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Das starke Aufrollen des Pferdehalses, auch als Rollkur, Hyperflexion oder seit einiger Zeit als Low-Deep-Round (LDR) bezeichnet, gilt als sehr umstrittene Trainingsmethode und in ihrer wirkung auf Körper und Psyche des Pferdes höchst zweifelhaft. © fotolia.com

Beugen oder Strecken: Wie stressig ist die Hyperflexion für Pferde?

Ein Artikel von Pamela Sladky | 24.07.2012 - 09:50
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Das starke Aufrollen des Pferdehalses, auch als Rollkur, Hyperflexion oder seit einiger Zeit als Low-Deep-Round (LDR) bezeichnet, gilt als sehr umstrittene Trainingsmethode und in ihrer wirkung auf Körper und Psyche des Pferdes höchst zweifelhaft. © fotolia.com

Diskussionen über die beste Methode, Pferde auszubilden, gibt es seit Jahrhunderten. Unter dem Druck einer Petition mit über 40.000 Unterschriften gegen unnötiges Leiden von Pferden hat vor zwei Jahren selbst die Internationale Reiterliche Vereinigung (FEI) die Hyperflexion als Trainingsmethode verboten. Die FEI unterscheidet jedoch zwischen Hyperflexion, die mit starker Krafteinwirkung des Reiters erzielt wird, und einer als “low, deep and round” (LDR) bezeichneten Kopf-Hals-Position des Pferdes, die ohne gewaltsame Hilfen erreicht wird. Wie eine unerwünschte Hyperflexion vom erlaubten LDR-Training zu unterscheiden ist, wurde aber nicht erläutert. Stattdessen wurde eine Arbeitsgruppe zur Erarbeitung einer Definition eingesetzt.

Emotionale Diskussion

Die Diskussionen zwischen Befürwortern und Gegnern der Hyperflexion wird oft sehr emotional geführt, konnte bislang aber auf wenige wissenschaftlich abgesicherte Daten zurückgreifen. Mareike Becker-Birck aus der Arbeitsgruppe von Christine Aurich an der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni Vienna) hat nun den Stress von Pferden verglichen, die entweder mit vorwärts-abwärts gestrecktem Hals oder in Hyperflexion trainiert wurden. Der Stress der Tiere wurde vor, während und nach dem Training an der Longe anhand der Konzentration des Hormons Cortisol im Speichel der Pferde, der Herzfrequenz und kurzzeitiger Herzfrequenzschwankungen analysiert. Zusätzlich wurde die Körpertemperatur an der Hautoberfläche im Halsbereich gemessen. Longiert wurden die Pferde beider Gruppen ohne die Verwendung einer Peitsche und im moderaten Tempo.

Stress bei longierten Pferden nicht besonders groß

Keines der getesteten Pferde zeigte während des Trainings Abwehrverhalten gegen den Zügel. Die Freisetzung von Stresshormonen und die Herzfrequenz nahmen im Training zu, die Herzfrequenzvariabilität sank ab. Diese Veränderungen sind sowohl eine normale Stressreaktion als auch eine Antwort auf mäßige körperliche Anstrengung. Das Stressniveau war nicht besonders hoch und die Konzentration von Stresshormonen im Speichel war weit geringer als beispielsweise bei Pferdetransporten oder beim Anreiten junger Pferde. Dabei zeigte sich auch, dass die Stressreaktion unabhängig davon, ob die Pferde in Hyperflexion oder unter “klassischen” Bedingungen in Vorwärts-abwärts-Haltung longiert wurden, annähernd gleich war. Der einzige signifikante Unterschied zwischen den Pferden betraf die Temperatur im vorderen Halsbereich. Dies deutet darauf hin, dass bei Pferden in Hyperflexion die Durchblutung im Hals möglicherweise ungleichmäßiger ist.

Zwar zeigen die Ergebnisse der Studie, dass die Hyperflexion bei Pferden keine ausgeprägte Stressreaktion bewirkt sofern sie ohne Verwendung der Peitsche in moderatem Tempo longiert werden, Christine Aurich bleibt aber dennoch vorsichtig. “Unsere Untersuchung zeigt, dass die Hyperflexion selbst das Pferd nicht besonders belastet. Viele Ausbilder und Reiter trainieren aber mit länger anhaltender, aggressiver Einwirkung auf das Pferd. Damit entsteht eine andere Situation als in unserer Studie, und unsere Ergebnisse erlauben nicht die Schlussfolgerung, dass die Hyperflexion auch unter dem Reiter stressfrei und ohne negativen Einfluss auf Pferde ist”.

Deutlich erhöhter Stress für gerittene Rollkur-Pferde

Dass die vorliegende Studie der Veterinärmedizinischen Universität Wien nur sehr bedingt für das Reiten in Hyperflexionshaltung repräsentativ ist, zeigen auch die Ergebnisse einer Studie, die kürzlich von niederländischen und dänischen Forschern anlässlich der 10. Pferdewissenschaftskonferenz in Edinburgh vorgestellt wurden. Für die wissenschaftliche Untersuchung, durchgeführt von Janne Winter-Christensen von der Universität Aarhus in Dänemark sowie Mirjam van Dalum und Mandy Beekmans von der Universität Utrecht, wurden 15 dänische Pferde eingesetzt, die regelmäßig in LDR-Haltung geritten werden. Während einer zehnminütigen Testperiode mit Schritt Trab und Galopp wurden Herzfrequenz, Herzfrequenzvariabilität, die Kortisol-Konzentration im Speichel sowie das Verhalten und die Spannung am Zügel aufgezeichnet. Die Pferde wurden über drei Tage hinweg abwechselnd in LDR-Haltung, Bewerbshaltung und in lockerem Rahmen in einer typischen Trainingssituation geritten. Dabei zeigte sich, dass während bei der Herzfrequenz und Herzfrequenzvariabilität kaum Unterschiede zwischen den drei Trainingshaltungen festzustellen waren, die Konzentration des Stresshormons Kortisol im Speichel der hyperflexionierten Pferde signifikant erhöht war.

"Innerhalb der Parameter dieser Trainingssituation fanden wir heraus, dass die Verwendung der hyperflexionierten Kopfposition, selbst bei Pferden die routinemäßig auf diese Weise geritten werden – zu einer physiologischen Stressreaktion führt, wie wir anhand der Kortisolkonzentration im Speichel nachweisen konnten“, so Dr Machteld van Dierendonck von der Universität Utrecht. Auch die Zügelspannung war in LDR-Haltung höher als bei Pferden, die in einem losen Rahmen geritten wurden. Dies gilt allerdings auch für die Bewerbshaltung.

Quellen VUW und horsetalk.co.nz

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