Leckerli & Co

Wieviel Futterlob ist gesund fürs Pferd?

Ein Artikel von Stephanie Schiller | 02.06.2020 - 18:26
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Es gibt unzählige Leckerlis im Angebot. Zu welchen raten Sie PferdebesitzerInnen zu greifen?

Es ist total egal, wofür man sich entscheidet. Denn Leckerlis sind dazu da, dass man pro Tag nur eine kleine Menge davon füttert. Alle Leckerlis entsprechen der aktuellen EU-Gesetzgebung im Futtermittelrecht. Es ist genau reguliert, was sie beinhalten dürfen und was nicht. Kein Hersteller wird etwas hineingeben, was dem Pferd per se schadet. Wenn man von einem 500 kg schweren Tier ausgeht, dem man ein bis zwei Leckerlis am Tag gibt, können sie auch rosa sein und glitzern.

Es gibt also keine Inhaltsstoffe, die bedenklich sind? Viele Hersteller werben ja mit ihren Ingredienzien …

Das ist reines Marketing. Es gibt natürlich ganz viele unterschiedliche Strömungen, auch Exotisches wie Mango oder Kiwi. Aber ganz ehrlich: Der Anteil an Mango und Kiwi ist extrem gering. Solange das Pferd auf bestimmte Stoffe nicht allergisch reagiert, ist das alles irrelevant. Was man schon findet, sind Aromastoffe, damit es gut riecht, wenn wir den Beutel öffnen. Diese müssen größtenteils nicht deklariert werden. Das ist eine Grauzone im europäischen Futtermittelrecht. Pferde nehmen den Geruch aber ganz anders wahr, als wir das tun. Ein Pferd hat natürlich auch einen anderen Geschmacksinn und andere Geschmacksvorlieben als wir. Ich glaube, dass es eher der Gesamtgeschmack ist, den das Pferd anziehend findet.

Schwierig wird es natürlich, wenn man als Pferdebesitzer keine Kontrolle über Hand und Hosentasche hat: Wenn man dem Pferd 250 bis 400 Gramm Leckerlis am Tag füttert, ist das zu viel. In dieser Menge kann jedes völlig harmlose Leckerli ein Problem werden.

Wie viele Leckerlis kann man denn an ein gesundes Pferd pro Tag verfüttern, ohne dass es ihm schadet?

Das kommt auf die Gesamtration an. Wenn das Pferd ohnehin schon überfüttert und mit Energie überversorgt ist, dann ist jedes weitere Leckerchen eines zu viel. Darüber muss man sich im Klaren sein. Wenn das nicht der Fall ist, dann kann man sicher zwei bis vier Leckerlis problemlos füttern. Wenn wir von einem 500­kg schweren Pferd ausgehen, vermute ich rein rechnerisch, dass wir unter 200 Gramm keinen wirklich messbaren Effekt haben.

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Wenn man auf gekaufte Leckerlis verzichten will, was empfehlen Sie als gesunde und praktische Alternative?

Am besten klein geschnittene Karotten. Es wird zwar oft gesagt, die Karotte bestehe aus viel Zucker. Das behaupten aber nur diejenigen, die nicht rechnen können. Eine Karotte besteht aus 90 Prozent Wasser, der Rest ist Zellstoff – und dann irgendwann kommt der Zucker. Das heißt, wir haben in einer frischen Karotte sehr wenig Zucker. Karottenchips sind etwas völlig anderes. Da ist der Zuckergehalt vergleichsweise hoch, weil es ein dehydriertes Produkt ist – und das, was übrig bleibt, ist eben der Zucker.

Im Geschmackstest gibt es sicherlich einige Leckerlis, die bei uns Menschen durchfallen, Pferde sidn aber verrückt danach. Inwiefern unterscheidet sich der Geschmacksinn der Pferde von unserem?

Ich glaube, es gibt gar keine Forschung dazu, was Pferde genau schmecken. Wir gehen davon aus, dass sie im Bereich bitter und scharf ein deutlich schlechteres Geschmacksempfinden haben als wir. Bitteres nehmen Pferde auf jeden Fall anders wahr, aber wie sich das tatsächlich äußert, kann man, glaube ich, gar nicht beurteilen. Was wir wissen, ist, dass Pferde kaum Rezeptoren für „scharf“ haben, weshalb sie auch auf Scharfstoffe wie Ingwer oder Cayennepfeffer anders reagieren – was aber nicht heißt, dass diese Stoffe keinen Effekt auf ihre Schleimhäute haben. Das ist ein wenig tückisch. Würde man ein Leckerli mit Chili-con-Carne-Geschmack produzieren, würde es dem Pferd vermutlich immer noch schmecken.

Zur Person

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Constanze Röhm ist Pferdewissenschaftlerin aus Leidenschaft. Sie führt die größte unabhängige wissenschaftliche Beratung für Pferdeernährungs- und Gesundheitsfragen in Deutschland. Als Referentin und Dozentin hält sie Vorträge und Seminare für Pferdebesitzer, Stallbetreiber, Therapeuten und Tierärzte. Als Expertin berät und schreibt sie für namenhafte Fachzeitschriften zu Fragen der Ernährungs- und Trainingslehre. Sie gilt als Spezialistin für Gastrointestinalerkrankungen und widmet sich intensiv der Erforschung der Darmflora des Pferdes.

www.futterberatung-roehm.de