Stoßdämpfer

Sattelkissen: 5 Produkte im Test - und was man bedenken sollte

Ein Artikel von Redaktion | 10.11.2022 - 16:42
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Sattelkissen werden häufig verwendet - nicht immer zum Wohl des Pferdes.
© Valeriya Vatel

Ob ein Sattelkissen dem Pferd nutzt oder doch eher schadet, hängt zu einem großen Teil vom verwendeten Material. Und: Wer ein Pad nutzen möchte, sollte sich zuerst mit seinem Sattler bzw. seiner Sattlerin besprechen. So lauten die wichtigsten Erkenntnisse zweier Studien aus Großbritannien und der Schweiz.
 

Schutz für den sensiblen Rücken

Die Aufgabe eines zusätzlichen Sattelpads ist klar: Es soll Stöße und Erschütterungen mildern und damit den empfindlichen Pferderücken schonen. Das ist mit ein Grund, warum Sattelkissen besonders im Springreitlager beliebt sind, wo es – der Dynamik der Disziplin geschuldet – immer wieder zu einem nicht ganz so vorsichtigen Einsitzen kommt. Aber auch viele Dressurreiter:innen möchten mit einer zusätzlichen dämpfenden Schicht unterm Sattel den Komfort ihres Pferd verbessern. Dabei ist die Verwendung eines Sattelkissens allerdings nicht immer zielführend, weiß Russell MacKechnie-Guire, Sportwissenschaftler am Royal Veterinary College, in Hatfield (GBR).

Zusammen mit dem Sattler Mark Fisher von Woolcroft Equine Services in Cambridgeshire und dem Bioingenieur Thilo Pfau vom Royal Veterinary College nahm MacKenchie-Guire Sattelpads aus drei verschiedenen Materialien im Hinblick auf ihre Druckverteilung unter die Lupe:

  • ein viskoelastisches Gelpad,
  • eines aus Lammfell mit Stegnaht am Rücken
  • und ein weiteres aus medizinischem Schaumstoff mit einer Netznaht im Bereich der Wirbelsäule.

Die Unterlagen kamen auf zwölf gut ausgebildeten Dressurpferden zum Einsatz, die allesamt einen gut sitzenden Sattel hatten, dessen Passform im Vorfeld noch einmal überprüft worden war.

Mit den unterschiedlichen Pads ausgestattet, wurden die Pferde von ihren gewohnten Reiter:innen im ausgesessenen Trab und im Galopp auf beiden Händen bewegt. Eine Druckmatte zeichnete die durchschnittliche Druckverteilung sowie die Druckspitzen unter den Kissen auf. Zusätzlich wurde die Passform der Sattel-Pad-Kombinationen von fünf unabhängigen Sattlern überprüft und bewertet. Die Kontrollwerte lieferte eine anatomisch geformte Satteldecke aus Baumwolle.

Die Ergebnisse bestätigten, was auch ähnliche Studien in der Vergangenheit bereits gezeigt haben: Sattelunterlagen aus Gel fallen in die Kategorie „gut gemeint“, dem Pferderücken schaden sie bisweilen aber mehr als sie nützen.


Gel fällt durch

Das von MacKechnie-Guire und seinen Kollegen verwendete Gelpad - das genaue Modell ist nicht bekannt - sorgte im ausgesessenen Trab und im Galopp für den größten Druck im Bereich des Widerrists. Im Gegensatz dazu verursachten das Schaffell- und das Schaumstoffpad hier keinen zusätzlichen Druck, unter dem Sitzbereich konnten beide Materialien sogar für eine erhebliche Druckentlastung sorgen. „Das Material, das man unter dem Sattel verwendet, kann einen großen Unterschied machen“, fasst MacKechnie-Guire seine Erkenntnisse zusammen. Sein Rat: Sattelkissen nicht ohne professionelle Beratung durch einen Sattler oder eine Sattlerin verwenden. Denn das verwendete Modell kann die Passform des Sattels erheblich beeinflussen. „Viele Leute entscheiden sich für ein Sattelkissen, weil jemand, den sie kennen, eines verwendet und sagt: ‚Oh, das solltest du ausprobieren, weil es wirklich hilft!‘“, so der Brite. Sinnvoller sei es, sich erst mit dem Satteler bzw. der Sattlerin des Vertrauens zu beratschlagen. „Wir würden uns wünschen, dass der Reiter zum Sattler geht und sagt: ‚Ich denke darüber nach, mir ein Pad zuzulegen, und würde gerne wissen, ob es in Ordnung ist, dieses unter meinem bestehenden Sattel zu verwenden.'"


Fünf Sattelkissen im Test

Wenige Monate nach der Veröffentlichung der Studie von Russell MacKechnie-Guire brachte ein Schweizer Forscherteam eine ähnliche Arbeit heraus. Das Team um Marie T. Dittmann von der Vetsuisse-Fakultät Zürich hatte fünf Sattelunterlagen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Druck, der auf den Pferderücken wirkt, untersucht und sich auch angesehen, inwieweit sie die Passform der (Dressur-)Sättel veränderten.

