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Tief durchatmen können Pferde am besten an der frischen Luft - auch und ganz besonders im Winter. © Bernd Kröger - fotolia.com

Winterzeit, Hustenzeit

Ein Artikel von Pamela Sladky | 01.10.2014 - 10:34
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Tief durchatmen können Pferde am besten an der frischen Luft - auch und ganz besonders im Winter. © Bernd Kröger - fotolia.com

Es gibt Dinge, die gehören zusammen wie Pech und Schwefel. Winter und Husten gehören dazu. Während sich die meisten Pferde während der Sommermonate über großzügigen Koppel- oder Weidegang und reichlich Bewegung beim Reiten freuen, schaut es über die Wintermonate oft reichlich trist aus. Sobald die Temperaturen fallen, heißt es für viele Pferde: Koppel adé – und willkommen im gemütlichen Stall. Weil es der Mensch in der Regel gerne warm und kuschelig hat, werden häufig schon im Herbst Fenster und Türen verriegelt, wodurch ein oft drastischer Unterschied zu den Außentemperaturen entsteht. Ist der Stall dann auch noch schlecht gedämmt oder sind zu viele Tiere auf zu kleiner Fläche untergebracht, kommt es schnell zu einem deutlichen Anstieg der Luftfeuchtigkeit. Kondenswasserbildung ist die Folge. Bei derart feuchter Wärme haben Keime leichtes Spiel, vor allem, wenn auch die Hygiene im Stall zu wünschen übrig lässt.

Gift für die Pferdelunge: Staub und Schimmel

Werden Boxen schlecht oder unzureichend gemistet und sind Futter und Einstreu zudem durch Staub und Pilzsporen verunreinigt, entsteht zusammen mit der oft feuchten Stallluft einen höchst gefährlichen Giftcocktail für die empfindliche Pferdelunge, die für chemische Reizstoffe (z. B. das im Urin enthaltene Ammoniak) und Feinstaub besonders anfällig ist. Pilzsporen, Milbenkot, Pollen, Haut- und Haarpartikel, Spelzbrösel vom Getreide usw. gelangen aufgrund ihrer geringen Größe problemlos in die Lunge und können dort großen Schaden anrichten. Besonders Schimmelpilzsporen aus Heu, Stroh und Kraftfutter sind Hauptverursacher der gefürchteten Heustauballergie, die bei Pferden starke Atemwegsprobleme auslösen und oft ein Pferdeleben lang gravierende Beeinträchtigungen verursachen können.

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Durch husten werden Schleim und unerwünschte Substanzen aus der Pferdelunge befördert. © Sekdo67 - fotolia.com

Dabei verfügt der Pferdekörper eigentlich über sehr komplexe Abwehrmechanismen, die den Organismus von den Nüstern bis hin zu den Zellen vor ungebetenen Eindringlingen bewahren sollen. So wirken feinen Härchen in den Nasengängen wie Filter, die Fremdpartikel aus der eingeatmeten Luft sieben. Dieser Filterprozess findet entlang der gesamten Atemwege statt, die feinen Härchen werden in den Verästelungen der Bronchien durch haarähnliche Verlängerungen der Zellen, die Zilien, ersetzt. Diese Zilien bewegen sich wie Ähren im Wind und transportieren durch ihre wellenartige Bewegung Schleim und unerwünschte Substanzen aus der Lunge. Dieser Vorgang wird häufig von einem Hustenreiz begleitet. Auf diese Weise können eingeatmete Keime innerhalb weniger Minuten nach ihrer Inhalation wieder aus dem Körper befördert werden. Massive Ansammlungen von Schmutzpartikeln – wie sie in sehr stark staubbelasteten und schlecht gelüfteten Ställen vorkommen – behindern bzw. überfordern diesen Abwehrvorgang und begünstigen eine Infektion. Hohe Luftfeuchtigkeit in Verbindung mit Schadgasen wie Ammoniak hat zusätzlich eine schädigende Wirkung auf die körpereigenen Abwehrmechanismen.

Zivilisationsopfer Pferd

Während wildlebende Pferde in freier Natur auch bei winterlichen Bedingungen praktisch nie an Atemwegserkrankungen leiden, gehen verschiedene Studien davon aus, dass etwa 80 Prozent der Stallpferde klinisch auffällige oder latent vorhandene Schäden der Atemwege aufweisen. Pferdehusten ist also eine Zivilisationskrankheit, die der Mensch durch nicht artgerechte Haltung und Fütterung geradezu provoziert. Aus diesen Gründen muss der Stallhygiene bei erstklassiger Qualität von Futter und Einstreu und geregelter und ausreichender Frischluftzufuhr die größte Beachtung im Kampf gegen Atemwegserkrankungen geschenkt werden. Ein hohes Staubaufkommen kann durch die Verwendung von staubarmer Einstreu und der Verwendung von Boxenmatten effektiv entgegengewirkt werden. Zwar ist Getreidestroh wegen seiner günstigen Anschaffungskosten die beliebteste Einstreu, doch aufgrund seines eklatant hohen Gehalts an Bakterien und Pilzsporen besonders für bereits geschädigte Pferde ungeeignet. Deutlich besser sind dagegen Späne oder Flocken aus Weichholz, die im Idealfall vorher entstaubt wurden. Auch Strohpellets weisen eine deutlich verringerte Zahl an Bakterien und Schimmelpilzen auf und sind daher auch für Allergiker geeignet. Mit Enzym- und Bakterienmischungen vorbehandelte Einstreu reduziert die schädliche Bakterien- und Ammoniakbildung.

