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Schon eine kurze Zeitspanne reicht aus, um ein Pferd negativ auf einen Ort zu prägen. © www.slawik.com

Ausbildung

Negatives Umfeld fördert stures Verhalten

Ein Artikel von Pamela Sladky | 31.07.2018 - 13:34

Negative Erlebnisse an einem bestimmten Ort können die Lernbereitschaft eines Pferdes ebendort deutlich beeinträchtigen. Zu diesem Schluss kommt ein Team französischer Wissenschaftler des Nationalen Instituts für Agrarwissenschaften in Tours.

„Innerhalb kürzester Zeit kann ein Pferd eine Erfahrung (z.B. den Erhalt von Futter oder, im Gegensatz dazu, das Erleben einer Stresssituation) mit einem spezifischen Ort in Verbindung bringen und in weiterer Folge entsprechende Emotionen zeigen, wenn es an diesen Ort zurückkehrt“, berichtet Verhaltenswissenschaftlerin Léa Lansade im Fachmagazin The Horse. „Die emotionale Verfassung hat großen Einfluss auf sein Lernverhalten. Das ist ein wichtiger Faktor, den man im Training besonders berücksichtigen sollte.“ Denn der Ort, an dem das Training stattfindet, kann  maßgeblich zum Erfolg oder Misserfolg beitragen, so Lansade weiter.

„Man muss sich bewusst sein, dass jede Erfahrung, die ein Pferd an einem bestimmten Ort macht, viel länger ihre Spuren hinterlässt, als wir vielleicht glauben“, erklärt Lansade. „Wenn wir unser Pferd zu einem späteren Zeitpunkt wieder dort arbeiten, haben seine vorangegangenen Erfahrungen direkten Einfluss auf seine Art zu lernen. Überwiegen die positiven Erlebnisse, wird das Pferd ein weit flexibleres und formbareres Verhalten zeigen und leichter unseren Anforderungen nachkommen können. Hat es dagegen eher unangenehme oder sogar stressige Erfahrungen gemacht, wird es im Training eher zu Widersetzlichkeiten kommen und das Pferd wird weniger gut in der Lage sein, die gestellten Aufgaben zu meistern.“ 

Stuten im Test

Zu diesem Schluss kamen Lansade und ihre Kollegen, nachdem sie in einer Studie 55 Stuten mit positiven, negativen oder neutralen Situationen in einer bestimmten Box konfrontierten, die leicht von den anderen Boxen des Stalls zu unterschieden war.

Als negative Elemente setzten die Forscher auf Wasser, das plötzlich in den Stall schoss, einen unvermittelt hereingeworfenen Ball, laute Geräusche und eine Plane, die vor der Box geschüttelt wurde. Für den positiven Reiz sorgte Belohnung durch Futter. Im Falle der neutralen Erfahrung geschah gar nichts.

In weiterer Folge wurde den Pferden eine Aufgabe gestellt. Es galt ein Leckerli zu finden, das ein Helfer zuvor unter einer Pylone versteckt hatte. Diese Herausforderung meisterten zwar alle Pferde ungefähr gleich schnell, allerdings hörten die Probanden, die in der Box zuvor eine negative Erfahrung gemacht hatten, auch dann nicht auf, nach dem Futter zu suchen, wenn es wieder entfernt worden war. Die Stuten, die die Box angenehm in Erinnerung hatten, waren schneller bereit zu akzeptieren, dass sich die Situation geändert hatte, und dass es keinen Grund mehr gab, sich weiterhin an der Pylone zu schaffen zu machen.

Die Pferde der Negativ-Gruppe hingegen behielten ihr Verhalten stur bei. Das galt besonders für Pferde, die im Vorfeld als ängstlich eingestuft worden waren. Sie verfolgten ihre Taktik konsequent weiter, auch wenn sie damit keinen Erfolg mehr hatten.

Man muss sich bewusst sein, dass jede Erfahrung, die ein Pferd an einem bestimmten Ort macht, viel länger ihre Spuren hinterlässt, als wir vielleicht glauben.


Léa Lansade , Verhaltenswissenschaftlerin am INRA in Tours, Frankreich

Auffassungsgabe beeinträchtigt

„Die Pferde, die in einer positiven Umgebung gelernt hatten, waren flexibler – sie konnten ihr Verhalten besser an die jeweilige Situation anpassen“, berichtet Léa Lansade. „Sie waren sozusagen formbarer und schneller in der Lage die Situation zu verstehen und sich so besser an die Anforderung anzupassen. Pferde, die in einer stressbeladeneren Umgebung gelernt hatten, zeigten ein eindimensionales Verhalten, das eher ‚stur’ und ‚automatisch’ wirkte.“

Dass es bei der eigentlichen Aufgabe, nämlich dem Finden des Leckerlis unter der Pylone, kaum Unterschiede im Lernerfolg zwischen den einzelnen Gruppen gab, führt Lansade auf die relativ schwache Intensität der negativen Reize zurück. Wären die Erfahrungen stressiger ausgefallen, hätten diese auch das anfängliche Lernen erschwert, ist sich die Forscherin sicher.