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Eine geplante Novelle der EU könnte die alternativmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten von Pferd, Hund und Co. massiv einschränken. © www.slawik.com

Droht alternativer Tiermedizin das Aus?

Ein Artikel von Pamela Sladky | 03.03.2016 - 08:59
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Eine geplante Novelle der EU könnte die alternativmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten von Pferd, Hund und Co. massiv einschränken. © www.slawik.com

Der von der Europäischen Kommission im September 2014 eingereichte Vorschlag für eine Verordnung über Tierarzneimittel mit der Bezeichnung COM (2014) 558 sorgt derzeit für reichlich Wirbel. Das 181 Seiten starke Dokument soll das bisher geltende nationale Recht für Tierarzneimittel ablösen, vordergründig mit dem Ziel den Antibiotika-Einsatz in der Veterinärmedizin zu senken. Doch mit der vorliegenden Novelle schieße der EU-Ausschuss weit über das Ziel hinaus, meinen Experten. Sie befürchten, dass der Entwurf die ursprüngliche Absicht der Antibiotika-Reduktion sogar ins Gegenteil kehre.

Beschränkung auf zugelassene/registrierte Tierarzneimittel

Tiere sollen künftig nur noch solche Medikamente erhalten dürfen, die ausdrücklich als Tierarzneimittel zugelassen/registriert sind. Das gilt auch für alternativmedizinische Medikamente, etwa homöopathische Arzneimittel, Bach-Blüten und Pflanzenpräparate. Und genau hier liegt die Wurzel des Problems, denn bislang werden für die alternativmedizinische Behandlung von Pferden, Hunden und Co. überwiegend Medikamente aus dem Humanbereich eingesetzt. Explizit für Tiere zugelassene/registrierte Präparate gibt es nur wenige. „Eine Beschränkung auf ausdrücklich zugelassene/registrierte Tierarzneimittel würde den Einsatz von komplementär-alternativmedizinischen Arzneimitteln faktisch unmöglich machen“, fürchtet die Kooperation deutscher Tierheilpraktiker Verbände e.V. in einer jüngst veröffentlichten Stellungnahme.

Diese Befürchtungen teilen auch viele heimische alternativmedizinisch arbeitende Tier- und Pferdeveterinäre. „Die Angelegenheit ist höchst brisant. Wird der Entwurf so umgesetzt, wie er derzeit auf dem Papier steht, würde sich vielfach ein Therapienotstand von alternativmedizinischen Anwendungen ergeben“, meint etwa Tierärztin Karin Schmid aus dem niederösterreichischen Mank, die sich auf Behandlung von Pferden mit Hilfe der klassischen Homöopathie spezialisiert hat.  

Doch wie problematisch ist die Situation wirklich? Pferderevue-Online hat bei Dr. Petra Weiermayer, Homöopathische Pferdetierärztin, Vorstandsmitglied der ÖGVH (Österreichische Gesellschaft für Veterinärhomöopathie) und Generalsekretärin der IAVH (International Association for Veterinary Homeopathy), nachgefragt.

Frau Dr. Weiermayer, der Gesetzesvorschlag COM (2014) 558 der EU-Kommission steht derzeit groß in der Kritik. Welche Konsequenzen hätte die Umsetzung der Verordnung  für alternativmedizinisch arbeitende Tierärzte in Österreich?

Die Konsequenz wäre eine massive Einschränkung in den zur alternativmedizinischen Behandlung der Tiere zur Verfügung stehenden Präparaten, gleichbedeutend mit einer massiven Einschränkung der Therapiemöglichkeiten für unsere tierischen Patienten.

Mich als klassisch homöopathisch arbeitende Tierärztin trifft primär die Problematik, dass sämtliche für die Anwendung am Menschen registrierten homöopathischen Einzelarzneien nun für die homöopathische Behandlung von Tieren nicht mehr verwendet werden dürften. Sie müssten, wenn nicht magistral zubereitet, für die Anwendung am Tier erneut einen Registrierungsprozess durchlaufen. Aus wirtschaftlichen Gründen würde kein Arzneimittelhersteller die dabei entstehenden Kosten auf sich nehmen. Dabei muss man wissen, dass es sich hier um homöopathische Einzelarzneien ohne Anwendungsgebiet handelt, d.h. diese homöopathischen Einzelarzneien werden vom behandelnden Tierarzt für den jeweiligen tierischen Patienten individuell ausgewählt und verabreicht.Sie unterscheiden sich bezüglich Herstellung, folglich quantitativer und qualitativer Zusammensetzung, Art der Anwendung, Wirksamkeit und Sicherheit in keinster Weise von jenen homöopathischen Einzelarzneien die für den jeweiligen Menschen vom behandelnden Arzt individuell ausgesucht werden. Folglich besteht für eine separate Registrierung für die Anwendung am Tier keinerlei Notwendigkeit.

