Viel hochwertiges Heu, etwas Qualitätshafer – und ab und an eine Karotte: so würden Pferde ihr Menü gestalten, wenn sie könnten. © www.slawik.com
Das Futtermanagement beinahe aller Pferde in konventionellen Haltungssystemen ist von drei grundlegenden Missverständnissen geprägt, die in der Regel auch die Hauptursache von gesundheitlichen Störungen wie Koliken oder Magengeschwüren sind. Erstens: Das Auge – und zwar jenes des Pferdebesitzers – isst mit. Soll heißen: Viel zu oft wird Pferdefutter nach Kriterien wie Aussehen und (nach menschlichen Kriterien angenehmer) Geruch ausgewählt und nicht nach Inhaltsstoffen und ernährungsphysiologischem Wert. Zweitens: Unsere eigene Gewohnheit, drei Mahlzeiten am Tag zu uns zu nehmen, diktiert auch die Routine des eigentlich ans Dauerfressen angepassten Pferdes. Und drittens: Müsli muss leckerer sein als der trockene Faserkram, ergo gönnen wir dem Pferd doch etwas mehr davon.
Fressen als Beschäftigung
Pferde sind mit einem hochkomplexen Verdauungsapparat ausgestattet. Für sie ist fressen nicht allein Nahrungsaufnahme, wie wir dies in unserem temporeichen Alltag vielfach oft selbst erleben; für das Pferd ist fressen auch Beschäftigung, wahrscheinlich sogar die wichtigste und definitiv die entspannendste, die es im Pferdealltag gibt. Sein ganzer Körper ist dafür konzipiert, sich langsam über karge Steppenlandschaften fortzubewegen und sich bis zu 16 Stunden am Tag an trockenen Gräsern und Blättern zu laben.
Die Realität des Boxenalltags sieht anders aus: Mit nur zwei Heuportionen pro Tag steht nach kürzester Zeit Langeweile auf dem Programm, wie Dr. Peter Zechner, Geschäftsführer des oberösterreichischen Zuchtverbandes und Leiter von Seminaren über Pferdefütterung, erklärt: „Ein Kilo Heu wird von einem Pferd in etwa 40 bis 50 Minuten gefressen. Werden nur fünf bis sechs Kilo Heu, verteilt auf zwei Portionen, gefüttert – wie es leider nach wie vor in vielen Ställen üblich ist –, so ist das Pferd nur drei bis fünf Stunden pro Tag beschäftigt.“ Das wirkt sich nicht nur auf die Psyche aus, sondern ist auch die Hauptursache für Magengeschwüre.
Was bei uns Menschen längst als stressbedingte Zivilisationskrankheit anerkannt ist, ist leider auch beim Pferd bereits seit geraumer Zeit traurige Realität: Zwischen 60 und 80 Prozent aller Pferde in Boxenhaltung und mit nur limitiertem Weidegang leiden unter Läsionen der Magenschleimhaut, die kontinuierlich Schmerzen verursachen. Der Grund dafür liegt in der Funktionsweise des Pferdemagens: Während ein Fleischfresser zwischen den Mahlzeiten so gut wie keine Magensäure produziert, wird beim Dauerpflanzenfresser Pferd die reizende Substanz ständig abgegeben. Dies, kombiniert mit dem Umstand, dass der Pferdemagen mit etwa 15 bis 20 Litern Volumen relativ klein ist, sorgt dafür, dass die Magenschleimhaut, wenn sie aufgrund fehlenden Mageninhalts dem Magensaft schutzlos ausgeliefert ist, wund wird.
Die Wunden verursachen Schmerzen – deutlich erkennbar, wenn das Pferd die Futteraufnahme kurzfristig unterbricht, die Ohren anlegt und eventuell gegen seinen Bauch tritt und vermehrten Speichelfluss hat. Oftmals sind auch Pferde, die für „unrittig“ gehalten werden, eigentlich chronische Magenpatienten, die sich aufgrund der Schmerzen verspannen, die entstehen, wenn der Magensaft bei Bewegung an die wunden Stellen schwappt.
Die Antwort: Heu, mehr Heu!
