Ein Trend in der Pferdefütterung ist die Raufutteraufwertung mittels beispielsweise Luzernehäcksel und Grascobs. Der Markt bietet mittlerweile eine große Auswahl von Produkten, die zur Ergänzung, Aufwertung, als Teilersatz oder gar Vollersatz von Raufutter angeboten werden.
Ursprünglich wurden Raufutter-Ersatzprodukte für Pferde mit Zahnproblemen, Heustauballergien oder solche, die sich in der Rekonvaleszenz befinden, entwickelt. Und nicht nur durch schlechte oder mäßige Heuernten, sondern auch durch besondere Anforderungen im Leistungssport und in der Pferdezucht wurde das Sortiment dieser Futtermittel inzwischen erheblich erweitert, weil sie gegenüber getreidehaltigen Ergänzungsfuttermitteln mehrere Vorteile haben.
Je nach Ausgangsmaterial, Schnittzeitpunkt, Erntetechnik, Zubereitung und verschiedenen Beimischungen variieren bei den Raufutter-Ersatzprodukten die Gehalte von Energie, Protein und Rohfaser, sodass es für jeden Anspruch das passende Produkt gibt. Allerdings hat dieser Service auch seinen Preis. Im Vergleich zu Heu vom Landwirt um die Ecke kosten Raufutter-Alternativen ein Vielfaches.
Ausgangsmaterialien
Raufutter-Ersatzprodukte gibt es als
- Wiesencobs (Gräser- und Kräutermischungen in unterschiedlich großen Cobs von 9 bis 18 mm)
- Wiesenflakes (wie Cobs, jedoch in Flockenform)
- Häcksel aus Wiesenschnitten
- Getreide- und melassefreie Müslis mit hohen Anteilen warmluftgetrockneter Gräser
- Luzernecobs
- eiweißarme Gräsermischung mit besonders proteinarmen Gräsern in Cobform oder Brikett oder das genaue Gegenteil, nämlich
- besonders proteinreiche Gräsermischungen in Cobfrom.
Zur Herstellung des Trockengrüns werden Gras oder Luzerne oft warm- oder heißluftgetrocknet. Das hat Vor- und Nachteile. „Durch den hohen Trockenmassegehalt haben schädliche Mikroorganismen kaum eine Chance, sodass sich weniger Staub entwickelt“, erklärt Prof. Dr. Annette Zeyner vom Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften der Uni Halle- Wittenberg. Während das Grüngut bei der Warmlufttrocknung bis maximal 40° Celsius Halmlänge und Struktur behält, werde heißluftgetrocknetes Material stark zerkleinert oder später sogar zu Grünmehl gemahlen und verliere seine Strukturwirksamkeit. „Weiterhin besteht bei unsachgemäß zu heißer Trocknung die Gefahr, dass das in der Pflanze enthaltene Protein geschädigt wird und bestimmte Aminosäuren vom Pferd nicht mehr absorbiert werden können“, so die deutsche Futterexpertin.
Bei der energieaufwendigen Heißlufttrocknung von Luzerne bleiben hingegen die empfindlichen und sehr gehaltvollen Blättchen des frisch geernteten Materials weitgehend erhalten, die bei der herkömmlichen Heuwerbung übrigens zumeist abbröckeln. Aber auch bei der Unterdachtrocknung gebe es unterschiedliche Ergebnisse: Hier ist der Beta-Karotingehalt als Vitamin-A-Vorstufe sehr viel höher, dafür aber der Vitamin-D-Gehalt geringer als bei sonnengetrocknetem Heu. Vitamin D ist für eine stabile Knochenstruktur, aber auch für Stoffwechselvorgänge im Körper wie den Muskelstoffwechsel und das Immunsystem wichtig. Im Angebot der Raufutter-Ersatzprodukte finden sich sowohl Mischungen aus beiden Trocknungsverfahren als auch rein sonnengetrocknetes Heu von besonders ausgewählten Standorten, das laut Hersteller regenfrei geerntet und zusätzlich entstaubt wird.
Wiesencobs aus artenreichen und ständig kontrollierten Wiesen mit bis zu 60 verschiedenen Weidepflanzen stammen meist aus dem Alpenvorland, wie beispielsweise die PRE ALPIN® Wiesencobs® von AGROBS. Die Cobs werden als alleiniger Kraftfutterersatz oder ergänzend zur Getreideration empfohlen, da sie einen hohen Energiegehalt, aber wenig Stärke beinhalten. „Allerdings erhöht sich bei zunehmender Artenvielfalt auch das Risiko von Giftpflanzen, die in Häckseln oder Cobs praktisch nicht mehr erkennbar sind“, mahnt Prof. Zeyner. „Da muss man sich auf die Angaben der Hersteller verlassen.“ Nur Garantieerklärungen auf der Grundlage regelmäßiger Kontrollen der Ernteflächen gewährleisten, dass die verarbeiteten Produkte frei von Giftpflanzen sind.
