Öl im Pferdetrog

Vorsicht bei Ölfütterung

Ein Artikel von Sven & Peggy Morell | 25.01.2024 - 15:54
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Öle können das Pferdemenü aufwerten, aber auch Schaden anrichten.   © www.Slawik.com

Ob Öl aus Sonnenblumen, Leinsamen, Mariendistel, Schwarzkümmel, Soja und noch vielem mehr: Wer damit liebäugelt, seinem Pferd Öl zuzufüttern, steht vor einer enormen Auswahl. Die Beschreibungen der Hersteller helfen bei der Entscheidungsfindung nur wenig, schließlich werden alle als „besonders wertvoll“ angepriesen. Welches Öl das richtige ist, hängt auch vom Verwendungszweck ab.
 

Energie ohne Stärke

Öle verfügen über eine sehr hohe Energiedichte und sind somit sehr gute Energielieferanten. Zum Vergleich: Ein Kilogramm Öl (das entspricht etwas mehr als einem Liter) enthält circa 40 Megajoule Energie, während Mischfutter oder Getreide auf nur circa 10 bis 12 Megajoule pro Kilogramm kommen. Durch die Zugabe von Öl kann zusätzliche Energie über das Futter zugeführt werden, ohne den Stärkeanteil in der Ration anzuheben. Das ist vor allem für Hochleistungspferde, aber auch alte oder dünne Pferde von Vorteil, die einen erhöhten Energiebedarf haben. Denn zu viel Stärke kann zu schwerwiegenden Verdauungsproblemen führen und sogar Auslöser für die gefürchtete Hufrehe sein. Zwei Gramm Stärke pro Kilogramm Körpergewicht gelten als Tageshöchstdosis, und die ist oft schneller erreicht als gedacht: Für ein 600-Kilogramm-Pferd wären das maximal 1,2 Kilogramm Stärke pro Tag – diese Menge steckt in etwa 2,4 Kilogramm Gerste. Experten warnen zudem davor, diesen Grenzwert auszureizen, da schon eine geringere Stärkeaufnahme zu gesundheitlichen Problemen führen kann.


Herausforderung für die Darmflora

Doch auch mit Öl sollten Pferdebesitzer:innen es nicht übertreiben – oft ist von einem Gramm Öl je Kilogramm Körpergewicht als Obergrenze die Rede, das entspräche der beachtlichen Tagesmenge von 600 Gramm für ein Warmblut, auf mehrere Mahlzeiten verteilt. Da Öl ebenfalls die Darmflora durcheinanderbringen kann, raten Experten meist dazu, deutlich unter dieser Menge zu bleiben. Und: Die Pferde müssen langsam an den Futterzusatz gewöhnt werden – deswegen sollten Pferdehalter mit einer geringen Dosis starten und diese erst nach und nach erhöhen.

„Um ein Kilogramm Hafer zu ersetzen, müssten dem Pferd täglich 200 bis 300 ml Öl über das Futter gegeben werden“, erklärt Professorin Ellen Kienzle. Doch die inzwischen emeritierte Lehrstuhlinhaberin für Tierernährung und Diätetik an der tierärztlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität in München gibt zu bedenken: „Pferdebesitzer sollten sich im Klaren darüber sein, dass eine solche Menge eine ziemliche Schmiererei nach sich zieht. Trog oder Eimer beziehungsweise Futterschüssel müssen jedes Mal aufwendig mit Spülmittel und Wasser gereinigt werden, ansonsten wird der Ölfilm schnell ranzig – und damit sehr ungesund.“ Steht die reine Energieversorgung im Vordergrund, ist das meist günstige Sonnenblumenöl aus dem Supermarkt (erhältlich ab etwa drei Euro pro Liter) durchaus eine Option. Es enthält reichlich Vitamin E und wird wegen seines milden Geschmacks von Pferden in der Regel gern gefressen.

Gesundheitsplus

Andere Öle hingegen sollen nicht primär zusätzliche Energie ins Pferd bringen, sondern mit ihren wertvollen Inhaltstoffen das Wohlbefinden der Vierbeiner fördern. Für diese besonders hochwertigen – in der Regel kaltgepressten – Öle empfehlen die Hersteller in der Regel deutlich geringere Dosierungen, meist zwischen 10 und 50 ml täglich für ein Großpferd. Kleinpferde und Ponys erhalten entsprechend weniger. An diese Fütterungsempfehlungen sollten Pferdebesitzer:innen sich halten, da manche dieser hochwertigen Öle in höherer Dosierung negative Wirkungen haben, ja sogar giftig sein können.
 

