Gesundheit

Equines Cushing: Wie zuverlässig ist der ACTH-Wert für die Diagnose?

Ein Artikel von Pamela Sladky | 18.08.2020 - 12:54
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Bei der Cushing-Diagnose wird in der Regel der ACTH-Wert im Blut des Pferdes bestimmt. © www.slawik.com

Bei Equinem Cushing (ECS) spielen die Hormone im Pferdekörper verrückt. Durch eine Störung der Hirnanhangsdrüse kommt es zur vermehrten Ausschüttung verschiedener Botenstoffe, die den Stoffwechsel des Pferdes gehörig durcheinander bringen. Einer dieser Botenstoffe ist Adrenocorticotropin, auch adrenocotricotropes Hormon, kurz ACTH, genannt. ACTH kurbelt in der Nebennierenrinde die Freisetzung des Stresshormons Kortisol an, das seinerseits den Körper in Alarmbereitschaft versetzt und den Blutzuckerspiegel erhöht.

Seit einigen Jahren wird der ACTH-Wert als wichtiger Indikator für eine mögliche Cushing-Erkrankung herangezogen. Ist er deutlich erhöht, gilt es als wahrscheinlich, dass das Pferd unter ECS leidet. Doch es gibt auch andere Situationen, die zu einem Anstieg der ACTH-Konzentration im Blut führen. Stress ist so ein Faktor, aber auch Schmerzen können dazu führen, dass mehr Adrenocorticotropin durch die Blutbahnen schießt als gewöhnlich. In einer Studie haben Forscherinnen der Freien Universität Berlin nun untersucht, wie stark ein aktuelles Schmerzgeschehen eine korrekte Cushing-Diagnose mittels ACTH-Wert beeinflusst.


Kaum Unterschiede

Das vierköpfige Team untersuchte neun Pferde, die auf unterschiedliche Schmerzzustände behandelt wurden. Im schmerzfreien Zustand dienten die Pferde später als Kontrollgruppe.

Die Pferde wurden in drei Gruppen eingeteilt: Koliker, Hufrehe-Patienten und Pferde mit orthopädischen Problemen. Anhand einer Schmerzskala wurde die Schmerzintensität für jedes Tier bewertet.

Entgegen der allgemeinen Annahme konnten die Forscherinnen bei ihren Untersuchungen keine signifikanten Unterschiede in der ACTH-Konzentration zwischen Pferden mit und ohne Schmerzen sowie zwischen verschiedenen Schmerzintensitäten oder Krankheitsgruppen feststellen. Der ACTH-Wert scheint damit ein zuverlässiger Marker für eine mögliche Cushing-Erkrankung zu sein – solange diese nicht unter massiven Schmerzen leiden oder einen signifikant gestörten Allgemeinzustand aufweisen, so das vorsichtige Fazit der Studie.

Allerdings räumen die Forscherinnen ein, dass weitere Untersuchungen an einer größeren Anzahl von Pferden mit einheitlichen Schmerzmustern erforderlich seien, um sämtliche Faktoren, die die Stresshormone beeinflussen, noch genauer zu bestimmen.


Niedriger ACTH-Wert bei Hufrehe

Eine interessante Erkenntnis brachte die Studie bei der Untersuchung der Hufrehe-Patienten. Drei Pferde, die unter der entzündlichen Huferkrankung litten, wiesen während der Schmerzperioden einen niedrigeren ACTH-Wert auf als bei der Kontrolle im schmerzfreien Zustand. „Es ist möglich, dass eine länger andauernde Stimulation der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse zu einer Erschöpfung des Systems geführt hat, was sich in einer Abnahme der Stresshormone ausgewirkt hat", vermutet das Team um Univ.-Prof. Dr. Heidrun Gehlen von der Klinik für Pferde, Allgemeine Chirurgie und Radiologie an der FU Berlin.