Wer heutzutage österreichische Pensionsställe besichtigt, dem fällt wahrscheinlich eines auf: Auf Boxentüren finden sich vielfach mit Kreide vermerkte Aufforderungen wie „VIEL HEU!“, „3 x HEU!“ oder auch „HEU NASS!“. Der Eindruck, dass Heu Mangelware ist, trügt nicht. Vielfach werden die Einsteller mittlerweile pro Kilo Heu, das zusätzlich zu den standardmäßig verfütterten sechs Kilogramm geboten wird, kräftig zur Kasse gebeten. Und nicht selten hört man Berichte von finanziell in die Bredouille geratenen Einstellbetrieben, die den Sparstift zu allererst beim Heu ansetzen – mit schwerwiegenden Folgen für die Pferde. Magengeschwüre und Koliken können die Konsequenz der restriktiven Heupolitik sein.
Dr. Peter Zechner empfiehlt daher „1,5 bis 2 kg Trockensubstanz im Grundfutter pro 100 kg Lebendgewicht, das bedeutet zwischen zehn und 15 kg Heu pro Tag für ein Pferd mit 600 kg. Damit kann man sich bei den meisten Pferden, die etwa eine Stunde am Tag geritten werden, sogar das Kraftfutter ersparen“. Die Verabreichung von mehr als zwei Mahlzeiten Grundfutter pro Tag ist im Tierschutzgesetz vorgeschrieben. Nimmt man an, dass ein Pferd pro Tag zwischen 64 und 75 Megajoule an Energie benötigt, kann man mit Heu, das Energiewerte zwischen sieben und 9,5 Megajoule pro Kilogramm aufweisen kann (zum Vergleich: Kraftfutter hat zirka elf bis 13 Megajoule), auf sinnvolle Weise Kraftfutter ersetzen. Dies wird gerade für dicke Pferde beziehungsweise Ponys und solche, die beim Kraftfutterfressen zum Schlingen neigen, angeraten.
Was macht nun gutes Heu aus – und was bewirkt das Nassmachen? Für stauballergische Pferde wird Heu gerne in Wasserbottichen gewaschen, manchmal sogar über Nacht eingeweicht. Zum Teil hat dies einen positiven Effekt auf die Lungengesundheit – die Pferde husten weniger. Allerdings lässt sich auch oft genug beobachten, dass Ställe, in denen besonders viel Heu gewaschen wird, auch eine besonders hohe Stauboder Schimmelbelastung durch Stroh, Getreide oder schlechte Lüftungssysteme aufweisen. Das feuchte Heu ist in diesen Fällen somit nur ein Tropfen auf die beleidigte Pferdelunge, oftmals aber die einzige Maßnahme, die der Pferdebesitzer im Stall selbst gestalten kann.
Heu aus dem ersten Schnitt hat einenhöheren Rohfasergehalt und wird vonPferden bevorzugt. © Elke Hellmich
Gutes Heu erkennt man im Rahmen einer sogenannten sensorischen Prüfung: Man riecht am Heu, beurteilt die Farbe, schüttelt es und beobachtet die Staubentwicklung und macht sich ein Bild von der Grobfaserigkeit. Heu aus dem ersten Schnitt im Jahr ist generell etwas stängeliger und hat daher einen höheren Rohfasergehalt. Pferde ziehen dieses Heu im allgemeinen dem zweiten Schnitt vor, das auch als „Grummet“ bezeichnet wird. Obwohl der zweite Schnitt meist eine intensivere Farbe und einen aromatischeren Geruch hat, kauen Pferde offensichtlich lieber auf groben Fasern.
Heu aus dem (späten) zweiten Schnitt ist aromatischer und feiner, sein Energiegehalt ist höher. © Elke Hellmich
Der erste Schnitt ist generell weniger energiereich als der zweite Schnitt, ohne eine Analyse lässt sich der Energiegehalt aber nur grob abschätzen. Dr. Peter Zechner kann eine Heuanalyse nur empfehlen, besonders für Betriebe, die ihr Heu selbst herstellen, denn: „Solange man nicht weiß, was im Heu drin ist, hat es keinen Sinn, das Kraftfutter zu analysieren. Als Grundfuttermittel ist das Heu ein wesentlicher Bestandteil der Ration, deshalb muss man es auch einschätzen können.“ Dr. Christina Fritz, Pferdetherapeutin und Fütterungsexpertin aus Deutschland, weiß aus Erfahrung: „Die Heuqualität kann innerhalb einer Charge stark variieren, daher sollte man für die Analyse mehrere Stichproben zu einer Sammelprobe zusammenfassen. Dazu kommt noch, dass die Analysewerte extrem hohen Schwankungen unterworfen sind, die mit der Tageszeit der Ernte, den Witterungsbedingungen, dem Düngungszustand des Bodens und vielen weiteren Kriterien, die wir kaum beeinflussen können, erklärt werden.“ Eine Analyse liefert damit nur eine verlässliche Aussage über die jeweilige Charge.