Viele Wiesenschnitte werden nach dem Trocknen gehäckselt oder zu Presslingen in verschiedenen Größen verarbeitet. Damit die Häcksel ausreichend gekaut werden, sollten sie mindestens vier bis fünf Zentimeter lang sein, gibt Prof. Zeyner zu bedenken. Denn kürzere Häcksel provozierten durch ungenügendes Kauen und Einspeicheln Verstopfungskoliken. Grundsätzlich könne Häckselgut langfaseriges Heu aber nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. „Ideal sind Häcksel, wenn man sie zu etwa zehn Prozent unter das Kraftfutter mischt. Das veranlasst das Pferd, gründlicher zu kauen und langsamer zu fressen“.
Für Pferde mit Zahnschäden seien Häcksel allerdings überhaupt nicht geeignet. Für diese Zielgruppe gibt es Wiesen- oder Heucobs, wobei letztere aus länger vorgetrocknetem Gras hergestellt werden. „Cobs sind besonders für ältere Pferde mit Zahnproblemen eine gute Alternative zum Heu. Die Cobs müssen aber vor dem Verfüttern unbedingt in Wasser eingeweicht werden, sonst riskiert man eine Schlundverstopfung“, warnt die Fachfrau für Pferdefütterung.
Alternativ bietet der Markt auch sogenannte Soft-Cobs und Flakes, die aufgrund einer lockereren Pressung schneller aufquellen. Generell seien Cobs aber kein vollwertiger Ersatz für strukturreiches Heu, weil sie das Kaubedürfnis nicht in dem erforderlichen Maß befriedigen können, sie könnten Heu allenfalls zu einem kleinen Teil ersetzen. Denn während sich das Sättigungsgefühl beim Menschen am Blutzuckerspiegel orientiert, wird die Sättigung des Pferdes rein mechanisch durch die Anzahl der Kauschläge bestimmt, die vom Zwischenhirn registriert werden.
Mehrere Studien haben gezeigt, dass Pferde ein Kilo Cobs in etwa 20 Minuten verputzen, wogegen sie für die gleiche Menge Heu durchschnittlich 40 Minuten brauchen. Durch den Einsatz engmaschiger Heunetze oder von Sparraufen können die Fresszeiten beim Heu und somit die Anzahl der Kauschläge im Idealfall nochmals verdoppelt werden. Einige Hersteller haben auch langfaserige Mähweidenschnitte in ihrem Sortiment, die in handliche Kleinballen gepresst werden und durch entsprechende Verpackungen problemlos zu transportieren sind. Diese Produkte sind entweder stückweise erhältlich oder werden auf Paletten zu je 20 bis 40 Ballen geliefert.
Reizende Luzernehäcksel?
Die Leguminose Luzerne ist reich an hochwertigen, leicht verdaulichen Proteinen sowie Kalzium und Magnesium. „Bisher ging man davon aus, dass Luzerne durch eine höhere Pufferwirkung im Magen Übersäuerungen und Magenreizungen vorbeugt. Nach dem Verfüttern von Luzernehäckseln wurden jedoch sowohl bei Fohlen als auch bei ausgewachsenen Pferden Schleimhautschäden am Magenausgang gefunden, die möglicherweise aufgrund einer mechanischen Reizung entstanden sind. Dies war aber nur nach Gabe der Luzerne als Häcksel der Fall. Weitere Untersuchungen müssen zeigen, ob sich dieses Ergebnis bestätigt und ob es sich auch auf Häcksel anderer Herkunft übertragen lässt. Zudem ist der tatsächliche Krankheitswert unklar, da die betroffenen Pferde nicht durch klinische Symptome auffällig geworden waren“, fasst Prof. Zeyner den derzeitigen Kenntnisstand zusammen.
Als gehaltvolle Eiweiß- und Energielieferanten können Luzerneprodukte zur Aufwertung des Grund- oder Krippenfutters eingesetzt werden, als Nahrungsergänzung bieten sie sich vor allem für Zucht- und Sportpferde an. Aber auch Pferdesenioren mit einem Mehrbedarf an hochverdaulichen Futterkomponenten können von eingeweichten Luzernecobs oder Luzernegrünmehl als Mischfutterbestandteil profitieren. Um den hohen Proteingehalt zu reduzieren, mischen einige Hersteller Stroh, eiweißärmere Gräserarten wie Lieschgras oder Grünhafer unter die Luzernehäcksel.
Ebenso können Pferde mit großer körperlicher Belastung sowie Zuchtstuten im letzten Trächtigkeitsdrittel und während der Laktation vom hohen Energiegehalt von Maiscobs (z. B. von AGROBS) profitieren. Diese bestehen aus der getrockneten und gepressten kompletten Maispflanze mit Kolben, Blättern und Stängel. Der Vorteil gegenüber den reinen Maiskörnern besteht im höheren Rohfaseranteil bei gleichzeitig hoher Energiedichte und niedrigem Eiweißgehalt.
