometer am Tag, hauptsächlich Schritt oder Galopp. Das sei für Pferd und Reiter am schonendsten. Längere Führstrecken sind bei ausgedehnten Wanderritten ohnehin eine Selbstverständlichkeit und lockern auch die Muskeln der Reiter. Der Bewegungsapparat von Amoer und Brutus wird unterwegs regelmäßig von lokalen Hufschmieden, Osteopathen oder BOWEN-Therapeuten serviciert. Dazwischen dient Tonerde als Allheilmittel für die beanspruchten Pferdebeine.

Hundedecken als Sattelunterlagen

Vieles haben Grégoire und Kathleen seit ihrem Aufbruch vor einem halben Jahr über sich und ihre Pferde gelernt und auch ihr Equipment konstant verbessert. Die englischen Sättel wurden schon nach kurzer Zeit wegen völliger Unbrauchbarkeit gegen Wanderreitsättel getauscht und die teuren Sattelunterlagen wichen nach hartnäckigen Pilzinfektionen in der Sattellage selbstgenähten Schabracken aus Hundedecken. Der bisher größte Schreckmoment, als die Pferde ausgebrochen waren und auf einer stark befahrenen Straße herumirrten, war schließlich ausschlaggebend für eine äußerst simple Lösung: Die mobilen Weidezäune sind nun mit kleinen Glöckchen bestückt, welche nächtliche Ausreißer sofort verraten würden. Ob sich auch Wölfe oder Bären davon abhalten lassen, mussten die vier bisher glücklicherweise noch nicht herausfinden.

Die beiden Schimmel zeigen sich jedenfalls ebenso tiefenentspannt und neugierig wie ihre zweibeinigen Wanderpartner. Mit gespitzten Ohren machen sie sich auf die nächste Wegetappe Richtung Slowakei und schreiten majestätisch durch die Dorfstraße. Die Aufmerksamkeit, die ihnen oft von der Dorfbevölkerung entgegengebracht wird, nehmen Brutus und Amoer gelassen wie erfahrene Weltenbummler entgegen. Wer nicht das Glück hat, den vier sympathischen Reisegefährten zu begegnen, kann die Route in Echtzeit auf ihrer Blogseite lepetitchevalbossu.fr nachverfolgen. Neben zahlreichen Reisefotos findet man dort auch ein Projekt für russische Waisenkinder, für das Kathleen und Grégoire auf ihrem Wanderritt sammeln. Vor Einbruch des Winters wollen die vier mit den Siebenmeilenstiefeln Moskau erreicht haben.