Da ist es fast sinnvoller, den Blick weg vom Futter und hin zum Fresser zu wenden. Denn was nützen uns die besten Analysewerte, wenn das Pferd einfach zu dünn ist? Dr. Christina Fritz: „Das Auge ist der beste Futtermeister. Die meisten Rechnungen, die man in der Literatur findet, stimmen schon allein dann nicht mehr, wenn man es nicht mit einem Durchschnittskaliber, sondern zum Beispiel einem Vollblutaraber zu tun hat. Daher ist es wichtig, Rasse und Typ des Pferdes in Betracht zu ziehen, wenn man beurteilen will, ob es gut genährt ist.“
Drängeleien im Offenstall
Obgleich der Offenstall im Vergleich zur Boxenhaltung grundsätzlich als die pferdefreundlichere Haltungsform gilt, kann es gerade beim Raufutterangebot zu Stress und Unterversorgung einzelner Pferde kommen. Stressig wird es immer dann, wenn Knappheit auftritt. Das kann passieren, wenn die Futterraufen nicht groß genug sind, um auch die schwächeren Mitglieder der Gruppe zum Zug kommen zu lassen. Bei der transpondergesteuerten Einzelfütterung fehlt den Pferden der gesellschaftliche Aspekt des gemeinsamen Heufressens, gleichzeitig wird der Tagesablauf vom Warten auf den Einlass in den Automaten bestimmt – auch die gewöhnlichen Fresszeiten der meisten Pferde kommen damit durcheinander. Dr. Peter Zechner dazu: „Im Offenstall sind einzelne Raufutterautomaten nicht empfehlenswert. Alle Pferde sollten zu ihren Hauptfresszeiten (z. B. abends zwischen 19 und 24 Uhr) zu Futter gelangen können. Um jedem Pferd seine individuelle Portion zukommen zu lassen, würde ich eine Rollraufe mit Schieber vorziehen, die ein gemeinsames Fressen aller Pferde ermöglicht.“
Auch bei der Heufütterung mittels eines Futterautomatens ist das Gemeinschaftserlebnis wichtig. © Birgit van Damsen
Grundsätzlich spricht aber auch nichts gegen eine ad-libitum- Fütterung, wie Dr. Christina Fritz erläutert: „Studien haben gezeigt, dass sich Pferde bei ad-libitum-Heufütterung relativ rasch im Bereich von acht bis zehn Kilo Heu pro Tag einpendeln, also genau so viel zu sich nehmen, wie sie für eine ganztägige Fressbeschäftigung benötigen.“ Bei Pferden ohne Fressbremse – gerade Ponyrassen neigen dazu, grenzenlos zu futtern – empfiehlt Fritz einen Maulkorb oder Heunetze, um die aufgenommene Menge deutlich zu reduzieren.
Alternativen zum Heu
Grassilage oder Stroh könnten zwar auf den ersten Blick als Rohfaserquellen angesehen werden, der Teufel lauert aber im Detail der Nährstoffzusammensetzung. „Silage ist nur theoretisch ein gutes Futtermittel. Durch die gute Verfügbarkeit der Nährstoffe ist sie sehr energiereich, die Gefahr einer Überfütterung ist groß. Bei nicht optimaler Herstellung können verschiedene Stoffwechselprobleme auftreten, neben dem Restrisiko von Botulismus*“, warnt Dr. Peter Zechner.
Stroh ist als Alternative zu Heu auch nur bedingt geeignet. Zwar ist es ein energiearmes Beschäftigungsmaterial, doch besteht gerade bei Vielfressern die Gefahr von Anschoppungen im Darm, da der im Stroh enthaltene Ballaststoff vom Pferd nicht gut verwertet werden kann. Wer die Möglichkeit hat, sein Pferd für einige Stunden täglich auf eine nicht zu üppig bewachsene Weide zu stellen, kann damit durchaus etwas Heu einsparen. Die Mischung aus frischem Gras und Heu ist besonders für die Vitaminbalance wertvoll: Enthält Heu vorrangig Vitamin D, beziehen die Pferde über die Weide das für den Aufbau der Haut und der Schleimhäute notwendige Vitamin A. Die Weide sollte ebenso genau begutachtet werden, um sich ein Bild von der Gräservielfalt zu machen und daraus Schlüsse über den ernährungsphysiologischen Wert zu ziehen.
