Haltung

Der Biber im Pferd: Was steckt hinter Holznagen?

Ein Artikel von Sven & Peggy Morell | 09.02.2024 - 14:34
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Ständiges Holznagen kann mehrere Ursachen haben: zu geringe Mengen Raufutter, Langeweile oder auch Stress. © islovas | Fotolia.com

Holz gehört zum natürlichen Nahrungsspektrum von Pferden. Das Knabbern an Ästen und Rinde von Birke, Buche, Apfel und Co bereichert den Futterplan und vertreibt Langeweile. Wird im Stall jedoch regelmäßig alles aus Holz regelrecht „abgenagt“, kann dahinter auch ein Problem stecken.


Unerwünscht: Holznagen

In so manchem Stall sehen Stalltüren und Holzbalken so aus, als wäre dort ein Biber zu Hause. Pferdebesitzer sollten hellhörig werden, wenn ihre Schützlinge immer wieder an jedem Holz nagen, das ihnen vor die Zähne kommt.

Als mögliche Gründe werden diskutiert:

  • Pferde benötigen täglich reichlich Raufutter, Experten empfehlen etwa 1,5 Kilogramm Heu pro 100 Kilogramm Körpergewicht – für ein durchschnittliches Warmblut also gut neun Kilogramm pro Tag. Erhalten die Vierbeiner zu wenig Heu, kann es passieren, dass sie als Ausgleich an der Boxenwand nagen.
  • Leider stehen noch immer zu viele Pferde zu viele Stunden täglich in der Box. Manche Vierbeiner beginnen schlichtweg aus Langeweile mit dem Holzknabbern – und sorgen so zumindest kurzzeitig für Beschäftigung. Mitunter entwickelt sich aus dem Holznagen auch Koppen, eine typische Verhaltensstörung bei nicht artgerechter Haltung.
  • Manchmal beginnen Pferde mit dem Nagen an Holz, wenn sie unter Stress stehen, also beispielsweise einen Stallwechsel hinter sich haben oder ständig Unruhe in der Herde herrscht.
  • Mitunter wird behauptet, ein Mangel an Nährstoffen könne sich ebenfalls in Holznagen äußern. Experten zweifeln an dieser Theorie, ein eindeutiger Zusammenhang konnte nicht bestätigt werden.

Grundsätzlich gilt: Wird das Pferd zum Nagetier, sollte ein genauer, objektiver Blick auf die Haltungsbedingungen, den Futterplan – im Zweifel durchaus auch auf die Nährstoffversorgung – sowie eventuelle Stressauslöser geworfen werden.

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Kräftiges Benagen kann Holzkonstruktionen instabil machen, Abhilfe schaffen Bitterstoffe oder Stromlitzen.
© www.Slawik.com

Vor Verbiss schützen

Holznagen kann auf ein zugrundeliegendes Problem hinweisen – muss es aber nicht. Denn selbst wenn Haltung und Fütterung optimal sind, knabbern manche Pferde dennoch intensiv an Holzbalken, -brettern und Co. Das ist natürlich ärgerlich, da diese regelmäßig ersetzt werden müssen, um die Stabilität weiter zu gewährleisten. Eine Möglichkeit, das Holz vor Pferdezähnen zu schützen, ist das Einstreichen mit speziellen Abwehrmitteln. Diese enthalten meist Bitrex®, einen sehr starken Bitterstoff. Die Substanz, chemisch: Denatoniumbenzoat, zählt zu den bittersten Substanzen und ist daher auch stark verdünnt sehr bitter. Der 1958 entdeckte und patentierte Wirkstoff steckt zum Beispiel in Leovet Anti-Bite, Bense & Eicke BiteStop oder Equistop liquid von Stassek. Manche Mittel setzen auch auf eine Kombination von Bitrex ® und Capsaicin - dieses ist für die Schärfe von Chilischoten verantwortlich (z. B. Parisol Horse-Stop-Paste). Es empfiehlt sich, beim Auftragen Einmalhandschuhe zu tragen, da die Stoffe - bzw. ihr Geschmack - sehr hartnäckig an den Händen haften bleiben können.

