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Diese drei Vertreter des Urpferdes Hipparion koexistierten vor rund acht Millionen Jahren auf der Iberischen Halbinsel und sind nur ein Beispiel für die Artenvielfalt bei Pferden. © Mauricio Antón

Die Evolutionstheorie hat einen Pferdefuß

Ein Artikel von Pamela Sladky | 14.02.2017 - 11:54
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Diese drei Vertreter des Urpferdes Hipparion koexistierten vor rund acht Millionen Jahren auf der Iberischen Halbinsel und sind nur ein Beispiel für die Artenvielfalt bei Pferden. © Mauricio Antón

Die Entwicklung des Pferdes könnte den Schlüssel zu einem der klassischen Rätsel der Evolution liefern. Was kommt zuerst: Neue Eigenschaften oder neuer Lebensraum?

In der Februarausgabe des Wissenschaftsmagazins Science liefern Juan Cantalapietra vom Berliner Museum für Naturkunde und seine Paläontologie-Kollegen aus Spanien und Argentinien Hinweise darauf, dass Zweiteres der Fall sein könnte.

Die Forscher untersuchten 140 Pferdearten, alle bis auf sechs davon bereits ausgestorben, die ältesten Fossilien darunter 18 Millionen Jahre alt. Dabei stellten sie fest, dass Veränderungen in der Umwelt und in Ökosystemen offenbar die treibende Kraft hinter der evolutionären Entwicklung der Pferde waren.

Die klassische Auffassung der Evolutionstheorie vertritt die Annahme, dass sich erst neue Eigenschaften - wie etwa längere Zähne mit stärkerem Zahnschmelz – entwickeln um einer Spezies dann einen Wechsel in ein neues Lebensumfeld zu ermöglichen. Bei Pferden würde die Entwicklung eines solchen Gebisses beispielsweise einen Wechsel vom schützenden Laubwald hin zum offenen Grasland mit vom Wind vertragenen Staub und Sand ermöglichen. "Du kannst als Weidetier nicht auf Grasland leben und kurze Zähne haben", erklärt Paläontologe Bruce McFadden von der Universität in Gainsville, Florida. "Die Zähne wären schnell völlig abgenutzt. Das ist nicht unbedingt das richtige Rezept für eine Spezies, die in diesem Umfeld erfolgreich überleben will."

Ähnliches gilt für die Körpergröße. Auch sie kann einen Hinweis auf die Besiedelung eines neuen Terrains geben. So sind waldlebende Tiere in der Regel kleiner und eher Einzelgänger, während größere Herdentiere meist im offenen Grasland zu finden sind.

Der Vergleich der fossilen Funde zeigte nun jedoch, dass sich Zähne und Körpergröße der Pferde  erst lange nach dem Einzug in die Steppe veränderten und sich von Arten in anderen Ökosystemen wenig unterschieden. Dies widerspricht der Theorie der „adaptiven Radiation“ wonach sich eine einzige Stammart in relativ kurzer Zeit in zahlreiche neue Arten auffächert, die jeweils unterschiedliche ökologische Nischen besetzen.

Cantalapietra und seine Kollegen vermuten, dass die beschleunigte Diversifizierung nur in Ökosystemen möglich war, in denen viel Energie und Biomasse zur Verfügung stand. Auf diese Weise konnten mehrere einander sehr ähnliche Arten überleben, die sonst stark miteinander konkurriert hätten.

Pferd doch kein Vorreiter für Evoutionstheorie?

Die jüngsten Entdeckungen rund um die Entwicklungsgeschichte der Pferde entbehren nicht einer gewissen Ironie. Über ein Jahrhundert lang galten die Tiere als Musterbeispiele für die Evolutionstheorie. Möglicherweise zu Unrecht, wie sich jetzt herausstellt. Das dargestellte Szenario könnte zwar ein Einzelfall sein und ganz spezifisch für Pferde gelten, möglicherweise aber auch nicht.

Die Erforschung der komplexen Evolutionsgeschichte des Pferdes ist jedenfalls noch längst nicht abgeschlossen – und wird der Wissenschaft mit Sicherheit noch das eine oder andere Rätsel aufgeben.

ps