Hannes Fink, Fütterungsexperte des niederländischen Pferdefutterherstellers PAVO, bekommt jährlich mehrere hundert Heu und Grasproben zur Analyse und weiß: „Die Pferdeweiden enthalten in den vergangenen Jahren immer häufiger Giftpflanzen und sehr zuckerhaltige Gräser wie Weidelgras. Die in besonders hohen Mengen enthaltenen Fruktane werden mit der Entstehung von Hufrehe in Verbindung gebracht. Wir konnten mittlerweile feststellen, dass die Zuckergräser auch im Heu noch sehr zuckerhaltig sind.“ Fink empfiehlt, die Weide gegebenenfalls mit einer eigens für Pferde zubereiteten Saatmischung nachzusäen.
Wie bedeutsam der Weidegang nicht nur für die Psyche der Pferde ist, wurde kürzlich in einer Studie der Universität Utrecht (NL) belegt: Forscher untersuchten die Auswirkungen reiner Boxenhaltung (mit Frischgrasfütterung) auf die Eisenwerte im Blut. Die Ergebnisse waren eindeutig und zeigten, dass die Fohlen im Alter von ein bis drei Monaten aufgrund des chronischen Eisenmangels anämisch wurden. Diese Form der Anämie kommt bei Pferden mit Weidegang so gut wie nicht vor – offenbar holen sich die Tiere die nötigen Zusatzstoffe auch aus der Erde – ohne das Risiko einer Überdosierung, das bei der Verabreichung von künstlichen Futtermittelzusätzen gerade beim Fohlen durchaus besteht. Hannes Fink empfiehlt bei Weidegang vor allem auf die Spurenelemente-Versorgung zu achten: „Durch den trockenen Frühling kann man davon ausgehen, dass die Böden heuer selenarm sind. Das wirkt sich nicht nur auf die Weide, sondern auch auf das Heu aus.“
Hafer: ungerechtfertigtes Schattendasein
Mit dem Aufkommen fertiger Müslimischungen hat Hafer stark an Beliebtheit eingebüßt. „Dabei ist Hafer für Pferde ein ideales Futtermittel“, erklärt Dr. Christina Fritz. „Hafer enthält schnell verdauliche Stärke und wertvolle Ölsäuren, die gut verstoffwechselt werden können.“ Jene hochverdauliche Stärke ist es auch, die manche Pferde, vor allem Vertreter vollblütiger Rassen, „sticht“ – im Gegensatz zur Gerste kann das Pferd die Energie aus dem Hafer sehr schnell mobilisieren.
Theoretisch könnte man ein Pferd, das täglich arbeitet, mit gutem Heu und etwas Hafer ausreichend und gut ernähren. „Der Besitzer wünscht sich aber große Mahlzeiten für das Pferd, obwohl das überhaupt nicht dessen Bedürfnissen entspricht“, so Fritz. Aus diesem Grund entwickelt die Futtermittelindustrie energiearme und strukturreiche Müslifutter, die gleichzeitig so auf den Verdauungsapparat des Pferdes abgestimmt sind, dass die Stärketräger unterschiedlich schnell abgebaut werden und so dem Besitzer gestatten, größere Mengen vorzulegen. Vielfach ist es aber nicht allein die Vorliebe des Pferdebesitzers, die ihn zum Müsli greifen lässt, sondern schlicht und einfach der Mangel an qualitativ hochwertigem Hafer. „Guter Hafer ist in Österreich ein echtes Nischenprodukt. Für Hafer sind keine Fungizide zugelassen, deshalb spielt die Sortenwahl, die Bearbeitung und Erntetechnik (künstliche Endtrocknung) eine große Rolle, um Verpilzungen zu vermeiden“, erklärt Dr. Peter Zechner. Am österreichischen Saatgutmarkt eignen sich jeweils nur eine Schwarzhaferund eine Goldhafersorte besonders gut als Pferdefutter.
