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Fressbremsen werden als Hilfe zur Gewichtsreduktion bei Pferden immer beliebter. © www.slawik.com

Fressbremsen: Wie sie helfen, wann sie schaden

Ein Artikel von Pamela Sladky | 23.09.2015 - 11:49
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Fressbremsen werden als Hilfe zur Gewichtsreduktion bei Pferden immer beliebter. © www.slawik.com

In den vergangenen Jahren haben Fressmaulkörbe als effektive Futterregulatoren in den heimischen Ställen immer mehr Einzug gehalten. Die sogenannten Fressbremsen sind ideal zur Gewichtsregulation leichtfuttriger Rassen und zur Reheprophylaxe über die gesamte Weideperiode. Durch die schmalen Schlitze im Boden des Maulstücks kann das Pferd die Halme nur langsam und in geringen Mengen zupfen, was die Grasaufnahme effektiv einschränkt. Doch nicht nur auf der Weide haben sich die Futterregulatoren bewährt. Auch die Heuaufnahme wird durch das Tragen eines Maulkorbes deutlich eingeschränkt. Ein echtes Plus für leichtfuttrige Pferde und Ponys, die bei Heu ad libitum, wie es heute vielfach angeboten wird, ernsthaften Gesundheitsrisiken ausgesetzt sind.

Doch Fressbremse ist nicht gleich Fressbremse und nicht immer ist der Maulkorb für jedes Pferd geeignet. Als Entscheidungshilfe für unschlüssige Pferdebesitzer hat das britische National Equine Welfare Council (NEWC) jüngst einen umfangreichen Leitfaden für die Verwendung der Fressregulatoren herausgebracht.

Die Kerhseite der Medaille

Seit eine Studie 2011 enthüllte, dass jedes fünfte Pferd in Großbritannien zu viel auf den Rippen hat, ist das Thema Übergewicht auf der Insel in aller Munde. Doch die Futtereinschränkung für einzelne Tiere ist in der Gruppenhaltung manchmal mit kaum zu überwindenden Problemen verbunden. Kein Wunder also, dass sich Fressbremsen, die lediglich Auswirkungen auf ihren Träger hat, in den vergangenen Jahren als beliebte Hilfe zum Abspecken gemausert haben.

Tatsächlich konnte die Eignung von Maulkörben zur Gewichtsreduktion in zahlreichen Untersuchungen bereits mehrfach wissenschaftlich belegt werden. Zwischen 30 und 86 Prozent weniger Futter sollen die Tiere beim Tragen des Regulators aufnehmen. Gleichzeitig können sie am sozialen Leben der Herde teilnehmen, eine Separierung zu Diätzwecken bleibt bei der Anwendung eines Maulkorbes meist erspart.

So nützlich Fressbremsen für die Gewichtsregulation auch sind, sie haben auch ihre negativen Seiten:

  • Scheuerstellen durch den Maulkorb oder desssen Befestigungsriemen sind keine Seltenheit, die Passform des Regulators muss deshalb regelmäßig kontrolliert werden um der Entstehung schmerzhafter Wunden vorzubeugen. Besonders gefährdet sind im Speziellen die Maulgegend, die Wangenknochen und der Bereich hinter den Ohren.
  • Im Laufe eines Tages kann sich in der Fressbremse jede Menge Schmutz ansammeln. Futterreste, Erde und Sand verstopfen die schmalen Schlitze und verursachen dann nicht nur einen völligen Fressstopp sondern erschweren auch die Wasseraufnahme. Eine tägliche Kontrolle der Maulkörbe und Reinigung ist damit unumgänglich.
  • Weil Pferde bei jedem Bissen mit ihren Schneidezähnen über den Kunststoffboden des Maulkorbes schaben, kann es zu einem übermäßigen Abschleifen des Zahnschmelzes an den Schneidezähnen kommen. Scharfe Kanten, Karies, Wunden am Zahnfleisch u.Ä. können die schmerzhaften Folgen sein. Um irreparable Schäden zu vermeiden, sollten die Zähne des Pferdes regelmäßig durch einen Tierarzt kontrolliert werden.
  • Zu kurzes oder zu langes Gras erschwert die Futteraufnahme mit Fressbremse beträchtlich. Der Frustfaktor, der sich bei einem Pferd einstellt, wenn es vor dem quasi vollen Teller hungern muss, darf nicht unterschätzt werden. In solchen Fällen ist starkes Abwehverhalten gegen den Maulkorb möglich.
  • Zusätzliche Riemen auf dem Pferdekopf erhöhen die Gefahr des Hängenbleibens. Fessbremsen und deren Befestigungen sollten daher immer eine Sollbruchstelle beinhalten, die sich im Gefahrenfall öffnet und das Pferd frei gibt.
  • Der Maulkorb hat nicht nur Auswirkungen auf die aufgenommene Futtermenge sondern bisweilen auch auf das Sozialverhalten des Pferdes. Soziale Fellpflege beispielsweise, ist mit dem Plastikding auf der Nase nur noch begrenzt möglich und auch das optische Ausdrucksverhalten des Pferdes wird reduziert, was zu Konflikten in der Herde führen kann.

Welche Fressbremse passt zu welchem Pferd?

