Haltung

Was tun bei Wallachen mit Hengstmanieren?

Ein Artikel von Romo Schmidt | 05.03.2019 - 11:26
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Wallache mit Sexualtrieb können zum echten Ärgernis werden. © www.slawik.com

Wie groß der prozentuale Anteil hengstiger Wallache ist, kann niemand sagen. Fest steht aber, dass jeder Pferdehalter in seinem Umfeld mindestens einen kennt und die daraus resultierende Problematik – wenn auch nur am Rande – mitbekommen hat. Aber nur die Besitzer sexuell aktiver Kastraten wissen genau, welche Schwierigkeiten damit verbunden sind, sei es bei der Haltung in einer gemischten Offenstallgruppe oder mit einer Stute in der Nachbarbox, beim Anbinden in der Stallgasse, beim Führen oder Reiten in der Gruppe.

Richtig kritisch wird es dann, wenn sich ein sexuell aktiver Wallach in einer gemischten Herde befindet - insbesondere dann, wenn der entmannte Mann aufspringt, im schlimmsten Falll mit ausgeschachtetem und erigiertem Schlauch und tatsächlichem Eindringen in die Stute. ein solches Verhalten darf nicht toleriert werden. Deshalb gibt es in solchen Fällen auch nur eine Möglichkeit: der Wallach muss aus der Herde entfernt werden. Entweder in eine reine Wallachgruppe, in Einzelhaltung oder – falls verträglich – in eine Zweiergemeinschaft.

Welche gesundheitlichen Risiken für die betroffenen Stuten bestehen, wenn sie regelmäßig von hengstigen Wallachen gedeckt werden, erklärt die Tierärztin und Pferdefachbuchautorin Heike Bussang vom Hof Steinacker: „Hufeisenverletzungen, Rücken- und Bissverletzungen sowie Gebärmutterentzündungen. Ich hatte selbst einmal einen hengstigen Wallach, den ich zunächst auch mit Stuten auf die Weide stellte. Als das nicht ging, habe ich ihn mit anderen Wallachen auf die Koppel gestellt. Aber dann begann er, auch die anderen Wallache zu bespringen. Schließlich habe ich ihn mit einer älteren Stute zusammengestellt, und die hat er dann in Ruhe gelassen. Man muss halt mehrere Varianten durchlaufen, bis die richtige Konstellation gefunden ist“.

Warum ein Wallach trotz Kastration noch einen Sexualtrieb zeigt, kann zweierlei Ursachen haben. Entweder war die Kastration unvollständig und es werden weiterhin körpereigener Sexualhormone gebildet. Oder aber, das Hengstverhalten ist psychisch verankerte und damit Teil der normalen sozialen Interaktion.

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Deckende Wallache sind vor allem in dergemischten Gruppen- und Weidehaltung ein Problem. Lässt sich das unerwünschte Verhalten nicht abstellen, hilft nur eine räumliche Trennung, um Schaden zu vermeiden. © www.slawik.com

Inkomplette Kastration

Je nach Alter des kastrierten Hengstes verringert sich das Hengstverhalten in der Regel mehr oder weniger rasch: „Bei Kastrationen junger Hengste innerhalb von zwei bis vier Wochen, bei älteren Hengsten manchmal erst nach mehreren Monaten“, so Prof. Hartmut Gerhards, Pferdeabteilung der Chirurgischen Tierklinik der Ludwig-Maximilians- Universität München. Wenn der vermeintliche Wallach allerdings längere Zeit nach der Kastration noch Hengstmanieren zeigt, liegt in der Regel ein Operationsfehler vor.

Feststellen lässt sich eine unvollständige Kastration durch einen Hormontest. Am besten eignet sich hierfür der HCG-Stimulations-Test durchgeführt. Er wurde ursprünglich für die Diagnosestellung des Kryptorchismus bei Hengsten (= Binnenhodigkeit, innenliegende Hoden, „Klopphengst“) entwickelt, eignet sich aber auch für Wallache, da hier die Ausschüttung des Sexualhormons Testosteron auf stimulierende Hormone festgestellt wird.

Wird bei einem positiven Test bei einer Folgeuntersuchung hormonproduzierendes Gewebe festgestellt, ist der Tierarzt, der den Eingriff vorgenommen hat, gesetzlich verpflichtet, das Problem durch einen zweiten Eingriff zu beheben. Alle anfallenden Kosten wie Transport, Klinikaufenthalt, Operation sowie alle Nachbehandlungen müssen dabei vom ihm übernommen werden. Allerdings gibt es für diese Regelung auch Ausnahmen: „Wenn der Pferdebesitzer aus Geldgründen eine Kastration im Stehen wünscht, liegt die Verantwortung auch bei ihm. Denn jeder Tierarzt wird zuvor auf die Gefahren hinweisen, die bei dieser Operationsart entstehen können (schlechte Wundheilung, Sekundärinfektionen). Wenn bei einer OP auf dem OP-Tisch ein ganzer Hoden oder Nebenhoden im Bauch verbleibt, haftet jedoch der Tierarzt, denn er hat in diesem Fall einen Erfüllungsvertrag abgeschlossen“, konstatiert Tierärztin Heike Bussang.