Risikofaktor Myotoxine
Am Beispiel des Hafers zeigt sich, wie schwierig es ist, pilzfreie Getreidefuttermittel zu erhalten. Pilze werden nicht nur durch die Saatdichte gefördert, sondern sind auch je nach Wetterlage mehr oder weniger prominent an der Pflanze vertreten. Pilzfreies Getreide gibt es daher schon aus Gründen der Produktionsweise nicht. Bei der Fütterung von Nutztieren wie Rindern und Schweinen ist das Problem der durch die Pilze freigesetzten Gifte (= Mykotoxine) so groß, dass die von der EU vorgegebenen Grenzwerte (jene Werte, die gerade noch keine gesundheitlichen Schäden verursachen) nicht ohne Einsatz von sogenannten Mykotoxinbindern eingehalten werden können. Mykotoxine können Koliken verursachen, aber auch Fruchtbarkeitsstörungen, Hautkrankheiten und Atemwegserkrankungen und gelten daher als ernsthafte Bedrohung für die Pferdegesundheit. Auch Hersteller von Pferdefutter leben mit dieser Herausforderung. Dr. Hannes Fink empfiehlt hier, den Qualitätsstandard des Futtermittels zu hinterfragen: „Wer nach HACCP-Kriterien produziert, hat die strengsten Auflagen der Ein- und Ausgangskontrolle. Bei diesem Futter kann man sich auf die Qualität verlassen.“ HACCP steht übrigens für Hazard Analysis and Critical Control Points und gilt als höchstes Qualitätssicherungsprinzip in der Lebensmittelhygiene.
Wie erkennt man gutes Kraftfutter
Die Beurteilung von Fertigfuttermitteln ist gerade im Pferdebereich eine Wissenschaft für sich. Es gibt aber ein paar Punkte, die bei der Beurteilung eines Müsli- oder Pelletfutters herangezogen werden können.
Das Auge des Besitzers isst mit: Beliebt sind strukturreiche, energiearme Müslis, die große Portionen erlauben. © Elke Hellmich
Wie beim Heu sollte man zunächst die Sinne prüfen lassen: Der Geruch sollte keinesfalls modrige oder gar schimmelige Noten haben, doch auch allzu stark parfümiertes Futter (Hersteller greifen gerne auf künstliche Aromen wie „Grüner Apfel“ zurück) sollte Anlass zur Skepsis geben. Handelt es sich um ein Müsli, sollte man überprüfen, ob sich das Futter im Sack entmischt hat, das heißt, ob sich durch Transport und Lagerung Schichten aus einzelnen Futterbestandteilen absetzen. In der Regel wird das Futter direkt aus dem Sack entnommen und nicht mehr durchgemischt, sodass das Pferd keine homogene Nährstoffzusammensetzung erhält. Im Anschluss sollte überprüft werden, ob das Futter Zuckerrübenmelasse oder Apfeltrester enthält. Beide Zusätze werden als Appetitanreger beziehungsweise als Füllmittel gegeben und haben in gutem Pferdefutter eigentlich nichts verloren.
„Nach HACCP ist Apfeltrester zu unsicher, da die Schimmelbildung eine große Gefahr darstellt. Wer viele Apfelkerne im Pferdefutter entdeckt, sollte lieber die Finger davon lassen. Apfelkerne enthalten schwach giftige Substanzen und haben im Pferdefutter einfach nichts verloren“, so Hannes Fink. Darüber hinaus sollte man sich erkundigen, wie das Getreide aufgeschlossen ist. Popcorn-Verarbeitung gilt vom hygienischen Standpunkt her als höchste Qualitätsstufe, während Quetschung die niedrigste Anforderung erfüllt.
Öle: Nur gut fürs Fell?
Bei der Prüfung von Futtermitteln sollte dem Anteil an Omega-3-Fettsäuren besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Nicht nur im Humanbereich sind diese Fette besonders wertvoll, sollen sie doch sogar die Gedächtnisleistung positiv beeinflussen. Eine Studie an Hunden hat kürzlich gezeigt, dass Omega-3-Fettsäuren auch entzündungshemmende Eigenschaften haben, die bei Arthrosepatienten zu einer deutlichen Milderung der Beschwerden führen. In einem anderen Experiment wurde 16 Pferden, die an Abnützungserscheinungen im Knie-, Fessel- oder Sprunggelenk litten, über 90 Tage ein Ölzusatz mit Omega-3-Fettsäuren gegeben. Es zeigte sich, dass die Entzündungswerte im Blut durch die Verabreichung der Öle deutlich abnahmen und die Pferde die betroffenen Gelenke tendenziell besser belasteten.
Wer seinem Pferd diese wertvollen Fettsäuren gönnen möchte, sollte jedenfalls gut auf das Label seines Futtermittels schauen: „Der Gehalt an Omega-3-Fettsäuren liegt in der Leinsaat bei 30 Prozent und mehr, in Leinkuchen bei vier bis acht Prozent und in Leinsamenextraktionsschrot bei maximal 3,5 Prozent“, erklärt Hannes Fink.
