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Die meisten Rechtshänder wirken mit ihrer rechten Hand deutlich härter ein ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein. © www.slawik.com

Störfaktor Reiterhändigkeit

Ein Artikel von Pamela Sladky | 08.10.2015 - 10:42
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Die meisten Rechtshänder wirken mit ihrer rechten Hand deutlich härter ein ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein. © www.slawik.com

Pferde sind von Natur aus schief. Die Ausgewogenheit beider Pferdehälften in allen Gangarten und Lektionen zu erreichen, ist für Reiter oft eine lebenslange Aufgabe. Denn von ihr hängt viel ab. Belastet das Pferd seinen Körper ungleich, hat das nicht nur Auswirkungen auf die Rittigkeit, sondern auch auf die Gesundheit des Vierbeiners. Einem Faktor, der bei der Geraderichtung des Pferdes immer wieder störend dazwischenfunkt, wird dabei aber oft nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Der Händigkeit des Reiters. Denn nicht nur das Pferd ist schief, auch der Reiter hat in der Regel eine stärkere und eine schwächere „Hand“. Diese Einseitigkeit des Reiters kann die erfolgreiche Geraderichtung des Pferdes nicht nur erschweren, sie kann die Schiefe des vierbeinigen Partners sogar verstärken und damit die Entstehung von Gesundheitsproblemen beim Pferd zusätzlich begünstigen.

Rechte Reiterhand dominiert

Die meisten Menschen sind Rechtshänder, in Europa sind es etwa 85 bis 90 Prozent der Bevölkerung, die von Natur aus vornehmlich mit der rechten Hand schreiben und arbeiten. Die Linke ist die unterstützende Haltehand. Und obwohl die rechte Hand von Rechtshändern feinmotorisch weit besser ausgebildet ist, als ihr Pendant auf der linken Seite, ist Letztgenannte die Feinfühligere. Die „Arbeitshand“ greift – ohne dass es uns bewusst ist – deutlich härter zu. Das zeigt eine Untersuchung aus Großbritannien.

In einem Versuch widmete sich Jenny Douglas, leitende Dozentin für Pferdewissenschaften am britischen Hartpury College, der Frage, inwieweit sich die Händigkeit der Reiter auf die Zügelspannung auswirkt. 23 reiterfahrene Rechtshänderinnen im Alter zwischen 14 und 34 Jahren absolvierten dazu einen fünfminütigen Test auf einem Reitsimulator. Gemessen wurde die Zügelanspannung im Schritt, im ausgesessenen und leichten Trab sowie im ausgesessenen Galopp bzw. im leichten Sitz im Galopp.

„Wir haben uns für den Reitsimulator im Gegensatz zum lebendigen Pferd entschieden, um sämtliche pferdebezogenen Variablen bereits im Vorfeld auszuschalten. Nur auf diese Weise konnten wir sicherstellen, dass unsere Ergebnisse rein auf der der Händigkeit der Reiter beruhte und nicht durch mögliche Reaktionen auf die Schiefe des Pferdes beeinflusst wurden“, wird Douglas auf theHorse zitiert.

Mithilfe einer Spannungslehre wurde der Zügelzug der Reiter ermittelt. Die Messwerte lieferten eindeutige Ergebnisse. „Unsere Messungen ergaben am rechten Zügel sowohl größere Durchschnittwerte als auch höhere Spitzenwerte“, so Douglas. Insgesamt übte die dominante Hand zwischen 34 und 45 Prozent mehr Zug auf das Pferdemaul aus, als die nicht dominante.

„Es ist bekannt, dass Athleten mehr Fingerfertigkeit mit ihrer dominanten Hand haben, diese Tatsache bestätigte sich auch bei den Reitern in unserem Versuch“ erklärte Douglas. "Die höheren Spitzenwerte am rechten Zügel lassen sich vermutlich auf die oft berichtete allgemein größere Stärke des dominanten Arms zurückführen.“

Obwohl diese Ergebnisse nur wenig überraschend erscheinen: Beim täglichen Training mit dem Pferd spielen die Auswirkungen der Händigkeit des Reiters eine große Rolle. Schon alleine angesichts der Unterschiede in der Zügelspannung verdient dieser Aspekt deshalb eine erhöhte Aufmerksamkeit. Immerhin ist eine gleichmäßige Anlehnung die Basis guten Reitens. Übertönt ein Zügel immer wieder den anderen, kann dies zu widersprüchlichen Signalen führen. Keine gute Basis für eine feine Kommunikation mit dem Pferd. Doch die britische Pferdewissenschaflter hat auch eine gute Nachricht: "Unterarm-Geschicklichkeit und Symmetrie können mit speziellem Training ausgeglichen werden. Hierin sollte auch der Fokus für zukünftige Forschungen liegen“, so Douglas.