Welche Änderungen ergeben sich für den Tierhalter, wenn die Verordnung wie von der Kommission vorgeschlagen umgesetzt wird?

Für die Behandlung der tierischen Patienten stünden deutlich weniger Therapiemöglichkeiten zu Verfügung. Die Alternativen zur Schulmedizin würden derart eingeschränkt, dass mit einer deutlichen Zunahme der Anwendung von herkömmlichen Medikamenten wie Antibiotika etc. zu rechnen ist.

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Bei der Behandlung von Tieren auf Basis der klassischen Homöopathie wird auf Medikamente aus dem Humanbereich zurückgegriffen. © froto - Fotolia.com

Wie sieht aus Ihrer Sicht die ideale Lösung aus, um das ursprüngliche Ziel, nämlich den Antibiotikaeinsatz in der (Nutz-)Tiermedizin zu reduzieren, auch tatsächlich umsetzen zu können?

Um dieses Ziel erreichen zu können, muss die Alternativmedizin gestärkt werden, anstatt ihr die Grundlage, also die homöopathischen Arzneien, pflanzlichen Arzneien etc. zu nehmen. In verschiedenen Studien am Tier wurde untersucht, ob durch homöopathische Therapie der Antibiotikaeinsatz reduziert werden kann.

In einer 2016 veröffentlichten Studie wurde gezeigt, dass in Biobetrieben, die  ihre Tiere homöopathisch behandeln ließen, die Gesamtanzahl an Behandlungen pro Kuh und Jahr signifikant niedriger war als in jenen die ihre Tiere konventionell schulmedizinisch behandeln ließen (Orjales, 2016).

2010 konnten Camerlink et al. in einer randomisierten, Placebo-kontrollierten Studie an Ferkeln zeigen, dass in der homöopathisch behandelten Tiergruppe signifikant weniger Tiere an durch das Bakterium Escherichia coli hervorgerufenem Durchfall erkrankt sind. Im Rahmen des IMPRO Projekts, einer EU-geförderten Studie, wird wiederum die Wirksamkeit der Homöopathie bei der Behandlung von Mastitis (=Euterentzündung) bei Kühen länderübergreifend untersucht. Die Unterstützung der Forschung und Anwendung von Homöopathie bzw. Alternativmedizin generell ist mit Sicherheit ein idealer Lösungsansatz, um den Antibiotikaeinsatz in der (Nutz-) Tiermedizin zu reduzieren.

Wie stehen die derzeitigen Verhandlungen mit der EU?

Das Schwierigste ist immer der Anfang. Aber wenn man sich in der Welt der EU Gesetzgebung etwas zurechtgefunden hat, öffnen sich mit etwas Beharrlichkeit ungeahnte Möglichkeiten. Die IAVH (International Association for Veterinary Homeopathy) hat gemeinsam mit dem ECH (European Committee for Homeopathy), EUROCAM (European CAM Stakeholder Group) und der GGTM (Gesellschaft für Ganzheitliche Tiermedizin), ein Dokument mit Änderungsvorschlägen zur EU Verordnung erstellt, mit dem Ziel auch in Zukunft für die Anwendung am Menschen registrierte homöopathische Einzelarzneien ohne Anwendungsgebiet, für die homöopathische Behandlung von Tieren verwenden zu dürfen. Dieses Dokument unterstützt auch die Ziele der EU, die EU Verordnung klar zu formulieren sowie den Antibiotikaeinsatz beim Tier zu reduzieren und dem steigenden Interesse der EU Bevölkerung an homöopathischen Therapien gerecht zu werden.

Mittlerweile sind wir mit drei Aussendungen und dem von uns ausgearbeiteten Dokument an alle EU Parlamentarier herangetreten. Mit persönlicher Kontaktaufnahme konnten einige wenige auf unsere Anliegen aufmerksam gemacht werden. Durch die Gespräche ergaben sich schlussendlich Möglichkeiten, einen kleinen Teil unserer Änderungsvorschläge in den Text aufzunehmen. Und zwar jene Änderung, die für uns am Bedeutendsten ist - die Erlaubnis der Anwendung sämtlicher homöopathischer Einzelarzneien ohne Anwendungsgebiet, die für den Menschen registriert sind, auch in Zukunft in der Behandlung tierischer Patienten.

Nun gilt es diesen Änderungsvorschlag, noch in der letzten Abstimmung des gesamten EU Parlaments Anfang März diesen Jahres durch Lobbying bei allen EU Parlamentariern, zu erhalten und zu erweitern. Innerhalb der nächsten 12 Monate wird dann im Europäischen Rat die Endentscheidung fallen; Einflussnahme ist - wie wir hoffen - hierbei über die nationalen Vertreter aus den jeweiligen Ministerien möglich.

Frau Dr. Weiermayer, wir danken für das Gespräch.