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Wenn der Viertakt zum Pass wird - Taktverschiebungen im Schritt sind meist ein Zeichen mangelnder Losgelassenheit. © www.arnd.nl

Ausbildung

Aus dem Takt gekommen? So klappt der Schritt

Ein Artikel von Regina Käsmayer / Stephanie Schiller | 03.08.2020 - 14:31

Der Schritt ist das Erste, was der Reitanfänger lernt – und das Letzte, was er wirklich kann. Weil diese Gangart am leichtesten zu sitzen ist, wird im Schritt – vorwiegend am langen Zügel – gequasselt, telefoniert und geraucht. Fleißiges Vorwärtsreiten, wie es die klassische Reitlehre vorschreibt, sieht man, wenn überhaupt, nur im Trab oder Galopp. Doch mangelnder Respekt vor dem Schritt hat Folgen: Spätestens im Dressurviereck zeigt sich, wer richtig gearbeitet hat, wer falsch und wer gar nicht. 

Kennzeichen eines guten Schritts
„Ein guter Schritt ist fleißig und taktrein, hat ausreichend Raumgriff und Übertritt“, erklärt der Ausbilder und ehemalige Erste Oberbereiter der Spanischen Hofreitschule Arthur Kottas-Heldenberg. Raumgriff ist das Ausgreifen des Vorderbeins nach vorne, das durch den Winkel zwischen Schulterblatt und Oberarmbein begrenzt wird. Übertritt ist das Ausgreifen des Hinterbeins. „Bei einem guten Mittelschritt fußt das Pferd mit dem Hinterbein etwa eine Hufbreite über die Spur des gleichseitigen Vorderbeins“, so Kottas-Heldenberg. Die Spanne des Übertritts hängt natürlich auch davon ab, ob das Pferd eher im Rechteck- oder im Quadratformat steht. Daneben sind für die Schrittlänge noch verschiedene andere Exterieurmerkmale ausschlaggebend.

Rein nach Übertritt und Raumgriff kann ein Schritt aber nicht beurteilt werden. Selbst Pferde mit starken Taktfehlern können eine gute Schrittlänge haben. Der Takt muss ein klarer Viertakt sein, mit vier gleich langen Schlägen, wie in der Musik. Erkennbar ist dieser am besten in dem Moment, wenn ein Hinterbein vorgreift und das gleichseitige Vorderbein gerade noch nicht abgefußt hat. Für einen Bruchteil einer Sekunde bildet dieses Beinpaar dann ein „V“. Je besser dieses V zu sehen ist, desto besser ist der Schritt. Dr. Susanna Kleindienst-Passweg, die sowohl Dressurrichterin als auch Leiterin des OEPS-Ausbildungsreferats ist, wünscht sich den Schritt außerdem „fleißig, losgelassen, im klaren Viertakt und aus der aktiven Hinterhand durch den Körper schreitend.“

Die drei Tempi des Schritts
Der Mittelschritt ist die Grundlage des Reitens und damit auch die natürliche Geschwindigkeit des Pferdes. Dabei tritt der Hinterhuf etwas über den Abdruck des Vorderhufs hinaus. Die Nase des Pferdes geht leicht nach vorne. 

Beim starken Schritt vergrößert sich der Raumgriff, das heißt. das Vorderbein macht größere, aber nicht schnellere Schritte. Auch der Übertritt der Hinterbeine wird größer. Der Hals des Pferdes bewegt sich leicht vorwärts-abwärts. 

Im versammelten Schritt hingegen kommt die Hinterhand mehr unter den Schwerpunkt des Pferdes. Dadurch wird der Hals angehoben, und die Hinterhufe treten nur noch in die Siegel der Vorderhufe, nicht mehr darüber hinaus. Die Nase-Stirn-Linie nähert sich der Senkrechten. Der versammelte Schritt ist bereits eine recht hohe Lektion und sollte vom lernenden Reiter in der Grundausbildung überhaupt nicht geritten werden. 

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© Irmtraud Guhe

Die acht Phasen des Schritts
1. Phase: hinten links hebt ab, Dreibeinstütze
2. Phase: vorne links hebt ab, rechte Zweibeinstütze
3. Phase: hinten links fußt auf, Dreibeinstütze
4. Phase: hinten rechts hebt ab, diagonale Zweibeinstütze
5. Phase: vorne links fußt auf, Dreibeinstütze
6. Phase: vorne rechts hebt ab, linke Zweibeinstütze
7. Phase: hinten rechts fußt auf, Dreibeinstütze
8. Phase: hinten links hebt ab, diagonale Zweibeinstütze

Typische Reiterfehler im Schritt:
- Geringschätzung der Gangart – Training beschränkt sich auf Trab und Galopp, Schritt dient nur zum Aufwärmen, zum Abreiten und in kurzen Ruhephasen.

