Studie

Gesichtsnerven durch enge Nasenriemen stark beeinträchtigt

Ein Artikel von Pamela Sladky | 26.11.2018 - 12:39
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Die geringsten negativen Auswirkungen hatte Druck auf Nerven und Faszien in der Region, die bei der lehrbuchmäßigen Verschnallung mit zwei Fingern Abstand zum Jochbein betroffen ist. © www.Slawik.com

Die Studie (Fascial connections of peripheral nerve of the horse, Tuulia Luomala, Mika Pihlman et al.), die Mitte November anlässlich des internationalen Kongresses für Faszienforschung (Fascia Research Congress) in Berlin präsentiert wurde, nahm die Auswirkungen von Nasen- und Sperriemen auf die Gesichtsnerven und Faszien des Pferdekopfes unter die Lupe. Für ihre Arbeit verwendeten die beiden finnischen Physiotherapeuten Tuulia Luomala und Mika Pihlman den Kopf eines Pferdekadavers, den sie zuvor von Fell und Hautschichten befreit hatten um das darunterliegende Gewebe sichtbar zu machen.

Luomalas und Pihlmans Interesse galt vor allem drei Regionen am Pferdekopf. Und zwar jenen, die im Pferdesport durch Reithalfter besonders häufig Druck ausgesetzt sind: knapp oberhalb der Maulspalte auf Höhe des Sperrriemens, der Bereich, in der der Nasenriemen bei lehrbuchmäßiger Verschnallung eines englischen Reithalfter (mit ca. zwei fingerbreit Abstand zum Jochbein) zum Liegen kommt und die höchstmögliche Lage für einen Riemen, direkt unterhalb des Jochbeins.

Für die größte Einschränkung in der Beweglichkeit sorgte die tiefe Position, wie sie beim Sperrriemen üblich ist. Hier schränkt eine unsachgemäße enge Verschnallung nicht nur die Gleitfunktion der Faszie ein, es ist sogar direkter Druck auf die Nerven möglich.

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Beliebt aber nicht pferdegerecht: Die hohe Positionierung des Nasenriemens direkt unterhalb des Jochbeins führt bei enger Verschnallung zu deutlichem Unbehagen beim Pferd.

Relativ neu ist die hohe Positionierung des Nasenriemens direkt unterhalb des Jochbeins, die man zunehmend im Dressursport bei der Zäumung auf Kandare beobachten kann. Sie ist eine, von der man schnell wieder abkommen sollte, insbesondere, wenn man es mit der Zwei-Finger-Regel nicht so genau nimmt und den Riemen gerne mal etwas fester zuzieht. Im Versuch zeigte sich nämlich, dass diese Verschnallung erhebliche Bewegungsstörungen der Faszien und Nerven zur Folge hat, was beim Pferd deutliches Unbehagen hervorrufen kann.

Die geringsten negativen Auswirkungen ließen sich bei der lehrbuchmäßigen Verschnallung mit zwei Fingern Abstand zum Jochbein beobachten. Unter Druck wurden Gesichtsnerv und Faszie hier am wenigsten in Mitleidenschaft gezogen.  

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© Die tiefe Verschnallung, wie sie bei hannoverschen Nasenriemen und Sperriemen praktiziert wird, erzeugte im Versuch die größten Funktionsstörungen des Faszien- und Nervensystems.  

Abgesehen von Nasen- und Sperriemen sollte auch beim Stirnriemen auf den richtigen Sitz geachtet werden. Sind sie zu kurz, kann das Verspannungen des Kaumuskels und der Ohrregion nach sich ziehen und auch die Faszien- und Nervendynamik des Kopfes negativ beeinflusst werden, wie sich in der Studie beobachten ließ.

Die Empfehlung von Luomala und Pihlman liegt angesichts ihrer Beobachtungen auf der Hand: Wer seinem Pferd Unbehagen und Schmerzen ersparen will, sollte auf eine korrekte und individuelle Anpassung von Zaum und Reithalfter achten. Das gilt ganz besonders für die Verschnallung von Sperrriemen und hannoverschen Nasenriemen, die im Versuch die größten Funktionsstörungen des Faszien- und Nervensystems verursachten.

Quelle: Eurodressage

Checkliste für die richtige Verschnallung der Riemen:

  • Zwischen Nasenrücken und Sperr-/Nasenriemen müssen zwei Finger passen.
  • Es reicht nicht aus, wenn der Nasenriemen vorn breit und weich gepolstert ist. Öffnet das Pferd das Maul, wirken auch hinten die gleichen Kräfte. Dort sollte der Riemen
    nicht dünn und hart sein.
  • Der Englische Nasenriemen sitzt etwa zwei Finger unterhalb des Jochbeins richtig, der Hannoversche Nasenriemen etwa vier Finger oberhalb des oberen Nüsternrandes.
  • Beim Schwedischen Reithalfter muss man allergrößte Vorsicht walten lassen! Durch das Flaschenzugprinzip wird der Nasenriemen schnell viel zu fest verschnallt.
  • Hände weg von Holzknebeln und sonstigen Hilfsmittel, die helfen sollen, den Nasenriemen richtig fest zu bekommen. Das ist reine Tierquälerei!
  • Auch bei gebisslosen Zäumungen muss darauf geachtet werden, dass das Pferd die Möglichkeit zu kauen hat.