Öl verdirbt rasch und wird ungesund

Der hygienische Aspekt bei der Ölfütterung wird oft stiefmütterlich behandelt. Dabei sind ungesättigte Öle sehr empfindlich und verderben bei falscher Lagerung enorm schnell. „Oft werden die Öle in durchsichtigen Behältern angeboten. Das ist schlecht, da dadurch die Oxidation schneller voranschreitet“, erklärt Ellen Kienzle. Hinzu komme, dass sich Pferdebesitzer:innen über die Lagerung nur selten Gedanken machen: „Das Öl wird einfach irgendwo gelagert, etwa in der Futterkiste oder auf einer Ablage. Ist es dort warm und das Öl womöglich noch der Sonne ausgesetzt, ist der rasche Verderb vorprogrammiert. Und dann wundern sich die Besitzer, warum ihr Pferd Verdauungsprobleme hat.“ Es ist durchaus paradox, dass auf der einen Seite hochwertige, mitunter sehr teure Öle gekauft werden, die Lagerung dann aber so nachlässig erfolgt.

Damit die Öle nicht ranzig und somit schädlich für die Gesundheit werden, sollten diese stets möglichst kühl, trocken und dunkel gelagert werden. Und: Vor dem Füttern die Nase ans Öl halten – ist der Geruch ranzig oder verändert, sollten Sie das Öl lieber nicht mehr verwenden. Verlockend ist oft der Kauf großer Gebinde, da der Literpreis in der Regel deutlich günstiger ist als bei kleinen Abpackungen. Doch gerade weil Öl so empfindlich ist, sollte es schnell aufgebraucht werden. Das ist schon bei der Standardgröß“ von einem Liter gar nicht so leicht umsetzbar: Bei einer Fütterungsempfehlung von beispielsweise 25 Milliliter benötigt man dafür nämlich schon mehr als einen Monat. Kleine Gebinde sind also zu bevorzugen. Vitamin E – entweder von Natur aus enthalten oder zugesetzt – kann die Verderblichkeit von Öl verringern. Überhaupt spielt Vitamin E bei Öl eine große Rolle: „Viele Pferdebesitzer wissen gar nicht, dass durch Öl der Bedarf ihres Tieres an Vitamin E enorm ansteigt,“ weiß Fütterungsexpertin Ellen Kienzle. „Viele Pferde sind sowieso schon knapp oder zu wenig mit Vitamin E versorgt, Öl-Fütterung kann dies verschlimmern. Daher ist die Vitamin-E-Zufuhr entsprechend zu erhöhen“


Nicht immer sinnvoll

Eine im November 2022 veröffentlichte amerikanische Studie untersuchte die Effekte der Fütterung von Reiskleie-Öl und Leinsamen-Öl auf junge Pferde im Training. Die Youngsters bekamen über 60 Tage Öl zusätzlich zum Futter. Im Blut wurden die Interleukin-1β- und die Kreatinkinase-Konzentrationen – diese gelten als Biomarker für Muskelschäden und Entzündungen – sowie das Fettsäureprofil gemessen. Und zwar vor sowie in unterschiedlichen Abständen (von 1 Minute bis 72 Stunden) nach einem 16-minütigen Belastungstest. Die Forscher stellten fest, dass Reiskleieöl oder Leinöl trainingsbedingte Interleukin-1β-Erhöhungen zu reduzieren vermögen. Leinöl könne darüber hinaus den belastungsabhängigen Anstieg der Kreatinkinase vermindern sowie Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren im Plasma erhöhen. Fazit der Studie: „Leinsamen- oder Reiskleieöl hat potenzielle Vorteile für junge Pferde im Training.“

Professorin Ellen Kienzle hält die Gabe von Öl nur in Ausnahmefällen für sinnvoll, etwa „bei alten Pferden, in die man sonst gar nicht genügend Energie hinein gefüttert bekommt“. Pferde nähmen in Samen enthaltene Fette zu sich, zusätzliches Öl sei meist nicht notwendig. In der Praxis hat die einstige Tierernährungsexpertin der LMU München zudem die Erfahrung gemacht, „dass in manchen Ställen der Boden richtig schmierig ist, weil in den Pferdeäpfeln noch ordentlich Öl steckt. In der Praxis scheint die Verdaulichkeit von Öl also gar nicht so hoch zu sein.“

Wenn Öl für Wohlbefinden und Gesundheit verabreicht werden soll, dann rät Ellen Kienzle zu guter Qualität. „Kaltgepresste Öle haben durchaus ihre Berechtigung. Aber dann müssen sie auch in dunklen Gebinden und kühl gelagert werden. In der Regel benötigt man bei längerer Lagerung eine Stabilisierung durch Antioxidantien“. Die Professorin gibt keine Empfehlung, welches Öl am besten für Pferde geeignet ist: „Grundsätzlich ist es wichtig, dass das Öl von guter Qualität ist und durch sorgsame Lagerung auch bleibt. Denn ranziges Öl ist gar nicht so selten und für die Gesundheit der Vierbeiner gefährlich“. Ihre Alternative zu Öl ist der „gute, alte Leinsamenschleim, der hervorragend für den empfindlichen Magen der Vierbeiner ist.“

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Mariendiestelöl ist reich an essenziellen Fettsäuren und Vitamin E. © Heike Brauer - stock.adobe.com

Öle im Überblick

Die Auswahl hochwertiger Öle ist groß. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Inhaltstoffe – aber auch im Preis:

Leinöl (beziehungsweise Leinsamenöl) ist der Klassiker in der Pferdefütterung und mit circa acht Euro pro Liter vergleichsweise günstig. Der sehr hohe Anteil von mehr als 90 Prozent ungesättigten Fettsäuren, insbesondere der Omega-3-Fettsäure alpha-Linolensäure, sowie Ölsäure und Linolsäure soll gut für Haut, Fell und Verdauung sein. Vorsicht mit der Dosierung: In größeren Mengen wirkt Leinöl toxisch.