Staubarmes Futter

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Mit entstaubten Späne- oder Strohprodukten kann das Staubaufkommen im Pferdestall deutlich reduziert werden. © Ameco

Die Fütterung von qualitativ hochwertigem Heu, das staubarm und großteils frei von Pilzsporen ist, ist ein weiterer wichtiger Punkt. Wird das Heu zusätzlich vor der Verabreichung in reichlich Wasser eingeweicht, kann die Staubbelastung auf ein Drittel verringert werden. „Dabei reicht das bloße Berieseln mit der Gieskanne nicht aus. Das Heu muss in ausreichend Wasser vollständig getunkt werden, danach lässt man es abtropfen, und dann kann es den Pferden guten Gewissens verabreicht werden“, schildert Dr. Christina Schmidt von der Veterinärmedizinischen Universität in Wien den korrekten Vorgang zur Heubefeuchtung. Das ist mühsam und wird deshalb selten konsequent gemacht, weshalb Heuersatz in Form von Wiesencobs oder Produkten aus entstaubtem Heu immer mehr an Bedeutung gewinnen. Wird das Pferd ganzjährig auf der Koppel ohne Heufütterung gehalten, ist sogar eine bis zu sechzehnfache Staubreduktion möglich.

Das Verteilen von Einstreu und Raufutter darf grundsätzlich nur dann erfolgen, wenn sich die Pferde nicht im Stall befinden. Studien zufolge können hierbei Staubkonzentrationen von zehn bis 150 Mikrogramm pro Kubikmeter entstehen, von denen 20 bis 60 Prozent Partikelgrößen enthalten, die bis in die tiefen Atemwege gelangen. Zum Vergleich: zum Schutz der menschlichen Gesundheit dürfen die Feinstaubwerte am Arbeitsplatz 50 Mikrogramm pro Kubikmeter nicht überschreiten. Mit der Boxenbesiedelung sollte so lange gewartet werden, bis sich der Staub, der beim täglichen Ausmistvorgang unweigerlich entsteht, merklich gesetzt hat. Wer die Stallgasse vor dem Fegen nochmals befeuchtet (z. B. mit einer Gieskanne), kann erneutes Staubaufwirbeln minimieren.

Auch der beliebte Hafer, das wegen seiner guten Verdaulichkeit wohl am häufigsten verwendete Kraftfutter, kann aufgrund seiner häufig hohen Keimbelastung zusätzlich zu einer Verunreinigung der Luft und sich damit negativ auf die Atemwege auswirken. Toxisch wirkende Pilze und Milben befallen Hafer leichter als beispielsweise Gerste oder Mais. Deshalb sollte gerade bei Hafer sehr genau auf dessen einwandfreie Qualität geachtet werden und das Kraftfutter gegebenenfalls angefeuchtet werden.

Gase, Staub, Schimmelpilzsporen und Bakterien machen vor einer Boxentür nicht halt. Aus diesem Grund ist es wenig sinnvoll, bei einigen wenigen Pferden auf staub- und pilzarme Einstreu zu achten, während die Nachbarpferde auf Stroh stehen. Effektive Staubbekämpfung funktioniert deshalb nur, wenn sie im ganzen Stall durchgeführt wird.

Licht, frische Luft und ausreichend Bewegung

verfügen über eine hervorragende Thermoregulation, ganz besonders dann, wenn ihr Organismus durch viel Bewegung im Freien die Möglichkeit bekommt, sich den äußeren Bedingungen anzupassen. Täglicher ausgedehnter Koppelgang und regelmäßiges Training unter dem Sattel oder an der Hand gewährleistet damit nicht nur, dass die Atemwege geschont werden, sie stärken auch das Immunsystem und die Leistungsfähigkeit. Auch regelmäßiges Sonnenlicht hat starken Einfluss auf den gesamten Stoffwechsel des Pferdes, es beeinflusst seine Widerstandskraft, die Leistungsfähigkeit und die Fruchtbarkeit positiv. Deshalb sollten Pferde auch im Winter möglichst viel natürliches Licht aufnehmen können. Ställe sind dann mit ausreichend Licht versorgt, wenn die Fensterfläche mindestens ein Fünfzehntel bis ein Zwanzigstel der Stallfläche ausmacht. Durchschnittlich benötigt ein Pferd etwa 5.000 Kubikmeter Frischluft am Tag, das entspricht einer Frischluftmenge, die in eine Reithalle mit den Abmessungen 20 mal 40 mal 6 Meter passt. In einem Stall, in dem 20 Pferde untergebracht sind, besteht somit ein Frischluftbedarf von rund 20 Reithallen!