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Haben Wallache ständig Zugang zu rossigen Stuten, können sie typische Hengstmanieren beibehalten oder entwickeln. © www.slawik.com

Hengst im Kopf

Nicht immer sind missglückte Kastrationen für ein hengstiges Verhalten verantwortlich. Das angeborene Sexualverhalten eines Hengstes kann auch bei einer korrekt durchgeführten Kastration durchaus weiter bestehen bleiben. Bisher wurde oft davon ausgegangen, dass besonders Wallache mit vorhergehenden Deckerfahrungen vor der Kastration dieses Hengstverhalten weiter ausüben. Die US-Forscherin Sue McDonnell fand jedoch keinen Unterschied in den Prozentsätzen von hengstsexuellem und aggressivem Verhalten prä- und postpubertär kastrierter Wallache.

Begünstigt wird der Erhalt des Sexualtriebes, wenn ein Kastrat regelmäßig oder gar permanent rossige Stuten vor der Nase hat. In solchen Fällen kann das Hengstverhalten durchaus reaktiviert, stimuliert und antrainiert werden. Mit negativen Folgen: Durch die ständige Stimulation in Kombination mit der fehlenden Triebbefriedigung kann aus einem lüsternen Wallach schnell ein gefährlicher werden!
 

Mittel gegen Hengstverhalten

Bei einem positiven Ergebnis des Hormontests stellt sich die Frage, welche Hormonbehandlung es zur Unterdrückung des Sexualtriebs von hengstigen Wallachen gibt, und ob eine solche dopingrelevant sein kann. Eine Möglichkeit ist Regumate® Equine, ein oral wirksames Progestagen (= synthetisches Hormon) das das Wachstum und die Reifung der Follikel bei Stuten fördert. Beim Wallach führt es zu einer deutlichen Reduzierung des Sexualtriebs. „Bei hohem Testosteronspiegel kann Regumate durchaus verabreicht werden. Es hemmt nachweislich das männliche Verhaltensmuster, sollte aber nicht dauerhaft angewendet werden", weiß Tierärztin Bussang.

Die Dosierung und Kosten von Regumate belaufen sich für ein Pferd mit 600 kg etwa auf 1,60 Euro pro Tag (1000 Milliliter kosten um 160,– Euro. Dosierung für einen Wallach: um 10 ml/Tag).

Wer die Kraft der Natur der Chemiekeuele vorzieht, kann es mit Mönchspfeffer versuchen. Eine Studie aus dem Jahr 1993 ergab, dass Mönchspfeffer den hormonellen Stoffwechsel beeinflusst. Auf die Frage, ob man Mönchspfeffer sehr genau dosieren muss und ob eine Unterdosierung den Sexualtrieb hengstiger Wallache sogar noch steigern kann, sagt Heike Bussang: „Es gibt sehr viele verschiedene Mönchspfeffer-Präparate mit unterschiedlichen Konzentrationen. Ich wende hin und wieder das Präparat von Heel in einer täglichen Dosierung von 2 x 30 Tropfen an. Die Erfolge sind sehr unterschiedlich, im Mittel nach meiner Erfahrung jedoch unbefriedigend."

Hilft weder Nachoperieren (falls die Ursache in einer unvollständigen Kastration ausgemacht werden kann) bzw. ist eine hormonelle Behandlung mit Regumate nicht möglich (Doping!), hilft nur eine eine geeignete Unterbringung des Wallachs. Die bedeutet im konkreten Fall, den direkten Kontakt zu Stuten weitgehend zu meiden. Zuschauen und Gewährenlassen ist definitiv keine Option und kann schnell auch ein kostspieliges Nachspiel haben. Im Falle eines ungewollten Deckaktes mit anschließenden Schäden kann nämlich die Tierhalterhaftung greifen, weil sich die von dem hengstigen Wallach ausgehende „Tiergefahr“ realisiert hat. Stellt jemand also einen „deckenden Wallach“ in eine Weidegruppe mit Stuten, muss er bei einer Verletzung der Stute sämtliche anfallenden Kosten wie Tierarztbesuche oder Klinikaufenthalt tragen. Und das kann teuer werden.