Leider lassen sich damit nicht alle Pferde vom Holznagen abbringen. Dann können Profile aus Metall Abhilfe leisten, die auf die erreichbaren Kanten der Hölzer montiert werden. Wichtig dabei: Scharfe Ecken und herausstechende Schrauben oder Nägel müssen unbedingt vermieden werden – diese stellen eine enorme Verletzungsgefahr dar. Unter Pferdehaltern kursieren auch diverse „Hausmittelchen“ wie Huf- oder Lederfett mit klein zerbröselten, getrockneten Chilischoten, Tabascosauce und vieles mehr. Auch wenn diese Methoden bei dem einen oder anderen Pferd helfen mögen – so sind sie doch eine ziemliche Schmiererei.

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Knabberäste bieten Beschäftigung und Abwechslung im Speiseplan. © www.slawik.com

Alternativen anbieten

Damit die Pferde ihre Knabberwut nicht auf Boxentüren, Trennwände und Balken richten, kann es helfen, Äste als Knabber-Alternative in den Auslauf oder die Box zu legen. Diese sollten frisch geschnitten, nicht gespritzt und selbstverständlich ungiftig sein. Unter anderem eignet sich dafür:

  • Birke gilt als typisches Knabberholz. Nicht zu Unrecht, denn zum einen enthält sie wertvolle Inhaltstoffe wie Terpene und Betulin, zum anderen ist eine Verwechselungsgefahr mit giftigen Bäumen nahezu unmöglich. Die bis zu 30 Meter hohen Bäume mit ihren eher dünnen Stämmen sind an ihrer weißen Rinde und den dreiecksförmigen, gezackten Blättern eindeutig bestimmbar.
  • Auch Weiden sind gern genommene Knabberhölzer. Die Silberweide etwa hat schmale, lanzettförmige Blätter mit einer silbern schimmernden Rückseite. Weidenrinde enthält Salicin, welches schmerzlindernd und fiebersenkend wirkt. Es ist die Vorstufe des Schmerzmittels Acetylsalicylsäure (Aspirin®).
  • Pappeln gehören zu den Weidengewächsen. Weiß-Pappeln sind schnellwachsend und können bis zu 45 Meter hoch werden. In Pappeln stecken sekundäre Pflanzenstoffe wie beispielsweise Flavonoide, Tannine und das Glykosid Salicin. Die ebenfalls in Europa häufig vorkommende Zitterpappel wird auch Espe genannt.
  • Äste von Obstbäumen eignen sich ebenfalls als „Knabberzeug“. Allerdings sollten diese ausschließlich von ungespritzten Beständen – also zum Beispiel von Streuobstwiesen - stammen.

Wichtig: Äste und Zweige sollten stets in Maßen gefüttert werden, denn zu viel kann zu Verdauungsstörungen führen. Und: Pferde mit Zahnproblemen sollten vorsichtshalber keine Äste bekommen, weil die Gefahr einer Schlundverstopfung besteht. Grundsätzlich sind Zweige und Äste eine willkommene Abwechslung im Pferdealltag – können aber eine artgerechte Haltung oder bedarfsgerechte Fütterung nicht kompensieren.

Holznagen: Nicht immer ungefährlich

Grundsätzlich ist es nicht schlimm, wenn Pferde an Trennwänden und Co nagen. Ein paar Tücken lauern dennoch: Die Vierbeiner können sich beim Holzknabbern manchmal Spreißel ins Zahnfleisch stechen, die dann zu schmerzhaften Entzündungen führen. Wichtig ist auf jeden Fall, dass es sich um ungiftige Hölzer handelt. Mitunter wird Robinienholz (oder Schein-Akazie) verwendet, insbesondere für Zaunpfähle. Die Rinde ist besonders gefährlich, hier sind bereits 150 Gramm für ein Pferd tödlich. Ebenfalls problematisch sind Imprägnierungen, Lacke und Holzschutzmittel. Beim Benagen nehmen die Pferde diese gesundheitsschädlichen Stoffe mit auf.

