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"Richtig reiten reicht" - mit diesem Satz wurde Deutschlands Ausbilderlegende Paul Stecken weltberühmt. © Inge Vogel

Reitsport-Doyen Paul Stecken gestorben

Ein Artikel von Pamela Sladky | 15.09.2016 - 19:23
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"Richtig reiten reicht" - mit diesem Satz wurde Deutschlands Ausbilderlegende Paul Stecken weltberühmt. © Inge Vogel

"Richtig reiten reicht" - mit diesem Satz wurde Ausbilderlegende Paul Stecken geradezu weltberühmt. Stets setzte er sich kompromisslos für die klassische Reitlehre ein. Major a.D. Paul Stecken, geboren am 29. Juni 1916 in Münster, war die wohl profilierteste Ausbilderpersönlichkeit der vergangenen Jahrzehnte in Deutschland.

Seine erste Reitausbildung erhielt er von Vater Heinrich, der 25 Jahre lang die Westfälische Reit- und Fahrschule in Münster leitete. Im Alter von 18 Jahren trat Paul Stecken in das Reiterregiment 15 in Schloss Neuhaus bei Paderborn ein. Unter den legendären Ausbildern Edwin Graf Rothkirch, Rittmeister Lippert und Hermann Freiherr von Nagel entwickelte er sich schnell zum besten Dressurreiter des Regiments und wurde an die Kavallerieschule nach Berlin-Krampnitz berufen. 1943 zum Major befördert, musste Stecken durch eine kriegsbedingte Verwundung seine eigene reiterliche Karriere einschränken.

Am 1. Januar 1950 übernahm der Major a.D. die Leitung der Westfälischen Reit- und Fahrschule in Münster, die sich unter ihm zu einem „Paradepferd“ deutscher Reit- und Fahrausbildung entwickelte. Als Stecken Ende 1985 in den Ruhestand trat, waren in den 36 Jahren seiner Leitung an der Schule 11.539 Lehrgangsteilnehmer ausgebildet, 1.917 Reitlehrer auf ihre Qualifikation hin geprüft und 108 Lehrlinge auf ihre Prüfung vorbereitet worden. 7.709 Reiter haben ein Reit- oder Fahrabzeichen erlangt.

Im Spitzensport war Dr. Reiner Klimke der erfolgreichste Schüler Steckens. Der Bundestrainer Vielseitigkeit der Jungen Reiter und Junioren, Rüdiger Schwarz, absolvierte bei Stecken seine Lehre, auch Mannschaftsolympiasiegerin Ingrid Klimke gehörte zu Steckens Schülern und profitierte auch in den letzten Jahren noch von seinem Rat.

Neben der Leitung der Schule machte er sich auch einen Namen als Turnierrichter in allen Klassen und Disziplinen, als Prüfer bei Richter-, Pferdewirt- und Meisterprüfungen, als Gutachter vor Gericht sowie als Organisator von Zuchtprüfungen in Westfalen. Lange Jahre war er Vorstandsmitglied im Deutschen Reiter- und Fahrerverband. Für sein außerordentliches Engagement wurde Stecken mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, so war er unter anderem Ehrenmitglied der FN, Inhaber des Deutschen Reiterkreuzes in Gold, der Gustav-Rau-Medaille, der Goldenen Nadel des Westfälischen Pferdestammbuchs und der Goldenen Nadel der Bundesvereinigung der Berufsreiter.

Paul Stecken ist Gründungsmitglied des Bundesverbandes Deutscher Berufsreiter und hat die Entwicklung zur staatlich anerkannten Berufsausbildung der Reitlehrer maßgeblich beeinflusst. Besonderes Augenmerk in der Ausbildung von Reitern und Pferden legte Paul Stecken auf die korrekte Anwendung der klassischen Reitlehre. Sein auch in aktuellen Ausbildungsdiskussionen unwiderlegbares Credo: „Richtig reiten reicht.“ Der Beruf des Pferdewirts hat dank Stecken ein offiziell anerkanntes Berufsbild sowie eine Prüfungs- und Ausbildungsordnung. Darüber hinaus war er beratend beteiligt an der Ausarbeitung der FN-Richtlinien für Reiten und Fahren.

"Rollkur ist reiterlicher Unsinn"

Gelehrt hat Paul Stecken über Jahrzehnte, zu Papier gebracht hat er sein Fachwissen allerdings lange Zeit nicht gesammelt, sondern in Artikeln und Aufsätzen – bis zum vergangenen Jahr. 2015 erschien im FNverlag sein erstes Werk: „Bemerkungen und Zusammenhänge - Erkenntnisse eines Pferdemannes“. Es ist ein Büchlein geworden, in dem er die „Überlieferten Grundsätze“ erläuterte, sich Gedanken zur Reitlehre und deren Umsetzung machte und die aktuelle Entwicklung im Dressursport thematisierte. Dabei erteilte er, rational und doch in seiner Art vehement, der Rollkur eine klare Absage. „Die andere Reitweise“, sagte er, sei mit Druck und Zwang verbunden. Die Begriffe Anlehnung, Mitschwingen des hergegebenen Rückens, tätige Hinterhand in relativer Aufrichtung, ruhige Schweifhaltung und Zufriedenheit des Pferdes würden „auf den Kopf gestellt“ werden. Ausbildungsmäßig sei das Reiten in Rollkur nur mit „reiterlichem Unsinn“ zu bezeichnen. Die Grundsätze der Heeresdienstvorschrift waren für ihn dagegen in Form der „Überlieferten Grundsätze“ bis heute gültig.

fn press