- Zu viel Handeinwirkung und zu wenig treibende Hilfen – Folge: Die Hinterbeine fußen zu langsam oder die Vorderbeine zu schnell ab, die Phasen verschieben sich, es entsteht eine Art Passgang

- Grundsätzliche Verspannung des Pferdes durch Reiterfehler

- Natürliche leichte Nickbewegung des Pferdehalses und -kopfes wird durch „stehende Hände“ oder zu eng verschnallte Ausbindezügel nicht zugelassen

- „Schiebende Hüfte“ des Reiters bringt Pferd aus dem Takt

 

Möglichkeiten der Korrektur
Doch was ist zu tun, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, sprich, das Pferd taktunrein geht? Hier gibt es sehr unterschiedliche Möglichkeiten, den Schritt wieder zu verbessern. Dressurreiterin Astrid Neumayer verrät, das Pferd aus der Spannung herauszunehmen, also viel am langen Zügel zu reiten und ins Gelände zu gehen. Im Viereck sollten vor allem gebogene Linien und Seitengänge auf dem Trainingsplan stehen, denn gebogene Linien fördern die Losgelassenheit des Pferdes. Auf keinen Fall sollte zu lange am aufgenommenen Zügel geradeaus geritten werden. Arthur Kottas-Heldenberg nennt darüber hinaus die Möglichkeit, 15 bis 20 Stangen auf den Boden zu legen und das Pferd darüber gehen zu lassen. Durch das gleichmäßige Heben der Beine findet sich der Takt praktisch von selbst. Denselben Effekt hat auch häufiges Bergaufreiten im Gelände. 

Einen deutlich anderen Ansatz zu Korrektur nennt Susanna Kleindienst-Passweg: korrektes An-die-Hand-Herantreiben. „Dabei reitet man das Pferd mit feiner Hand an den Zügel, im Schenkelweichen und auf gebogenen Linien.“ Eine Arbeit, die volle Konzentration vom Reiter fordert, der alle Energie in die Korrektur legen muss. „Der richtige treibende Impuls erfolgt immer genau in dem Moment, wenn das entsprechende Hinterbein abfußt.“ Dieser Weg ist möglich, aber sicherlich nichts für Anfänger. Wer sein Pferd bereits aus dem Takt gebracht hat, sollte deshalb lieber einen Profi aufsuchen. 

Gleiches gilt übrigens für die Grundausbildung des Pferdes. Aus Angst vor unkontrollierbaren Reaktionen versucht der Laie, sein Pferd häufig schon von Anfang an im versammelten Schritt zu reiten. Tatsächlich ist der Schritt aber die letzte Gangart, die das Pferd an den Hilfen lernt. Versammelter Schritt wird deshalb in Dressurprüfungen auch erst ab M-Niveau verlangt. 

Weine weitere wichtige Zutat für den Erhalt eines natürlich guten Schrittes ist Abwechslung. Kottas-Heldenberg empfiehlt, nicht immer nur stur das gleiche Training in der Halle abzuspulen, sondern Dressurübungen auch mal ins Gelände zu verlegen. Die Arbeit an der Hand oder an der Doppellonge sei ebenfalls eine willkommene Abwechslung und Korrekturmöglichkeit. Und ganz wichtig: Sitzlongen nehmen und sich helfen lassen – beides ist kein peinlicher Rückschritt, sondern ein Zeichen von Größe. Wer nach diesem Grundsatz handelt, muss sich den bestmöglichen Schritt von seinem Pferd gar nicht mühsam verdienen. Er bekommt ihn am Ende einfach geschenkt. 

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Taktstörungen kann mit Bodenricks effizient entgegengewirkt werden.  © Nini Schäbel

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Reiten in Biegung hilft, den Takt wieder herzustellen. © www.slawik.com

Richtig Schritt Reiten – So funktioniert’s!
„Beim Anreiten zum Schritt aus dem Halten treibt der Reiter das an den Hilfen stehende Pferd mit Gewicht und beiden Schenkeln bei nachgebender Zügelhilfe in die Vorwärtsbewegung hinein, ohne dabei die weiche Anlehnung aufzugeben. Der Reiter hält den Schritt fleißig, raumgreifend und gleichmäßig, indem er losgelassen den Bewegungen des Pferdes folgt und mit den Schenkeln eine weiche Fühlung am Pferdeleib erhält. Die leichte Nickbewegung des Pferdes von Hals und Kopf wird von der Reiterhand und den Schulter- und Ellbogengelenken zugelassen.“
Richtlinien für Reiten und Fahren Band 1

 

 

Weitere Tipps:
- Die Beine des Reiters sollten immer locker am Pferdebauch anliegen.
- Abwechselndes Treiben, immer in dem Moment, wenn das jeweilige Hinterbein abfußt
- Schenkel nur anlegen; nur dann aktiv treiben, wenn das Pferd nicht mehr fleißig genug läuft
- Beide Zügelfäuste folgen den Nickbewegungen des Pferdes nach vorne, je raumgreifender der Schritt ist, desto ausgreifender wird auch diese Bewegung.