Für regelmäßige Bewegung an frischer Luft auch und gerade im Winter und einen Stall, in dem die Pferde nicht von klimatischen Reizen abgeschottet werden, spricht ein weiterer Aspekt: Bei überwiegend warm und bewegungsarm gehaltenen Pferden funktioniert häufig die Durchblutung nicht optimal. Ist sie gestört, ziehen sich die Zellen aufgrund der ungewohnten Kälte schockartig zusammen, wodurch die körpereigenen Killerzellen kaum noch vorankommen, um eingedrungenen Viren zu vernichten. Das Gleichgewicht der Zellbotenstoffe gerät aus dem Gleichgewicht – und Krankheitserreger finden perfekte Bedingungen für die ungestörte Vermehrung vor. Zudem wird durch ausreichende Klimareize und die damit einhergehende Abhärtung die Ausschüttung von sogenannten Entzündungsmediatoren gefördert, körpereigene Stoffe, die eine Entzündungsreaktion des Organismus einleiten oder aufrechterhalten und damit einen wichtigen Beitrag zur Gesundherhaltung leisten.

Unterkühlung vermeiden

Für die Stallhaltung bedeutet dies vor allem: Fenster auf und gegebenenfalls eine Decke drauf, falls das Pferd von sich aus zu wenig wärmendes Winterfell entwickelt oder es aufgrund seiner sportlichen Nutzung geschoren wurde. Dabei darf guter Luftaustausch nicht mit Zugluft verwechselt werden, die, im Gegensatz zur normalen Luftzirkulation, nur ein kleinflächiger Kältereiz ist. Unter diesen Bedingungen wird die Thermoregulation des Pferdes gestört, vor allem, wenn es verschwitzt ist oder die körpereigene Klimaanlage schlecht trainiert ist.

Wer jetzt denkt, er brauche lediglich sein Pferd bei jedem Wetter auf die Koppel zu stellen, um Husten vorzubeugen, irrt, denn damit allein ist es nicht getan. Pferde kommen in der Regel zwar gut mit Minusgraden und trockener Kälte zurecht, bekommen aber Probleme, wenn sie auf Dauer ungeschützt Kälte, Nässe und Wind ausgesetzt sind. Das gilt auch für Pferde, die Außen-Klimareize gewohnt sind. Steht bei derartigen Bedingungen beispielsweise kein schützender Koppelunterstand zur Verfügung oder ist das Pferd nicht durch eine wasserdichte Regendecke geschützt, kühlt das Pferd schnell am ganzen Körper aus. Hält dieser Zustand dann noch über mehrere Stunden an, wird das Immunsystem geschwächt und das Pferd für Infektionen besonders anfällig. Pferde reagieren in solchen Situationen mit Zittern. Zwar ist dieses Kälte-Muskelzittern zunächst kein Krankheitssymptom, sondern eine Reaktion des Körpers, um sich aufzuwärmen, trotzdem sollte es grundsätzlich verhindert werden. So ist es besonders bei Pferden des Südtyps (Vollblut- und Warmbluttypen) und alten oder geschwächten Pferden wichtig, für ausreichenden Schutz (entweder durch einen Unterstand oder durch eine wasserdichte Outdoordecke) zu sorgen.

Ein ähnliches Problem stellen auch schlecht konzipierten Offenställen dar, wenn den Pferden als Rückzugsort vor schlechtem Wetter nur eine zugige Weidehütte ohne oder mit nur minderwertiger Einstreu zur Verfügung steht. Offenstallhaltung mit der ständigen Möglichkeit, sich an frischer Luft frei zu bewegen, ist per se also nicht das Allheilmittel bei Atemwegserkrankungen. Auch hier muss – wie bei allen anderen Haltungsformen auch – darauf geachtet werden, dass alle pferdigen Bedürfnisse erfüllt werden. So muss sich ein Pferd auf qualitativ hochwertiger und reichlich vorhandener Einstreu ausruhen und jederzeit eine zugfreie und wettergeschützte Rückzugsmöglichkeit aufsuchen können, um gesund zu bleiben.

Husten effizient vorbeugen

Jahr für Jahr erkrankt in der kalten Jahreszeit eine Vielzahl von Pferden an Husten, häufig begleitet von erheblichen Leistungseinbußen und Nutzungseinschränkung. Durch gezielte Prophylaxe und frühzeitige Behandlung können ernsthafte Schädigungen deutlich verringert werden. Ein intaktes Immunsystem ist dabei die effektivste Waffe im Kampf gegen den Pferdehusten. Wer dafür sorgt, dass sein Pferd viel Auslauf an frischer Luft, hochwertiges und damit staubarmes Futter, ausreichend saubere Einstreu erhält und dabei hinreichend geimpft ist, hat gute Chancen, sein Pferd ohne lästige Hustenerkrankungen durch den Winter zu bringen.

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Dieser Artikel ist erstmals in der Ausgabe 11/2010 der Pferderevue erschienen. Pferderevue AbonnentInnen können ihn zusammen mit über 40.000 weiteren in unserem Online-Archiv kostenlos nachlesen. Einfach unter Service/Online-Archiv einloggen und in allen Heften aus 25 Jahren Pferderevue zum Nulltarif blättern!

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