Umweltschützer sehen in der ungezügelten Vermehrung der rumänischen Wildpferde im Donaudelta eine Bedrohung für das Naturschutzgebiet. Eine gezielte Populationskontrolle soll den Schutz des Marschlandes künftig gewährleisten. © VIER PFOTEN | Cristian Nistor
Knapp zwei Jahre ist es her, dass eine Gruppe von rumänischen Wildpferden durch den Einsatz von Tierschützern vor dem illegalen Gang zum Schlachter gerettet werden konnte. Seit ihrer Rückkehr ins rumänische Donaudelta werden die Tiere durch mit Hilfe von Spendengeldern finanzierten Futterlieferungen versorgt. Die harten Winter der Region stellten die wilden Herden in der Vergangenheit vor eine große Herausforderung. Aus Mangel an Alternativen nagten die Pferde häufig an der Rinde der Bäume des geschützten Waldgebietes. Die Bedrohung, die sich dadurch für den als nördlichsten tropischen Urwald Europas geltenden Letea Wald ergab, führte zu öffentlichen Debatten mit Naturschützern und erschwerte den Schutz der Pferde zusätzlich.
Eine empfängnisverhütende Impfung soll an so viele Stuten wie möglich verabreicht werden, um das natürliche Gleichgewicht im Donaudelta zu bewahren. © VIER PFOTEN | Cristian Nistor
Derzeit leben rund 900 Pferde in den Wiesen und Wäldern von Letea. Um eine ungebremste Ausbreitung der Herden zu verhindern und das natürliche Gleichgewicht im Delta zu erhalten, soll die Geburtenrate künftig mittels gezielter Verhütung vermindert werden. Dazu hat Vier Pfoten nun ein umfassendes Impfprojekt in Angriff genommen. Eine empfängnisverhütende, zwei bis drei Jahre wirksame Impfung, soll an so viele Stuten wie möglich verabreicht werden. Das verwendete Impfpräparat wurde für ähnlich komplexe Situationen entwickelt und ist im Vergleich zu einer normalen Kastrations-OP eine schnellere und günstigere Methode. Die Kastration der Hengste sei in diesem speziellen Fall keine Alternative, zum einen sei sie wesentlich aufwändiger, teurer und zeitintensiver. Zum anderen könne ein einziger, nicht kastrierter Hengst, allein in einer Saison bis zu 50 Stuten decken und so für viele Nachkommen sorgen.
Die Durchführung eines derart groß angelegten Impfprojektes machte es notwendig, mehr über die Lebensgewohnheiten, die tägliche Routine und die Zusammensetzung der Herden zu erfahren. Zu diesem Zweck begab sich der rumänische Veterinär Ovidiu Rosu Mitte Jänner auf eine mehrtägige Expedition nach Letea. Die Suche nach den Pferden bewältigte er zu Fuß, denn Autos sind im Naturschutzgebiet verboten.
Dr. Rosu brauchte nicht lange zu suchen. Kurze Zeit nach seiner Ankunft begegnete er einer kleinen Gruppe von Pferden. In der klirrenden Kälte suchen die Tiere vermehrt die Nähe der Gruppe und ziehen sich weit in den Wald zurück. Eine effiziente Strategie, die ihnen nicht nur mehr Wärme bringt, sondern auch Schutz vor dem eisigen Wind. Erst bei Einbruch der Dunkelheit suchen die Herden die wenigen Wasserlöcher auf, die nicht zugefroren sind. Trotz der extrem kalten Temperaturen fand Rosu die Pferde in einem gesunden und stabilen Zustand vor.
Vor allem junge Hengste scheinen trotz der Kälte lieber alleine unterwegs zu sein. © VIER PFOTEN | Cristian Nistor
Im Verlauf seiner achttägigen Expedition stieß der Veterinär immer wieder auf kleine Gruppen, vor allem junge Hengste scheinen trotz der Kälte allerdings lieber alleine unterwegs zu sein. Dies sind wichtige Informationen für das neue Projekt, in dessen Zuge einige Tiere mit Sendern ausgestattet werden sollen. So wollen die Tierschützer noch mehr über den jeweiligen Aufenthaltsort der Pferde erfahren, um das Impf- und das Geburtenkontrollprogramm bestmöglich vorbereiten zu können. Zudem soll so auch die Stressbelastung für die letzten Wildpferde Europas auf ein Minimum reduziert werden.