1401107987593.jpg

Pferde sind soziale Wesen. Sie schließen Freundschaften, pflegen ihre Beziehungen - und hegen auch Aversionen. © Sven Kramer - fotolia.com

14 Erkenntnisse über die Rangordnung bei Pferden

Ein Artikel von Pamela Sladky | 12.10.2017 - 10:33
1401107987593.jpg

Pferde sind soziale Wesen. Sie schließen Freundschaften, pflegen ihre Beziehungen - und hegen auch Aversionen. © Sven Kramer - fotolia.com

Ober sticht Unter – oder doch nicht? Das Thema Rangordnung bei Pferden ist ein sehr vielschichtiges, das bereits in der Vergangenheit Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Arbeiten war und immer noch ist. Im Folgenden werden die wichtigsten Forschungserkenntnisse vorgestellt. Grundlage hierfür ist die Forschungsarbeit „Einfluss des Trainingszustandes auf die soziale Rangordnung bei Pferden“ von Katja Lehmann.

Stuten mit Fohlen sind nicht automatisch ranghöher als güste Stuten.

Diese Erkenntnis ist besonders für Züchter wichtig, da sie bei einer Gruppe von gleichzeitig fohlenlosen und fohlenführenden Stuten diesbezüglich keine Überlegungen anstellen müssen, was das Separieren oder ggf. eine Einteilung in zwei Gruppen betrifft.

Jungtiere bis zu einem Alter von bis zu drei Jahren sind rangniedriger als ausgewachsene Tiere und weniger aggressiv.

Das bedeutet, dass beispielsweise bei der Gruppenhaltung die Integration von Jungpferden in eine bestehende Gruppe hinsichtlich der Rangordnung meist einfacher und unproblematischer verläuft.

Körpergewicht und Körpergröße können die Rangposition eines Pferdes beeinflussen, werden aber durch andere Faktoren wie beispielsweise Vorerfahrung überdeckt.

Was diese These angeht, muss noch umfassender geforscht werden. Denn in den meisten Untersuchungen wurden bisher ausschließlich typhomogene Pferdegruppen erforscht, um wissenschaftlich brauchbare Ergebnisse zu erzielen, also beispielsweise Wildpferdegruppen gleicher Art (Dülmener, Mustangs). Aber gerade hier wären Ergebnisse typinhomogener Pferdegruppen hinsichtlich der Rangordnung sehr hilfreich, da die meisten der in Gruppenhaltung lebenden Tiere Freizeitpferde unterschiedlichster Rassen sind. Hätte man diesbezüglich mehr Erfahrungen, könnte beispielsweise die Gruppenzusammenstellung überlegter durchgeführt und problematische Konstellationen besser vermieden werden. Solche bestehen nach meiner persönlichen Einschätzung besonders zwischen Haflingern und Rassen aus Südklimazonen wie Quarter Horse oder Araber.

Zwischen Aggressionen und Dominanzrang besteht in der Regel eine signifikante Wechselbeziehung ...

14797466450777.jpg

Zur Klärung der Dominanzfrage reicht ranghohen Pferden oft schon ein zurechtweisender Blick. © www.slawik.com

... wobei das ranghöchste Tier zwar gegen die größte Anzahl von Pferden aggressive Aktionen zeigt, jedoch nicht zwangsläufig pro Interaktion am aggressivsten ist.
Das bedeutet, dass die immer mal wieder notwendige Klärung der höchsten Rangposition auch mit einem geringen Aggressionsmuster auskommt, was zu einer entspannteren Atmosphäre in einer Pferdegruppe führt.

Zwischen Gesundheitszustand und Dominanz scheint ein Zusammenhang zu bestehen.

In der Tat ist dies besonders bei der Gruppenhaltung ein wichtiger Aspekt. Eine Stute beispielsweise, die immer als eindeutig ranghöchstes Tier angesehen wurde, verlor durch den Verlust der Sehkraft am linken Auge zunehmend ihre Position und sank in ihrer Rangfolge stark ab. Es kann durchaus davon ausgegangen werden, dass durch hohes Alter oder Krankheit geschwächte Tiere in der Rangfolge absteigen, auch wenn hier genauere Untersuchungen noch ausstehen.

Gut trainierte Pferde können sich im Rang verbessern.

Über den Einfluss des Trainingszustandes eines Pferdes auf die soziale Hierarchie ist bisher wenig bekannt, er gilt aber als wahrscheinlich. Eine erste 2000 durchgeführte Untersuchung hinsichtlich des Trainingszustandes ergab tatsächlich die Tendenz, dass trainierte Pferde in der Rangfolge aufsteigen. Diese Änderung der Rangposition wird auch dann beibehalten, wenn die Pferde wieder in den untrainierten Zustand überführt werden und auf untrainierte Herdenmitglieder treffen (Katja Lehmann, „Einfluss des Trainingszustandes auf die soziale Rangordnung bei Pferden“).

Soziale Allianzen werden von Pferden eingegangen, vermutlich sind sie neben anderen Faktoren für das Vorkommen triangularer Dominanzverhältnisse verantwortlich.