Getestet wurden die Modelle

  • Acavallo Gel Pad Anatomic (7 mm Stärke)
  • Equiline Tecno Air Shock Absorber (12 mm Stärke)
  • Horst Becker Body Move Pad Basic Relax Dressage (22 mm Stärke) Da dieses Pad wie eine Schabracke geformt ist, wurde es als einzige der fünf Unterlagen ohne Satteldecke verwendet.
  • Mattes Lammfell-Sattelkissen (33 mm Stärke)
  • Winderen Sattelpad Dressur (18 mm Stärke)
  • Zur Kontrolle diente eine herkömmliche dünne Baumwollschabracke

Acht Pferde wurden von einer professionellen Reiterin im Schritt, im leichten und im ausgesessenen Trab sowie im Galopp auf beiden Händen geritten. Die Pferde trugen während der Tests ihren gewohnten, professionell angepassten (Dressur-)Sattel.

Dickere Unterlage = weniger Druck

Im Vergleich zur Kontrollschabracke reduzierten die Modelle der Marken Body Move, Equiline, Mattes und Winderen den mittleren Druck auf den Pferderücken in allen Gangarten deutlich und zwar im Bereich von 0,8 bis 1,8 Kilopascal (kPa). Das Acavallo-Pad zeigte hingegen keine signifikante Verringerung der durchschnittlichen Belastung.

Ähnliche Ergebnisse lieferte die Messung der Druckspitzen. Hier konnten Body Move, Mattes und Winderen in allen Gangarten signifikante Verminderungen (2,1 bis 5,8 kPA) erzielen. Auch Equiline schnitt gut ab, mit einer Ausnahme: dem leichten Trab. Hier gab es gegenüber der Schabracke keine Verbesserung. Das Gel-Pad von Acavallo konnte die Druckspitzen nur im Stand senken, sobald sich  Pferd und Reiterin in Bewegung setzten, zeigten sich keinerlei signifikanten Unterschiede zur Schabracke mehr.

Im Vergleich zur Kontrollschabracke war die Auflagefläche bei allen Unterlagen etwas kleiner. Allerdings wurde dieser Unterschied als nicht statistisch signifikant bewertet.

Dass ausgerechnet die drei dicksten Sattelunterlagen die besten Ergebnisse bei der Druckreduzierung erzielten, kam für Marie Dittmann und ihre Kolleg:innen etwas überraschend. Immerhin hört man seit Jahren, dass mit zunehmender Stärke der Unterlage auch der Druck auf den Pferderücken wächst – vergleichbar mit dem Effekt, den dicke Wollsocken erzeugen, die man in passgenauen Schuhen trägt. Dass dem in der Schweizer Studie nicht so war mag daran liegen, dass die verwendeten Pads allesamt zweigeteilt und im Bereich der Wirbelsäule durch ein dünneres Material verbunden waren. Auf diese Weise wird direkter Druck in diesem Bereich vermieden, weil der gesamte Sattel ein wenig angehoben wird. Ein weiterer Grund könnte sein, dass der Wirbelkanal bei modernen Sätteln grundsätzlich weniger eng ist, als das noch vor einigen Jahren der Fall war.

Dickere Unterlage = verringerte Stabilität

Dickere Pads dämpften zwar besser, machten den Sattel aber auch etwas instabiler, was für die Testreiterin in manchen Fällen auch durchaus spürbar wurde. Das galt für die Modelle von Winderen und Body Move im Schritt, bei Mattes im ausgesessenen Trab. Bei manchen Pads verstärkte sich außerdem das Gefühl, weiter vom Pferd weg zu sitzen, als wenn ausschließlich eine Baumwollschabracke verwendet wurde.

Beeinflusst die Sattelunterlage die Balance des Reiters bzw. der Reiterin im Sattel deutlich, gilt es abzuwägen, ob ein Pad noch sinnvoll ist. Denn ein unausbalancierter Reiter kann das Pferd stärker belasten, als ihm die Druckverminderung durch die zusätzliche Unterlage hilft.

Grundsätzlich bieten sich Sattelpads vor allem für im Rücken sensible Pferde an, die viel im Trab und im Galopp geritten werden. In den dynamischen Gangarten erhöht sich der Druck auf den Pferderücken naturgemäß. Hier kann das richtige Pad erhebliche Erleichterung bringen. Zum Vergleich: Mit den dickeren Unterlagen fiel der mittlere Druck im Galopp geringer aus als im Schritt mit der bloßen Schabracke.

Marie T. Dittmann rät, die Ergebnisse ihrer Studie nicht unreflektiert zu betrachten. Aufgrund der geringen Pferdeanzahl und der immer gleichen (professionellen) Reiterin sei die Aussagekraft der Resultate limitiert. Die Wirkung der einzelnen Sattelunterlagen könnte von den Studienergebnissen abweichen, wenn sie von anderen Personen, beispielsweise bei einem unausbalancierten, männlichen Anfänger, verwendet würden. Auch könnte der Effekt der Pads bei Pferden mit Rückenproblemen oder nicht optimal passenden Sätteln sehr unterschiedlich ausfallen. Und zu guter Letzt waren die in der Studie untersuchten Pads allesamt neu, und es ist nicht möglich vorherzusagen, wie sich ein häufiger Einsatz über einen längeren Zeitraum auf die druckmindernden Eigenschaften auswirkt.

Die britische Studie “Effect of a Half Pad on Pressure Distribution in Sitting Trot and Canter Beneath a Saddle Fitted to Industry Guidelines” wurde in Ausgabe 96 des Journal of Equine Veterinary Science veröffentlicht.

Die Schweizer Studie "The effects of different saddle pads on the pressure exerted on the equine back by correctly fitting dressage saddles" ist in Ausgabe 38 der Fachpublikation Pferdeheilkunde Equine Medicine erschienen.