Doch auch mit dem Öl sollte man nicht übertreiben, wie Dr. Christina Fritz aus der Praxis zu berichten weiß: „In der Natur nimmt das Pferd sehr wenig Öl in Samen oder gelegentlich auch Nüssen auf. Wir assoziieren glänzendes Fell mit einem prächtigen, gesunden Pferd und gießen den Pferden gerne auch Öl über das Kraftfutter. Das ist aber nicht notwendig – und schon gar nicht günstig für die Verdauung.“ Das Öl wird vom Körper aufgenommen, der es wiederum über die Haut auszuscheiden versucht – ein speckiger Fellglanz entsteht. Bei Pferden im Spitzensport ist Öl jedoch als Energieträger anerkannt. Fertigmischungen für Leistungspferde enthalten daher meist einen höheren Anteil an Ölen.
Lange und gesund leben
Wer sich mit der richtigen Pferdefütterung auseinandersetzt, sollte bei aller Vielfalt des Marktes ein Ziel nicht aus den Augen verlieren, wie Dr. Peter Zechner zu bedenken gibt: „Die Grundüberlegung muss sein, dass das Pferd sein biologisches Lebensalter leistungsfähig und gesund erreichen soll. Das bedeutet, dass die eingesetzten Futtermittel bei guter Qualität vor allem dem Lebewesen Pferd entsprechen müssen. Einfacher ausgedrückt: Weniger konzentrierte Futtermittel bedeuten für unsere Pferde eigentlich mehr Leben.“ Schätzungen zufolge sind 90 Prozent unserer Pferde überfüttert und könnten gut ohne Kraftfutter zurechtkommen. Zivilisationskrankheiten wie Hufrehe, Koliken und EMS (Equine Metabolic Syndrome, ein Symptomenkomplex, der in erster Linie aus Verfettung resultiert) ließen sich vielfach vermeiden, wenn die eigenen Maßstäbe nicht in den Futtertrog des Pferdes übertragen werden würden.
Da ist noch einiges offen
Wie sehr beeinflusst das Futter die Zahngesundheit unserer Pferde? Wir haben den Zahnspezialisten an der Veterinärmedizinischen Universität in Wien, Dr. Hubert Simhofer, dazu befragt.
Dr. Simhofer, ist Würfelzucker schlecht für die Pferdezähne?
In kleinen Mengen, also zur Belohnung, ist gegen Würfelzucker nichts einzuwenden. Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass Würfelzucker die Zähne schädigt.
Gibt es so etwas wie Karies beim Pferd überhaupt?
Eine Studie aus Schweden hat nachgewiesen, dass es eine Verbindung zwischen Silage-Fütterung und dem Auftreten von peripherer Karies gibt. Dabei kommt es zu Schäden am Zahnzement und Entzündungen am umliegenden Zahnfleisch – das Pferd leidet in der Folge an Parodontitis. Zur Rolle von Melasse im Futter wird derzeit noch geforscht, da ist noch einiges offen.
Viele ältere Pferde leiden an Futtereinspießungen. Wie kommt es dazu und spielt das Futtermittel eine Rolle dabei?
Bei Futtereinspießungen bohren sich Futterbestandteile in Zahnzwischenräumen durch das Zahnfleisch und können massive Entzündungen verursachen. Das zugrundeliegende Problem kann angeboren oder erworben sein: Zahnfehlstellungen, die nicht korrigiert werden, oder mangelnde Zahnpflege im Laufe des Pferdelebens. Zumeist werden Heubestandteile eingespießt, das ist aber sicher kein Grund, weniger Heu zu verfüttern. Vielmehr sollten die Zähne regelmäßig kontrolliert werden.
Buchtipp: Pferdefütterung nach Maß
Viele Pferdehalter sind angesichts der Vielfalt der angebotenen Futtermittel verunsichert, was wirklich gut für ihr Pferd ist. Das Buch zeigt auf, wie wichtig eine bedarfsgerechte Zusammenstellung der Futterration ist und wie der Pferdehalter es schaffen kann, den möglichst optimalen Speiseplan für sein Pferd zusammenzustellen.
Pferdefütterung nach Maß
Kathrin Irrgang/Klaus Lübker
160 Seiten
Cadmos
ISBN: 978-3-86127-450-6
29,90 Euro
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