Coronapandemie, Kostenexplosion, Personalmangel

Pferdeeinstellbetriebe in der Krise

Ein Artikel von Margarete Donner | 23.11.2022 - 15:37
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Gestiegene Kosten für Energie, Futter und Einstreu werfen ein neues Licht auf alte Gewohnheiten und zwingen Stallbetreiber:innen, kreative Lösungen zu finden. © Daniela Weiß

Einige denken laut über ein mögliches Ende nach, andere haben ihre Stalltore bereits für immer geschlossen. So gaben im Herbst innerhalb kurzer Zeit drei renommierte Ställe in Niederösterreich bekannt, nicht mehr als Einstellbetriebe zur Verfügung zu stehen: der Reitstall Rohrendorf, Gut Reuhof in Pillichsdorf und Gut Marienhof in Spillern. „Mein Hauptargument ist, dass ich die Gebühren drastisch erhöhen müsste. Wir haben uns aber in einem oberen Preissegment bewegt, das ich nicht überspannen wollte,“ erklärt Mag. Andreas Ruschitzka die Schließung des Marienhofs.

Gewinnbringend sei der Betrieb in den letzten zwanzig Jahren nie gewesen, vielmehr ein Herzensprojekt, das er mit viel persönlichem Einsatz betreut und finanziert hätte. Seit Beginn der Pandemie war das Bemühen um gutes Personal für den bekannten Gespannfahrer Ruschitzka zu einer Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen geworden. Und auch der Heuhaufen selbst bereitete ihm zunehmend Kopfzerbrechen, denn Heu von gleichbleibend guter Qualität zu bekommen, gestaltete sich in Zeiten von Hitzewellen und Dürre immer schwieriger.

Brigitte Biber vom Gut Reuhof musste aus ähnlichen Gründen einen Schlussstrich ziehen: „Die Einstellgebühren sind nicht im gleichen Maße wie der Preis für Hafer gestiegen. Irgendwann ist Schluss damit, dass du alles aus Leidenschaft machst.“ Wenn sich kein Familienmitglied mit Leib und Seele – aber ohne entsprechende Bezahlung – rund um die Uhr engagiere, sei so ein Unternehmen nicht wirtschaftlich zu führen.
 

Heu und Stroh

Neben der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt sind es vor allem die exponentiellen Kostensteigerungen, die den Stallbetreibern regelmäßig den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Die Teuerungen schlagen sich in allen Bereichen der Pferdehaltung mit bis zu 200 Prozent nieder, doch fast immer werden Heu und Stroh an erster Stelle als Kostentreiber genannt. Nicht umsonst – schließlich konsumiert ein durchschnittlicher Warmblüter um die zehn Kilogramm Heu pro Tag. Da kommt man mit 35 Pferden im Stall unter zehn Tonnen monatlich kaum durch. „Sie fressen uns die Haare vom Kopf. Ich bin immer froh, wenn es sich mit Null ausgeht“, fasst Brigitte Frank von der Hengstaufzucht Bergerhof in Niederösterreich die prekäre Situation der Einstellbetriebe zusammen.

Allerdings zeigt sich bei der Beschaffung von Raufutter ein deutliches West- Ost-Gefälle: Während sich in den westlichen Bundesländern noch zahlreiche landwirtschaftliche Betriebe mit eigenen Futterwiesen finden, müssen die gewerblichen Betriebe in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland meist das gesamte Heu zukaufen. Dementsprechend unterschiedlich fallen die Rückmeldungen aus: In Tirol lobt man die gute Heuernte des heurigen Jahres, in Oberösterreich werden Heupreise von 140 Euro pro Tonne kolportiert, wohingegen die Wiener Einstell- und Schulbetriebe über Beträge von bis zu 400 Euro pro Tonne Heu klagen. Durch den Klimawandel bedingte Dürreperioden verringern hier nicht nur das Angebot an Raufutter am Markt, sie verursachen auch Unregelmäßigkeiten in der Qualität. Die gestiegenen Strohpreise hängen wiederum damit zusammen, dass sich viele Bauern den Zukauf von Dünger nicht mehr leisten können und daher das eigene Stroh lieber als Düngemittel auf dem Feld liegen lassen.