In Mariendistelöl stecken unter anderem Silymarin, Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren sowie Vitamin E. Da es sich positiv auf Haut und Fell auswirken soll, wird es oft für den Fellwechsel empfohlen. Kosten: Um die 10 Euro pro Liter.

Das in aus Reiskleie gewonnenem Reiskeimöl enthaltene Gamma-Oryzanol soll den Muskelaufbau unterstützen sowie die Leistungsbereitschaft fördern. Zudem sind noch reichlich ungesättigte Fettsäuren und Vitamin E enthalten. Nach Gewöhnung sind laut manchen Herstellern Tagesdosen von etwa 200 ml möglich, dann ist auch die Bedeutung als Energielieferant gegeben. Bei einem Literpreis von circa 14 Euro ist dies aber recht kostspielig. Reiskeimöl ist in der Regel nicht kaltgepresst, sondern raffiniert erhältlich.

Schwarzkümmelöl aus ägyptischem Schwarzkümmel ist reich an Omega-3-Fettsäuren. Dem Inhaltsstoff Thymochinon wird zudem antibakterielle Wirkung zugeschrieben. Schwarzkümmelöl wird gerne bei Hautproblemen sowie unterstützend bei Atemwegserkrankungen zugefüttert. Äußerlich angewendet soll Juckreiz gelindert werden. Stolzer Preis: ungefähr 60 Euro pro Liter.

Nachtkerzenöl zeichnet sich durch einen hohen Anteil ungesättigter Fettsäuren, darunter Linolsäure und die essenzielle Omega-6-Fettsäure Gamma-Linolensäure aus. Dem Öl werden positive Wirkungen insbesondere auf Haut und Fell sowie Immunsystem nachgesagt. Bei Hautproblemen ist auch eine äußerliche Applikation möglich. Mit gut 75 Euro pro Liter sehr teuer.

Hanföl wird aus den Samen von Nutzhanf gewonnen und enthält nur unbedeutende Mengen von Cannabidiol (CBD) und Tetrahydrocannabinol (THC), dafür aber reichlich ungesättigte Fettsäuren wie etwa Linolsäure sowie Alpha- und Gamma-Linolensäure. Das Verhältnis von Omega-6 zu Omega-3 Fettsäuren ist sehr gut. Hanföl soll positiv auf Fell und Haut sowie das Immunsystem wirken. Preis: circa 20 Euro pro Liter. Hanföl darf nicht mit CBD-Öl verwechselt werden, das aus Blüten und Blättern von Hanf gewonnen wird und deutlich mehr CBD enthält.

Fischöl beziehungsweise Lachsöl zeichnet sich durch reichlich Omega-3-Fettsäuren, insbesondere Eicosapentaensäure und Docosahexaensäure aus. Das Öl soll geschmacklich relativ neutral sein. Immunsystem, Haut und Fell sollen unterstützt werden. Kosten: Circa 16 Euro pro Liter. Algenöl gilt als pflanzliche Alternative zu Fischöl.

Maiskeimöl, gewonnen aus dem fettigen Keim des Maiskornes, punktet mit einem hohen Anteil ungesättigten Fettsäuren und Vitamin E, allerdings überwiegen die Omega-6-Fettsäuren deutlich. Es wird daher als reines Öl nur selten empfohlen, typischerweise ist es als Anteil in Ölmischungen für Pferde enthalten – um ein ausgewogenes Fettsäurespektrum im Gesamtprodukt zu erhalten. Raffiniertes Maiskeimöl ist ab etwa 5 Euro pro Liter erhältlich.

Darüber hinaus gibt es noch weitere, wenn auch exotischere Öle für die Pferdefütterung wie etwa Sojaöl, Traubenkernöl, Weizenkeimöl, Chiaöl, Borretschöl, Kürbiskernöl, Leindotteröl, Perillaöl, Arganöl und noch einige mehr. Diese sind aber als Einzelöl oft nur schwer zu bekommen – und dann meist hochpreisig. Häufiger kommen sie in speziellen Ölmischungen vor.

Pferdebesitzer sollten bei der Wahl des Öles auf ihren Vierbeiner hören: Nicht jedes Pferd mag jedes Öl, ausprobieren ist hierbei sehr wichtig. Natürlich gibt es Öle, die unter Pferden allgemein beliebter sind als andere: Eher neutrales Öl wie Sonnenblumen- oder auch Leinöl akzeptieren Pferde meist nach einer kurzen Gewöhnungsphase. Anders bei sehr geruchs- und geschmacksintensiven Ölen wie etwa Kürbiskernöl oder auch Fischöl: Manche Pferde verschmähen mit diesem Ölzusatz ihr Kraftfutter gänzlich.