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Pferde, die über lange Zeit einen Fressregulator tragen, haben mitunter starke Abnutzungen an den Vorderzähnen. Aus diesem Grund wird eine regelmäßige Kontrolle durch den Tierarzt empfohlen. © www.slawik.com

Auf dem Markt sind Fressmaulkörbe in den unterschiedlichsten Ausführungen, Materialien und Designs erhältlich. Welches Modell zu welchem Pferd passt, muss letztlich individuell entschieden werden. Wichtig ist, dass der Maulkorb gut sitzt, nicht scheuert und eine langsame aber stetige Futteraufnahme ermöglicht. Zudem muss das Pferd auch mit Regulator uneingeschränkt trinken können. Für alle Fressbremsen gilt:

  • Zwischen dem oberen Rand des Maulkobes und der Pferdenase sollten zwei Finger Platz haben.
  • Der Abstand zwischen Pferdemaul und Boden des Maulkorbes sollten ca. 2,5 cm Platz betragen. Auf diese Weise wird ein Dauerkontakt mit dem Regulator verhindert.
  • Die Größe des Maulkorbes muss es dem Pferd erlauben sein Maul problemlos und ausreichend öffnen zu können.
  • Befestigungsriemen dürfen keinen Druck auf den Pferdekopf ausüben.

Schrittweise Gewöhnung

Wenn Pferde in ihrer Futteraufnahme eingeschränkt werden, stößt das selten auf Begeisterung. Gerade in der Eingewöhnungsphase kommt es deshalb immer wieder zu Abwehrverhalten, Frustration und Resignation. Umso wichtiger ist die gewissenhafte Einführung des Maulkorbes. In seinem Leitfaden empfiehlt das National Equine Welfare Council die Gewöhnung an den neuen Ausrüstungsgegenstand in möglichst kleine Schritte zu zerlegen und diese mit einer positiven Erfahrung zu verknüpfen. Erwünschtes Verhalten sollte dabei sofort belohnt werden um dem Pferd eine Ahnung zu vermitteln, wie es sich mit dem Maulkorb am besten verhält.

Wie lange ein Pferd benötigt um sich an den Maulkorb zu gewöhnen hängt letztendlich von jeweiligen Tier und seinen bisherigen Erfahrung im Umgang mit neuen Situationen ab. Bei Anzeichen von Unbehagen, Stress oder Angst rät das NEWC, wieder einen Schritt zurückzugehen und sämtliche Phasen der Gewöhnung zu wiederholen, bis das Pferd den Regulator stressfrei annimmt.

Keine 24/7-Lösung

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Durch eine Fressbremse ist die Mimik des Pferds in der Maul- und Nüsternpartie für die anderen Herdenmitlgieder kaum oder gar nicht mehr zu erkennen - das kann unter Umständen zu Problemen führen. © Rita Kochmarjova - fotolia.com

Fressbremsen sind für den stundenweisen Einsatz gedacht und keinesfalls eine Dauerlösung. Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge sollten die Regulatoren nicht länger als 10 bis 12 Stunden am Stück getragen werden, damit die negativen Seiten am Ende nicht die positiven überwiegen. Vorsicht ist aber auch bei der Entfernung des Maulkorbes geboten: Ist der lästige Futterregulator erst einmal unten, versuchen viele Pferde die „verlorene Zeit“ durch besonders gieriges Fressen wieder aufzuholen. Ein eher karges Futterangebot in der maulkorblosen Zeit verhindert, dass die Pferde die mühevoll eingesparten Kalorien in Handumdrehen wieder rauffuttern.

CHECKLISTE

Diese Punkte sollten Sie beachten, bevor sie Ihr Pferd das erste Mal mit einer Fressbremse alleine lassen:

  • Haben Sie Ihr Pferd langsam und gründlich an den Maulkorb gewöhnt?
  • Kann Ihr Pferd mit dem Fressregulator immer noch Futter aufnehmen? Kann es uneingeschränkt trinken?
  • Verhält sich Ihr Pferd anders als sonst? Zeigt es mit dem Maulkorb Anzeichen von Stress oder Unbehagen? Falls ja, ist es noch nicht so weit, den Maulkorb ohne Ihr Beisein zu tragen.
  • Akzeptieren die anderen Herdenmitglieder Ihr Pferd auch mit dem fremdartigen Gegenstand an seinem Kopf?
  • Überprüfen Sie Futter- und Wassertröge. Gibt es scharfe Kanten oder hervorstehende Griffe, an denen Ihr Pferd mit dem Maulkorb hängen bleiben könnte?
  • Überprüfen Sie das Gewicht ihres Pferdes wöchentlich und den Body Condition Score zumindest alle zwei bis vier Wochen. Um gesundheitliche Probleme zu vermeiden, sollte Ihr Pferd pro Woche nicht mehr als 1 % seines Körpergewichtes verlieren. Regelmäßige Kontrollen bringen ans Licht, ob die Fressbremse für Ihr Pferd ein geeignetes Mittel zum Abspecken ist, oder nicht.

Langsame Gewöhnung, zufriedenes Pferd: NEWC Video zur richtigen Einführung eines Fressmaulkorbes