Ein wirkliches Entkommen aus dieser Preisspirale gibt es zwar nicht, sehr wohl aber Versuche, die Mehrbelastung abzufedern. So sind – vor allem in Westösterreich – Stallbesitzer:innen dazu übergegangen, mit Sägespänen einzustreuen. Diese werden teilweise höchstpersönlich aus dem Sägewerk geholt und dann mit Bedacht in den Boxen verteilt. Ein akribisch genaues Stallmanagement mit hohem Aufwand beim Ausmisten sorgt für saubere Boxen und reduziert den Verbrauch.

Betriebe mit ausreichend Lagerfläche verfolgen oft die Strategie, unabhängig vom aktuellen Bedarf bei günstigen Angeboten sofort zuzuschlagen. Denn wurde ein gesamter Jahresbedarf an Raufutter auf Vorrat in den eigenen Hallen eingelagert, ist man den Schwankungen am Markt weniger ausgeliefert. Auch hier sind die Landwirtschaften in Tirol, Kärnten, Salzburg oder Oberösterreich klar im Vorteil gegenüber den Flachländern. Für diese eignen sich bei den aktuellen Spritpreisen nicht einmal Heulieferungen aus der angrenzenden Slowakei als rettender Strohhalm.
 

Sprit und Strom

Die Kostenexplosion im Energiesektor schlägt sich für Stallbetreiber gleich mehrfach zu Buche: Einerseits muss bei jedem externen Zulieferer mit Aufschlägen für den Treibstoff gerechnet werden, andererseits will auch der hofeigene Fuhrpark regelmäßig betankt werden. Die Einsteller erwarten sich ein geheiztes Stüberl und eine gut beleuchtete Halle, nebenbei lassen noch Koppelzäune, Heudämpfer, Schrittmaschine usw. den Stromzähler laufen. Wer – wie Josef Lechner vom Westernreitstall Kohlerhof in Tirol – rechtzeitig auf alternative Energiequellen gesetzt hat, war in jedem Fall gut beraten: Er erhielt für seine Photovoltaikanlage nicht nur Förderungen, sondern erzielt zusätzlich durch die hauseigene Stromproduktion erhebliche Rückgewinne. Außerdem konnte er mit der Umstellung auf LED-Leuchten den Energieverbrauch in der Reithalle von 6,5 Kilowattstunden auf 2 Kilowattstunden senken.

Unter e-landwirtschaft.at/beleuchtung/ findet man Details zur Umrüstung auf die kostensparende LED-Technologie. Es lohnt sich, diese in professionelle Hände zu legen, andernfalls, so warnt Birgit Karner-Passler von bi-LED, könnte die Versicherung aussteigen: „Speziell Leuchtstoffröhren lassen sich nicht so einfach durch LED ersetzen. Bei einem Brand durch Kurzschluss oder Überhitzung droht der Verlust des Versicherungsschutzes.“ Dass darüber hinaus auch die Einsteller zum Stromsparen angehalten sind, steht für die Stallbesitzer:innen außer Frage. Schilder wie „Bitte das Licht in der Halle abdrehen“ oder „Der Letzte macht das Stalllicht aus“ erfüllen – obwohl gut sichtbar angebracht – nicht immer ihren Zweck.

In der Not muss vermehrt zu drastischen Maßnahmen gegriffen werden: So schließt ein Einstellbetrieb in Niederösterreich bereits ab 20 Uhr die Halle, sonntags darf überhaupt nur bei Tageslicht geritten werden. Die laufenden Kosten ließen ihr keine andere Wahl, so die Chefin.

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