Fütterung

Viel Kauen macht Pferde satt

Ein Artikel von Romo Schmidt/PS | 07.10.2015 - 10:31
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Mit einem Slow Feeder - wie hier einem engmaschigen Heunetz - funktioniert dieRaufutteraufnahme nur hälmchenweise. Auf diese Weise wird die Anzahl der Kauschläge pro Kilogramm augenommener Nahrung deutlich erhöht. © pholidito - Fotolia.com

Während das Sättigungsgefühl des Menschen einfach ausgedrückt durch seinen Blutzuckergehalt bestimmt wird, wird die Sättigung des Pferdes rein mechanisch durch die Anzahl der Kauschläge bestimmt, die vom Zwischenhirn registriert werden. Im Durchschnitt macht ein heufressendes Großpferd rund 3.500 Kauschläge in der Stunde. „Nach 35.000 Kauschlägen ist das Pferd satt“, so die Agraringenieurin Prof. Dr. Mechthild Freitag von der deutschen Fachhochschule Südwestfalen.

Für den Verzehr von einem Kilo auf dem Boden ausgelegten Heu benötigt ein Großpferd etwa 40 Minuten und 2.300 Kauschläge. Nach Adam Riese ist damit sein Kaubedürfnis erst nach zehn Stunden Heufressen gedeckt. In dieser Zeit hat es gute 15 Kilo Heu zu sich genommen. Viel zu viel, wenn es nach der Meinung anerkannter Fütterungsexperten geht. Nach heutiger Auffassung sollten Pferde, die nur leichte bis mittlere Arbeit verrichten – und das ist die Mehrzahl aller Pferde – maximal 1,5 Kilo Heu pro 100 Kilo Lebendgewicht erhalten. Das wären bei einem durchschnittlich 600 Kilo schweren Warmblut höchstens neun Kilo Heu am Tag, also etwa nur zwei Drittel. Weniger Heu hält Pferde zwar schlank, befriedigt jedoch nicht das natürliche Kaubedürfnis der Tiere. Die Folge einer reduzierten Heufütterung sind frustrierte Pferde mit permanentem Hungergefühl – und erhöhten Risiken für Erkrankungen des Verdauungstraktes und die Entwicklung von Verhaltensauffälligkeiten. 

Entschleunigt fressen

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Kraftfutter muss weit weniger gekaut werden als Heu. Während das Pferd für einen Kilogramm von Letzterem etwa 40 Minuten und 3.500 Kauschläge benötigt, ist ein Kilogramm (ganzer) Hafer in rund zehn Minuten bei ca. 800 Kauschlägen verputzt. © Allyson Kitts - Fotolia.com

Eine gute Möglichkeit, das genetisch fixierte, stark ausgeprägte Fressbedürfnis der Pferde zu befriedigen, dabei gleichzeitig aber auch dafür zu sorgen, dass sie nicht völlig außer Form geraten, sind sogenannte Slow Feeder. Heunetz, Sparraufe und Fressregulatoren sorgen dafür, dass die zu kauende Menge Heu im Maul geringer wird, sich die Anzahl der Kauschläge im Verhältnis aber erhöht. Dies beruht auf dem Prinzip, dass jedes Pferd beim Heufressen eine eigene Kaufrequenz hat, und zwar ganz unabhängig davon, ob die aufgenommene Einzelportion groß oder klein ist.

Wird heu lose vom Boden aufgenommenem verschwinden pro Minute 25 Gramm im Pferdemaul. Mithilfe eines Slow Feeders, aus dem das Pferd mit mehr Mühe nur einzelne Halme zupfen kann, lässt sich dieser Wert auf 11 Gramm reduzieren. Kauen muss es dabei aber unentwegt, auch wenn sich weniger Heu im Maul befindet. In Folge erhöhen sich also auch die Kauschläge.

Ein zusätzlicher positiver Aspekt der gesteigerten Kauleistung: Durch die Erhöhung der Kauschläge wird vermehrt Speichel produziert. Auf diese Weise wird nicht nur eine erbesserte Vorverdauung erreicht, auch Geschmacksstoffe lösen sich besser, was einen erhöhten Genuss zu Folge hat. Zudem werden mögliche krankheitserregende Keime vermindert und ein optimales Milieu im Magen geschaffen. Und ganz nebenbei bekommen auch die in der domestizierten Haltung unterforderten Zähne mehr zu tun.

Fazit: Entschleunigung bei der Raufutteraufnahme reguliert nachweislich den gesamten Verdauungsprozess des Pferdes und sorgt für einen natürlichen Sättigungseffekt durch vermehrtes Kauen. Zudem werden durch Slow Feeder die Fresszeiten deutlich verlängert und die Pferde artgemäß beschäftigt – was sich nicht nur auf die Gesundheit von Magen und Darm, sondern insgesamt auf das psychische Wohlbefinden des Pferdes auswirkt.