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Schmeckt: Knabberholz mit Kräuter-Topping und mit Leckerlis gespickt © Knabberholz Manufaktur

Knabberspaß online bestellen

Wer sich die eindeutige Bestimmung von Gehölzen nicht zutraut oder schlichtweg keine geeigneten Hölzer in seiner Umgebung findet, kann Knabberholz speziell für Pferde auch online bestellen. Den Knabberspaß per Post (in der Regel Birkenholz) gibt es entweder pur oder mit verschiedenen Zusätzen wie beispielsweise gespickt mit Leckerli, in Kombination mit einem Himalya-Salzleckstein oder ummantelt mit diversen Kräutermischungen. Auf der Suche nach alternativen Beschäftigungen für seine Pferde kam Sebastian Danz die Idee, eigens kreierte Spielzeuge aus naturbelassenem Holz herzustellen. Bei befreundeten Pferdebesitzern stießen seine Knabberhölzer auf großes Interesse und rege Nachfrage – im April 2022 entstand daraus die „Knabberholz Manufaktur“ mit Sitz im nordrhein-westfälischen Gevelsberg (www.knabber-holz.de). Verwendet wird ausschließlich naturbelassenes, getrocknetes Birkenholz, da dieses - neben seiner Unbedenklichkeit - auch ein Nährstoff-Lieferant für Pferde sei. „Sicherlich wird es in absehbarer Zeit auch eine Alternative zur Birke geben“, erklärt Inhaber Sebastian Danz. Ein Knabberholz mit circa 30 Zentimetern Länge und circa sieben Zentimetern Durchmesser - pur ab 15 Euro, mit Leckerlies und / oder Kräuter-Topping (z.B. „Laufwohl“ oder „Fellwechsel“ ab 25 Euro - halte seinen Erfahrungen nach durchschnittlich ein bis zwei Wochen – das variiere aber stark von Pferd zu Pferd.

Auch Anika Gebauer kam durch ihr eigenes Pferd auf die Idee, Knabberhölzer anzubieten. Dieses hatte 2021 ein fieses Hufgeschwür - und langweilte sich sehr auf dem Krankenpaddock. Die zur Abwechslung angebotenen Birkenäste ignorierte der Wallach jedoch rigoros, erst mit Ummantelung war sein Interesse geweckt. Auf www.deinknabberholz.com können Pferdebesitzer Birkenholzstücke (Länge ca. 20 bis 25 cm, Durchmesser ca. 10 bis 15 cm) aus nachhaltig bewirtschafteten deutschen Wäldern entweder pur (ab etwa 10 Euro, circa 10 Zentimeter längere XXL-Variante ab 20 Euro) oder mit Kräuter-Topping (ab 25 Euro, XXL ab 30 Euro) erwerben. Es stehen verschiedene Varianten zur Wahl, etwa ein zuckerfreier Topping-„Kleber“ oder eingearbeitete Leckerlies, zudem gibt es die Möglichkeit, ein passendes Sisal-Seil zu erwerben. Die Knabberhölzer haben in der Regel ein Loch, durch das ein Seil gezogen werden kann. Mit diesem Seil können die Hölzer dann beispielsweise an der Gitterwand von Boxen aufgehängt werden. Bei www.healthy-horses.net wird das Birkenholz mit einer speziellen Halterung so angebracht, dass es sich dreht. Diese wird wiederum an einem Gitter (mit passendem Gegenstück) oder an der Wand befestigt. Diese Aufhängung hat jedoch ihren Preis: Je nach Ausführung ab 55 Euro, (Nachfüll-) Hölzer gibt es ab 6,50 Euro. Wichtig: Die Aufhängung – egal ob am Seil oder an speziellen Halterungen – muss immer so erfolgen, dass die Pferde sich nicht daran verletzen können.