Studie

Abwehrverhalten und Stressanzeichen beim Satteln, Trensen und Aufsitzen weit verbreitet

Ein Artikel von Pamela Sladky | 29.01.2021 - 13:22
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Hinter Abwehrverhalten beim Satteln oder Zäumen verbirgt sich oft mehr als bloße "Zickigkeit". ©Ka-Zu-Mi - stock.adobe.com

Ihr Pferd presst beim Auftrensen die Lippen zusammen? Legt beim Satteln die Ohren an? Oder schlägt beim Aufsteigen mit dem Schweif? Dann ist es damit beileibe keine Ausnahme. Im Gegenteil.  Im Rahmen einer britischen Studie zeigten mehr als die Hälfte der teilnehmenden Pferde Abwehrverhalten und Anzeichen von Stress noch bevor es überhaupt ans Reiten ging.

Unter der Leitung von Orthopädie-Fachfrau Dr. Sue Dyson wurden 193 Turnier- und Freizeitpferde aus 11 verschiedenen Ställen beim Fertigmachen zum Reiten beobachtet und abnorme Verhaltensweisen protokolliert.Trotz unveränderter Rahmenbedingungen für die Pferde – gewohnte Bezugsperson, übliche Vorgehensweise – zeigte mehr als die Hälfte (52 %) Anzeichen von Abwehr und Stress.

So öffneten 16,8 % der Pferde nur widerwillig das Maul, um das Gebiss aufzunehmen, gut jedes Zehnte versuchte sich durch Hochreißen des Kopfes vor dem Auftrensen zu entziehen. Mehr als 12 % verfolgten wohl dasselbe Ziel, indem sie mit dem Kopf schlugen. Am häufigsten beobachteten die Forscher*innen lautstarkes Herumkauen auf dem Gebiss (67 %), einen starren Blick (56,5 %) und angelegte Ohren (56,5 %).

Angelegte Ohren (57 %) und Starren (53,9 %) waren auch während des Sattelns die am häufigsten zu beobachtenden Verhaltensauffälligkeiten, gefolgt von unruhigem Stehen (31,6 %), Spielen mit dem Gebiss  (34,1 %), Schweifschlagen (20,2 %) und Kopfschlagen (19,7 %).

Beim Aufsteigen reagierte ein Viertel der Pferde mit Herumzappeln, aber auch Schweifschlagen (17,1 %), Kauen am Gebiss (16,8 %), Reißen an den Zügel (12,4 %) und Kopfschlagen (10,9 %) waren gehäuft anzutreffen. 15 Pferde mussten gehalten werden, damit sich ihr Reiter in den Sattel schwingen konnte.
 

Hinweise auf Schmerzen

Für Dr. Sue Dyson und ihre Kolleginnen und Kollegen ist klar: Viele der genannten Verhaltensweisen stimmen mit jenen überein, die auch im Zusammenhang mit Stress und Schmerzen beobachtet werden können. Reiterinnen und Reiter tun demnach gut daran, sie nicht als normal anzusehen oder leichtfertig als schlechte Angewohnheit abzutun. „Derartiges Verhalten kann Stress oder die Erwartung von Schmerzen widerspiegeln, hervorgerufen durch Verletzungen im Maulbereich, die Ausrüstung oder durch das Training selbst“, so die Forscher.

Dass diese Behauptung nicht von ungefähr kommt, bestätigte sich bei weiterführenden Untersuchungen. So konnten bei mehr als zwei Drittel (78,2%) der verwendeten Sättel Passformprobleme identifiziert werden, die das Potenzial hatten, ihren Trägern Schmerzen zu bereiten. Bei 66,8 % erwies sich die Kammer als zu eng, häufig war auch der Vorderzwiesel zu niedrig.


Gurtenzwang häufiges Indiz für Magengeschwüre

Unmutsäußerungen beim Satteln können aber auch einen anderen Ursprung haben, als unpassende Ausrüstung. Eine 2019 veröffentlichte Studie eines Forscherteams aus den USA zeigte, dass bei Gurtenzwang häufig ein medizinisches Problem vorliegt. Gut ein Drittel der 37 an der Studie teilnehmenden Pferde litt an Magengeschwüren, bei zehn Pferden ließ sich der Gurtzwang auf orthopädische Probleme zurückführen, weitere zehn der vorgestellten Patienten hatten ihre Abneigung gegen den Sattelgurt aus anderen medizinischen Gründen zum Ausdruck gebracht: die Diagnosen reichten von einem Geschwür an den Fortpflanzungsorganen über ein Leberabszess und ein Aneurysma an der Hohlvene (vena cava) bis hin zu Schmerzen im Bereich des Brustbeins oder einer Harnwegsentzündung. Damit waren in nicht weniger als 35 der untersuchten 37 Fälle waren Schmerzen der Grund für das Abwehrverhalten beim Gurten.

Wenn Pferde mit Unwillen, Stress und Aggression reagieren, sobald der Reiter mit Sattel und Zaumzeug dasteht, lohnt es sich, der Sache auf den Grund zu gehen. Denn in vielen Fällen gibt es eine plausible Erklärung für das Verhalten. Und in den seltensten Fällen ist es die Zickigkeit des Pferdes.