14879399238823.jpg

Befreundete Pferde haben häufig einen ähnlichen Dominanzrang. © StudioLaMagica

Diese Erkenntnis bezieht sich vor allem auf die beiden Phänomene von Dreierbeziehungen: die so genannte lineare Rangordnung und die Dreiecksrangordnung, auch komplexe Rangordnung genannt. Eine lineare Rangordnung besteht, wenn Pferd 1 die Pferde 2 und 3 und Pferd 2 gleichzeitig Pferd 3 bestimmt. Eine Dreiecksrangordnung liegt vor, wenn Pferd 1 Pferd 2, Pferd 2 Pferd 3 und Pferd 3 Pferd 1 dominiert. Während in einer Untergruppierung oder in einer separaten Dreiergruppe mit linearer Rangordnung die Dominanz eindeutig geklärt ist, ist dies bei der Dreiecksrangordnung nicht so, da die Hierarchie dieser drei Pferde ähnlich stark ausgebildet ist.

Dreiecksbeziehungen scheinen bei größeren Herden häufiger zu entstehen oder eine klare Struktur in der Basis der Herde ist erst gar nicht zu ermitteln.

Dieses Ergebnis zweier Studien aus den 1970er und 1990er Jahren zeigt, dass Pferde bei der Klärung der Rangordnung in sehr großen Herden häufig überfordert scheinen oder dass sie aus Gründen der Übersicht überschaubare Dreiergruppen vorziehen.

Vererbter Rang

14948407807733.jpg

Am häufigsten zeigt sich Dominanzverhalten, wenn es um die Verteidigung von Ressourcen (Futter, Wasser, Schlafplatz) geht. © www.slawik.com

Heritabilitäten (= Einfluss von Genetik und Umwelt) sind bezüglich der Dominanzfaktoren noch nicht umfassend erforscht, bei Pferden jedoch denkbar, da Nachkommen dominanter Mütter häufig ebenfalls dominant sind. Allerdings gilt es als wahrscheinlicher, dass eher Erfahrung und Lernen hier eine Rolle spielen.

Soziale Vorerfahrung ist bei zahlreichen Tierarten ein entscheidendes Kriterium für die Bildung des Dominanzranges, bei Pferden wurde diese Einflussgröße aber noch nicht genau ermittelt.

Auch hier steht die Forschung noch am Anfang. Hätte man genauere Anhaltspunkte hinsichtlich sozialer Vorerfahrung, könnte die Integrationsfähigkeit eines Pferdes in die Hierarchie einer bestehenden Gruppe besser eingeschätzt werden.

Befreundete Pferde sind häufig ähnlich in Alter und Dominanzrang.

Weil solche Paare für eine entspannte Stimmung in Gruppenhaltungen sorgen, sollte man sie nicht willkürlich trennen. Befreundete Pferde unterscheiden sich häufig in nur wenigen Rangplätzen. Man kann sie daran erkennen, dass sie oft zusammen stehen, nebeneinander grasen oder soziale Fellpflege betreiben.

Marschordnung und Spielrang haben keinen Zusammenhang mit dem Dominanzrang.

13891710724736.jpg

Wem sie sich anschließen, entscheiden Pferde meist ganz spontan. Die Theorie von der Leitstute, die hauptsächlich die Bewegung der Herde steuert, gilt inzwischen als überholt. © hemlep - fotolia.com

Lange Zeit ging man davon aus, dass die ranghöchste Stute für die Führung einer Pferdeherde verantwortlich zeichnet und deren Bewegungen maßgeblich lenkt. Doch diese Theorie gerät immer mehr ins Wanken. In einer 2013 veröffentlichten Studie deutscher Wissenschaftler wurden erstmals Zweifel geäußert, ob es wirklich die sogenannte Leitstute ist, die Bewegung und Aktivität der Herde vorrangig steuert. Bei Beobachtung dreier Herden wildlebender Esperia Ponys stellten Forscher der Universität in Nürtingen fest, dass Stuten völlig unterschiedlichen Ranges Herdenbewegung auslösten, indem sie sich einfach von der Gruppe entfernten. Allerdings konnte zu keiner Zeit beobachtet werden, dass sich jeweils alle Tiere der Herde diesem Ortswechsel anschlossen. Obwohl hochrangigen Stuten in der Regel mehr gefolgt wurde als rangniedrigen, beobachtete das Team um Konstanze Krüger, Professorin für Pferdehaltung in Nürtingen, mehrfach Fälle, in denen zahlreiche Herdenmitglieder einer rangniedrigen Stute nachgingen.

Aktivität und Dominanzstatus werden unterschiedlich diskutiert, bei Pferden stehen genauere Untersuchungen noch aus.

Fest steht aber, dass sehr aktive Pferde nicht automatisch einen hohen Rang innerhalb einer Gruppe einnehmen. Zu vermuten ist, dass sie gelernt haben, sich durch erhöhte Laufbereitschaft und Wendigkeit ihrer „Widersacher“ entledigen zu können und dieses Verhalten aus sozialer Vorerfahrung durchführen.

Die Rangordnung sollte vor allem in der Gruppenhaltung insofern berücksichtigt werden, indem man sie etwa beim Füttern, Tränken und Führen nach Möglichkeit einhält.

Diese Einschätzung der Verhaltensforscherin Dr. Zeitler-Feicht kann zu einem harmonischeren Zusammensein innerhalb einer Gruppe beitragen. Werden nämlich Ranghöhere bei den verschiedensten Anlässen bevorzugt behandelt, kommt das dem Verhalten der Pferde untereinander zugute.

Romo Schmidt