Häckselprodukte
Häckselprodukte aus niederenergetischen Gräsern und Kräutern, Stroh und stärkearmem Grünhafer kommen auch für Mischungen mit einem extra geringen Energie-, Zucker- und Stärkegehalt zum Einsatz, die sich besonders für leichtfuttrige und übergewichtige Pferde als Grundfutteraufwertung oder Kraftfutterersatz zur Vermeidung von Futterneid eignen, wenn andere Stallgenossen ihr Krippenfutter erhalten. Als Grünhafer bezeichnet man die ganze, unreif geerntete Haferpflanze nach der Blüte und vor der Stärkeeinlagerung ins Korn. Grünhafer wird in reiner gehäckselter und warmluftgetrockneter Form als Kraftfutterersatz bei stärkeempfindlichen Pferden eingesetzt, auch gibt es ihn in Form von Pellets (z. B. www.vomgut.at), die man vor der Verfütterung einweichen sollte. Einige Anbieter mischen Grünhafer unter ihre Häckselprodukte, etwa im Verhältnis 4 : 1 aus Luzerne und Grünhafer. Dadurch wird das ungünstige Calcium-Phosphor-Verhältnis der Luzerne verbessert.
Häckselware mit Öl- oder Melassezusätzen zur Staubbindung „darf aber zu dicken Pferden, im Falle von Melasse auch solchen mit einer Insulinresistenz wie Equines Metabolisches Syndrom keinesfalls verfüttert werden“, sagt Prof. Zeyner. „Ansonsten sind Öle in der Pferdefütterung durchaus gut bekömmlich und liefern je nach Art des Öls wertvolle essenzielle Fettsäuren. Melasse dagegen liefert schädlichen Mikroorganismen Nahrung und ist zudem der Magengesundheit nicht zuträglich.“
Häckselprodukte auf der Basis von Wiesen-Fasern mit rund 15 % Gersten- und Weizenstroh erhöhen den Rohfaseranteil. Sie eignen sich besonders zur Erhöhung des Rohfasergehalts bei getreidereichen Rationen für Pferde im Leistungssport. Allerdings ist beim Kauf darauf zu achten, dass sie mit einem vitaminisierten Mineralfutter ergänzt sind. Häckselprodukte sind vornehmlich als Zugabe zum Kraftfutter vorgesehen, um die Kauzeit zu verlängern. Längere Fresszeiten erhöhen das Einspeicheln, und das Futter wird feiner zerkaut, was sich positiv auf den Magen auswirkt und eine bessere Futterverwertung ermöglicht.
Getreide- und melassefreie Müslis
Auch getreide- und melassefreie Müslis sind heute echte Alternativen zu Kraftfuttermitteln aus Getreide. Diese Müslis haben niedrigere Zucker- und Stärkegehalte, hohe Anteile warmluftgetrockneter Gräser forcieren überdies die Kautätigkeit und damit die Vorverdauung im Maul. Der Energiegehalt wird bei einigen Produkten durch den Zusatz von Öl erhöht. Diese Müslis eignen sich besonders für Pferde mit Stärkeunverträglichkeiten (Equines Metabolisches Syndrom – EMS, Cushing, Hufrehe, PSSM) und Verdauungsproblemen (Kolik, Kotwasser).
Auf einen Blick: Pro & Contra Raufutterersatz
Vorteile
- Dank der Warmlufttrocknung enthält das Trockengrün weniger Staub und schädliche Mikroorganismen.
- Der Fruktangehalt ist durch die Warmlufttrocknung geringer.
- Garantieerklärungen bezüglich der Qualität geben dem Verbraucher mehr Sicherheit.
- Zehn Prozent Häckselgut im Krippenfutter fördern das Kauen und langsames Fressen.
- Eingeweichte Cobs sind für Pferde mit Zahnproblemen eine gute Alternative.
- Luzerneprodukte können wegen ihres hohen Energie- und Eiweißgehalts das Grundfutter vonSport- und Zuchtpferden aufwerten.
- Mischungen aus Niedriggräsern, Kräutern, Grünhafer und Stroh sind als Kraftfutterersatz für übergewichtige und leichtfuttrige Pferde ideal.
Nachteile
- Raufutteralternativen sind zumindest vier- bis siebenmal so teuer.
- Durch Heißlufttrocknung können Pflanzenproteine geschädigt werden.
- Bei Unterdachtrocknung ist der Vitamin-D-Gehalt geringer als bei sonnengetrockneten Grünprodukten.
- Etwaige Giftpflanzen sind in Häckselgut und Presslingen nicht mehr zu erkennen.
- Luzernehäcksel kann die Magenschleimhaut reizen.
- Alternativprodukte können langstieliges Heu nicht komplett ersetzen.