Dressur

WM Herning: Niederländische Dressur-Führung, Österreicher vorerst Zehnte

Ein Artikel von Redaktion | 06.08.2022 - 21:10
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Nicht fehlerfrei, aber tolles Reiten und viel Luft nach oben: Stefan Lehfellner (OÖ) freut sich über die gelungene Darbietung auf seinem Roberto Carlos MT
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Den Auftakt für Österreich machten Stefan Lehfellner und Roberto Carlos MT mit Startnummer 8. Für beide ist die EM ihr erstes Championat, und eigentlich auch das erste richtig große Turnier überhaupt. Die mangelnde Routine ließ sich bestenfalls der zwölfjährige Oldenburger dann und wann anmerken, sein Reiter hingegen strahlte in jeder Phase des Rittes große Souveränität und Gelassenheit aus. Los ging es mit einer starken Trabtour, in der man das Gefühl hatte, das Stefan Lehfellner mit kalkuliertem Risiko ans Werk geht und wirklich nur das von seinem Rappen fordert, was der auch problemlos liefern kann. Roberto Carlos dankte es mit tänzerischen Trablektionen bei federleichter Anlehnung und durchwegs in schönem Rahmen, Nase stets an oder vor der Senkrechten. Dann und wann kam der Rosandro-Sohn kurzfristig über den Zügel, fand aber schnell wieder in eine gute Haltung zurück, ohne, dass Lehfellner sie mit der Hand forcieren musste.  Zwischenzeitlich bewegte sich der Trend gen 73 Prozent. Im Schritt fehlte dem Paar die letzte Lockerheit für die dicken Punkte, dafür gelang die zweite Piaffe ganz hervorragend und bewegte sich phasenweise nah am Ideal. Im Galopp setzte sich der positive Trend vorerst fort, das Paar zeigte gelungene Zweierwechsel mit gutem Durchsprung und schön im Bergauf. Leider zog Roberto Carlos im Auslauf der Zick-Zack-Traversale vor dem Richterhäuschen bei C kurzfristig die Vierbeinbremse und schielte mit großen Augen und langem Hals in Richtung TV-Kamera, ließ sich aber ohne großes Aufsehen wieder zur Arbeit zurückbeordern.

"Roberto Carlos hat sich leider derartig vor den Übertragungskameras gefürchtet, dass er beim Familiarizing und auch heute beim Schrittreiten um das Viereck kein einziges Mal ruhig an den vier Kameras gelassen vorbeigegangen ist. Aber im Bewerb heute hat es nur einmal nach der Zick-Zack-Linie eine Störung gegeben. Das hat zwar Punkte gekostet, aber wir sind alle stolz, wie Stefan die Situation gemeisert hat", verriet Bundesreferentin und Equipechefin Diana Wünschek.

Die restliche Prüfung verlief danach ohne weitere Zwischenfälle, lediglich in der Rechtspirouette geriet der Motor kurz ins Stocken. Auf der Schlusslinie zeigte das Paar dann noch einmal sein ganzes Potenzial mit einer ausdrucksstarken, leichtfüßigen Passage und Piaffe Marke Weltklasse – der besten des Paares in dieser Prüfung. Auch wenn der Ritt nicht fehlerfrei war, Roberto Carlos MT seine Unerfahrenheit stellenweise doch noch anzumerken war und zu viele Fehler(chen) passierten, um bei der Jury richtig abzusahnen, war das heute sicherlich ein Auftritt, auf den Stefan Lehfellner wirklich stolz sein kann. Das Paar hat in jeder Phasen des Rittes harmonisches Reiten gezeigt und für die Zukunft viel, viel Luft nach oben. Im Mittel der sieben Richter:innen gab es 69,068 % für die beiden Debütanten, mit 71,087 % als höchster und 67,174 % als niedrigster Wertung. Aktuell ist das Platz 23.

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Knapp 70 Prozent für Christian Schumach und Donna Karacho - vorerst Rang 14 für die beiden.
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Emotionale Runde für Christian Schumach

In einem ähnlichen Bereich siedelte sich Österreichs zweites Paar an diesem Tag an, Christian Schumach und Donna Karacho. Für den 40-jährigen Dressurausbilder aus Kärnten ist die WM in Herning sein viertes Championat für Rot-Weiß-Rot, für die 14-jährige Westfalenstute von Don Schufro hingegen das erste. Dessen ungeachtet spulte die Stute das Grand-Prix-Programm ab wie ein alter Hase und leistete sich, Verlasspferd, wie sie ist, bis auf einen nicht ganz geglückten Übergang zwischen Passage und versammelten Galopp keine Fehler in ihrer Runde. Mit 69,829 % blieb das Duo, das die letzten zehn Prüfungen nie unter 70 Prozent beendet hatte, etwas unter dieser Marke, Christian Schumach zog nach seinem Ritt dennoch zufrieden Bilanz. „Wir haben versucht eine stabile, konstante Runde abzuliefern, das ist uns auch weitgehend gelungen. Das Angaloppieren hat sicherlich etwas gekostet, das ist auch auf meine Kappe gegangen, da habe ich ihr nicht die letzte Sicherheit gegeben. Aber insgesamt bin ich mit der Stute wahnsinnig zufrieden, sie hat super mitgemacht und einmal mehr bewiesen, dass auf sie Verlass ist – sie hat so ein Stadion ja nie zuvor gesehen.“

Für Schumach war das Championatsdebüt von Donna Karacho eine sehr emotionale Angelegenheit, stand die Stute doch im Besitz von Dressurmäzenin Ruth Wimpissinger-Kerky, die vergangenen Dezember leider viel zu früh im 65. Lebensjahr verstorben ist. „Es war immer Ruths großer Wunsch, dass dieses Pferd irgendwann einmal ein Championat geht. Jetzt hat sie hier in Herning ihr Debüt gegeben, nur konnte Ruth das leider nicht mehr miterleben. Aber wir haben alle fest an sie gedacht und ich bin mir sicher, sie hat von oben zugesehen und uns angefeuert“, so Schumach, der nun mit seinen Teamkollegen Florian Bacher und Victoria Max-Theurer mitfiebern wird, die morgen, Sonntag, im zweiten Teil des Grand Prix an den Start gehen und hoffentlich ein gutes Ergebnis für Team Austria herausholen werden.

Hart umkämpfte Spitze

In der Mannschaftswertung – in der derzeit bei allen Nationen aktuell nur ein Paar gezählt wird, die niedriger bewertete Kombination wird automatisch als Streichergebnis geführt – rangiert Österreich vorerst auf Rang zehn von 18 Nationen. Die Führung haben aktuell die Niederländer, deren Dinja van Liere mit Hermes die höchste Tageswertung erzielte: 78,835 %. Dahinter reihen sich dicht an dicht die Equipen aus Deutschland (77,003 % durch Benjamin Werndl und Famoso OLD), Dänemark (76,863 % von Carina Cassøe Krüth auf Heiline's Danciera), Schweden (76,164 % durch Juliette Ramel auf Buriel K.H.) und Großbritannien (75,978 % durch Gareth Hughes auf Classic Briolinca). Eng geht es auch auf den Plätzen neun bis 15 her, die derzeit alle eine 69 vor dem Komma stehen haben.

Alle Ergebnisse im Detail gibt's hier.