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Wem sie sich anschließen, entscheiden Pferde meist ganz spontan. Die Theorie von der Leitstute, die hauptsächlich die Bewegung der Herde steuert, scheint neuesten Erkenntnissen nach eher in den Bereich der Mythen zu gehören. © hemlep - fotolia.com

Leitstuten bloß ein Mythos?

Ein Artikel von Pamela Sladky | 08.01.2014 - 09:37
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Wem sie sich anschließen, entscheiden Pferde meist ganz spontan. Die Theorie von der Leitstute, die hauptsächlich die Bewegung der Herde steuert, scheint neuesten Erkenntnissen nach eher in den Bereich der Mythen zu gehören. © hemlep - fotolia.com

Bei der Beobachtung ihrer eigenen Pferde kamen Prof. Konstanze Krüger, Professorin für Pferdehaltung an der Universität in Nürtingen, mehr und mehr Zweifel, ob es wirklich die ranghöchste Stute ist, die Bewegung und Aktivität der Herde maßgeblich steuert. Gemeinsam mit einem Forscherteam begab sie sich deshalb nach Italien, um das Herdenverhalten anhand der wildlebenden Esperia Ponys im Detail zu studieren.

Drei Gruppen mit insgesamt 55 Pferden dienten den Wissenschaftlern als Forschungsobjekt. In zwei Forschungsperioden, die durch ein Jahr getrennt waren, nahm das Team um Prof. Krüger die soziale Struktur, sowie die Bewegungsmuster genau unter die Lupe. Die Beobachtungen, die sie dabei machten, räumen mit einigen bisher als sicher geglaubten Annahmen auf.

Während allgemein verbreitet ist, dass die Leitstute den höchsten Rang innerhalb ihrer Herde genießt, bot sich den Forschern während ihrer Untersuchungen ein anderes Bild. In einer der Gruppen war es der Leithengst, der den höchsten Rang für sich beanspruchte. In den beiden anderen Herden standen die Hengste an zweiter bzw. fünfter Position. Lediglich der ranghöchste Hengst einer Gruppe legte ein treibendes Verhalten an den Tag, das sich richtungsbestimmend für die gesamte Herde auswirkte. Als besonders erstaunlich bewerteten die Forscher, dass Stuten völlig unterschiedlichen Ranges Herdenbewegung auslösen konnten, indem sie sich von der Gruppe entfernten. Allerdings wurde zu keiner Zeit beobachtet, dass sich jeweils alle Tiere der Herde diesem Ortswechsel anschlossen.

Obwohl hochrangigen Stuten in der Regel mehr gefolgt wurde als rangniedrigen, gab es mehrfach Fälle, in denen zahlreiche Herdenmitglieder einer rangniedrigen Stute nachgingen. Für Prof. Krüger stellen diese Beobachtungen das Leitstutenprinzip klar in Frage. Vielmehr legen die Ergebnisse ihrer Studie nahe, dass die Führungsrolle in Pferdeherden auf all jene Tiere aufteilt ist, die in der Lage sind, andere Herdenmitglieder in Bewegung zu versetzen. Eine Leitstute, die alleinig über die Bewegung der Herde entscheidet, scheint demnach eher ein Mythos zu sein.
 

Die Mär vom geliebten Alpha, dem alles folgt

Diese neuen Erkenntnisse lassen auch interessante Schlussfolgerungen auf die Beziehung zwischen Pferd und Mensch zu. Denn während landläufig gelehrt wird, der Mensch müsse lediglich die Position des Alphatieres mimen und sein Pferd würde ihm daraufhin immer und überallhin folgen, sprechen Prof. Krügers Beobachtung eine andere Sprache. Obwohl die Hierarchie der Pferdeherde als weitgehend stabil betrachtet werden kann, zeigen die Spontanentscheidungen darüber, wem gefolgt wird, dass der „Boss“ zu sein nicht notwendigerweise impliziert, dass sich das Pferd automatisch dem Ranghöchsten anschließt.

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