Tierschutz

Pferdequal aufgedeckt: Islands Stuten bluten für Billigschnitzel

Ein Artikel von Pamela Sladky | 28.01.2022 - 15:59
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Rund 5.400 Stuten werden derzeit in Island auf Blutstutenfarmen gehalten. (Symbolfoto) © www.Slawik.com

Etwa 5400 Stuten werden in Island aktuell in Betrieben gehalten, die die Schweineindustrie mit einem begehrten Rohstoff versorgen: dem Blut trächtiger Stuten. Das darin enthaltene Sexualhormon PMSG (Pregnant Mare Serum Gonadotropin) wird in der Schweineproduktion eingesetzt, um Zuchtsauen zu synchronisieren. Wenn alle Ferkel des Betriebes zur selben Zeit auf die Welt kommen, dient das der Arbeitserleichterung und Effizienzsteigerung der innerbetrieblichen Maßnahmen – und damit vor allem der Wirtschaftlichkeit.
 

Neue Lieferanten, selbes Problem

Der Aufschrei der Empörung war groß, als Tierschützer:innen vor sieben Jahren die grausamen Praktiken aufdeckten, die auf Stutenblutfarmen in Argentinien und Uruguay zum leidvollen Alltag der Tiere gehören. In den darauffolgenden Monaten stellten die Mehrzahl europäischer Pharmakonzerne ihre Geschäfte mit Betrieben in Südamerika ein. Doch das Problem scheint sich damit nur verlagert zu haben. Beklemmendes Videomaterial der Animal Welfare Foundation (AWF) führen deutlich vor Augen, dass es in Island – inzwischen einer der größten Exporteure von PMSG – nicht viel besser zugeht.

Die kürzlich im ARD Magazin Plusminus ausgestrahlten Bilder zeigen Stuten, die in Fixierboxen mit einem Gurt über dem Rücken festgeschnallt werden, ihr Kopf ist mit einem Seil hochgezogen und an einer Seite der Box befestigt, während ihnen zur Blutabnahme eine beinahe fingerdicke Kanüle in die Halsvene eingeführt wird. Fünf Liter Blut werden so je Sitzung gewonnen, bis zum 120. Trächtigkeitstag kommen pro Stute etwa 40 Liter des begehrten Rohstoffes zusammen.

Zimperlich wird dabei nicht vorgegangen. Tiere, die sich weigern, die Boxen zu betreten, werden mit Eisenstangen und Holzbrettern geschlagen und gestoßen. Die rüde Behandlung versetzt die Stuten in Stress und Angst, was ihre aufgerissenen Augen, geblähten Nüstern und zitternden Körper deutlich zeigen. In Panik geratene Stuten versuchen, sich zu befreien. Einige verlieren dabei den Halt und stürzen, wobei sie mit dem Kopf nach oben gebunden am Seil hängen. Ihr gesamtes Gewicht lastet in diesem Moment an den empfindlichen Körperpartien. Dass sie sich dabei schwerwiegende Verletzungen zuziehen können, scheint niemanden zu interessieren. Auch nicht den Tierarzt des Pharmaunternehmens Isteka, der für die Blutentnahme zuständig ist und die Vorgänge beobachtet. Als die Stuten schließlich aus den Fixierboxen entlassen werden, jagt ihnen ein laut bellender Hund hinterher. Es ist der passende Abschluss für eine qualvolle Prozedur, die die Stuten im Sommer wöchentlich durchleben.

"Die Art und Weise, wie Islandstuten für die Blutproduktion ausgebeutet werden, ist inakzeptabel. Hier wird gegen EU-Recht verstoßen", kritisiert Sabrina Gurtner von der AWF gegenüber plusminus. Doch das Geschäft mit dem Lebenssaft der Stuten boomt. „In den letzten zehn Jahren hat sich die Produktion in Island knapp verdreifacht“, weiß die Tierschützerin.

Das in Island gewonnene Stutenblut ist ausschließlich für den Export bestimmt, und die Nachfrage im Ausland ist groß. So groß, dass Ísteka 2021 angekündigt hat, die Produktion in den kommenden Jahren auf das Vierfache zu erhöhen. Anstelle der derzeit 5400 müssten dann rund 20.000 Stuten für die Hormongewinnung bluten. Das entspricht einem Drittel des gesamten Pferdebestandes in Island. Die Fohlen, die als Nebenprodukte der PMSG-Gewinnung anfallen, finden ihr Ende meist in deutschen Schlachthöfen, wo sie zu Katzen- und Hundefutter verarbeitet werden.


(K)Ein Ende in Sicht?

Einer der beiden großen Anbieter des Hormonpräparates in Deutschland teilte auf Anfrage der ARD mit, dass man bereits an einer Entwicklung eines Ersatzproduktes auf synthetischer Basis und mit vergleichbarem Nutzen für die Tierärzte und Landwirte arbeite. Gleichzeitig räumte man aber ein, dass dies ein langwieriger Prozess mit vielen oft unvorhersehbaren Schwierigkeiten sei.

Dass es für die wirtschaftliche Produktion von Schweinefleisch das Stutenhormon gar nicht braucht, zeigen einige auch große Betriebe in Deutschland. Das System sei zwar störanfälliger und etwas aufwändiger, aber durchaus machbar, bestätigt Prof. Axel Wehrend von der Justus-Liebig-Universität Gießen. Doch zu einem solchen Schritt ist die Mehrheit der Betriebe derzeit nicht bereit.

Auf EU-Ebene wurde bereits im letzten November beschlossen, dass der Einsatz des Hormons in der Tierzucht verboten werden soll. Wann die EU-Kommission der Forderung des EU-Parlaments folgen wird, ist jedoch unklar. Eine Nachfrage der ARD ließ der zuständige EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski unbeantwortet.