GESETZESNOVELLE

Neufassung des Tierärztegesetzes: Was ändert sich für Tiertherapeut:innen?

Ein Artikel von Eva Schweiger | 10.06.2021 - 10:52
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Die Nachfrage nach physiotherapeutischen Behandlungen für Pferde ist groß.
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Wer Pferde in Österreich zum Beispiel physiotherapeutisch behandeln will, muss Tierarzt oder Tierärztin sein. Denn die Untersuchung und Behandlung von Tieren ist in Österreich streng geregelt: Das Tierärztegesetz stellt klar, dass verschiedene veterinärmedizinische Tätigkeiten wie die Diagnose von Krankheiten, Vorbeugungsmaßnahmen, Verordnung von Medikamenten, Besamungen etc. Tierärzt:innen vorbehalten sind. Damit ist auch ausgeschlossen, dass nicht veterinärmedizinisch ausgebildete Personen als Physiotherapeut:innen eigenständig an Tieren arbeiten. In Bezug auf die Tiermassage stellt das Bundesministerium für Wirtschaft aber beispielsweise fest, dass diese, solange sie ausschließlich zur Steigerung des Wohlbefindens angewandt wird, als freies Gewerbe nicht an den Nachweis einer gesetzlich vorgeschriebenen Ausbildung gebunden ist. Am gesunden Tier darf also gearbeitet werden, zu jedweder Behandlung von Krankheitsbildern an Tieren sind hingegen nur Veterinärmediziner:innen befugt.
 

Änderung des Tierärztegesetzes

Unter §15 (2) Ziff. 1 des geänderten Tierärztegesetzes gibt nun eine neue Formulierung zum Thema „Bedingungen der Berufsausübung und Zuziehung von Hilfspersonen“ Anlass zu Spekulation. Dort heißt es: „Im Einzelfall kann die Tierärztin oder der Tierarzt auch tierärztliche Tätigkeiten oder Teile solcher Tätigkeiten an besonders geschulte Hilfspersonen übertragen, sofern diese eine, von der Tierärztekammer durch Verordnung im übertragenen Wirkungsbereich (§ 13 Abs. 1 TÄKamG) anerkannte oder festgelegte Ausbildung über die entsprechende Schulung nachweisen können“. Diese Hilfsleistungen müssen dabei nach wie vor nach Anordnung und allenfalls unter Aufsicht der Veterinärmediziner:innen erbracht werden. Letztere tragen die Verantwortung für die Anordnung und die Durchführung und haben sicherzustellen, dass eine „nach Maßgabe des Schulungsnachweises allenfalls erforderliche Aufsicht“ erfolgt. Wie aus einem Erlass des Bundesministeriums an die Länder aus dem Jahr 2014 hervorgeht, bedeutet „Aufsicht“ hier jedoch nicht, dass die Tierärzt:innen permanent körperlich anwesend oder in der Nähe sein müssen. Vielmehr ist die erforderliche Intensität der Aufsicht differenziert nach Art der Tätigkeit sowie Ausbildung und Erfahrung der Hilfsperson zu beurteilen.
 

Neue Ausbildungen derzeit nicht in Sicht

Heißt das also, dass sich in Zukunft auch Nicht-Tierärzt:innen zu geschulten Hilfspersonen ausbilden lassen können werden? Die Festlegung und Anerkennung der Ausbildungen, die zur Schulung dieser Hilfspersonen dienen, obliegt laut Gesetzestext der Tierärztekammer. Wie sie in Zukunft von diesem Recht Gebrauch machen wird, ob also beispielsweise Ausbildungen in der Tierphysiotherapie für Laien angeboten werden, ist noch nicht abzusehen. Erst nach Inkrafttreten des neuen Tierärztegesetzes kann die dafür nötige Verordnung überhaupt erlassen werden.

Sicher ist, dass das Interesse an derartigen Schulungen groß wäre: Vor mittlerweile sieben Jahren kam in Österreich das Aus für sämtliche Ausbildungsangebote im Bereich der Tierphysiotherapie für „Laien“, also Nicht-Veterinär:innen. Die Stellungnahme der Tierärztekammer aus dem Jahr 2013 dazu: „Da bereits das Angebot einer Ausbildung zur tierphysiotherapeutischen Laienanwendung einen Verstoß gegen § 1 (1) Ziff. 9, (2) Ausbildungsvorbehaltsgesetz darstellt, bringt die Österreichische Tierärztekammer jeden Fall eines Ausbildungsangebotes für Laien ebenso ausnahmslos zur Anzeige wie den Versuch der Anwendung von Tierphysiotherapie ohne Anweisung und Anwesenheit eines Tierarztes.“ Nach einem Entscheid des OGH aus dem Jahr 2014 war schlussendlich klar: Physiotherapie für Tiere darf in Österreich nur Tierärzt:innen gelehrt werden. Das Ausbildungsvorbehaltsgesetz regelt außerdem, dass die Ausbildung in sämtlichen Tätigkeiten, die Veterinär:innen vorbehalten sind, nur an der Veterinärmedizinischen Universität Wien und nicht durch unbefugte Dritte erfolgen darf (§ 1 (1) Ziff. 9). Die Erweiterung der Möglichkeiten zur Ausbildung und Berufsausübung von Tiertherapeut:innen in Österreich ist daher auch mit der Neuerung des Tierärztegesetzes nicht unmittelbar in Sicht.

In einer früheren Version dieses Beitrag vom 10. Juni 2021 hatten wir dargestellt, dass nun eine Pferdephysiotherapie-Ausbildung ist Österreich außerhalb der Vetmeduni Wien angeboten werden darf. Dies verhält sich derzeit nicht so. Im Moment liegt ein Antrag der ARGE-Tierphysiotherapie Österreich bei der Österreichischen Tierärztekammer auf Anerkennung als Ausbildungsträger für „anerkannte fachliche Hilfesteller“ gemäß § 15 (2) Ziff. 1 TÄG im Bereich der Tiermassage vor. Es bleibt abzuwarten, ob diesem stattgegeben wird. Wir bedauern den Irrtum.

Gegendarstellung

Zur ursprünglichen Version unseres Beitrages vom 10. Juni 2021, veröffentlicht unter dem Titel „Pferde-Physiotherapie: Ab jetzt dürfen auch Nicht-Tiermediziner:innen behandeln“, begehrt die Österreichische Tierärztekammer folgende Gegendarstellung:

"Ihre Ausführungen, dass sich an dem Entscheid des OGH aus dem Jahr 2014, wonach die physiotherapeutische Behandlung von Tieren in Österreich nur TierärztInnen vorbehalten ist, etwas geändert hätte und nun die „Pferdephysiotherapie-Ausbildung endlich wieder angeboten werden“ könne, verstoßen gegen geltende Rechtsvorschriften.

Fakt ist, dass die Novelle des Tierärztegesetzes noch nicht in Kraft ist, da die Einspruchsfrist des Bundesrates und die Zustimmung der Länder noch abzuwarten sind. Formalrechtlich ist das Gesetz daher noch nicht beschlossen, es wird jedoch rückwirkend mit 1.6.2021 in Kraft treten. Zudem ist klarzustellen, dass sich an der bisherigen Rechtslage bezüglich der Hinzuziehung von Hilfspersonen bei der tierärztlichen Tätigkeit durch die Novelle des Tierärztegesetzes nichts ändern wird.

Geklärte Sachverhalte in der Novelle des Tierärztegesetzes

Im § 4 Abs 1 Tierärztegesetz NEU wird, so wie bisher auch geregelt, dass u.a. Untersuchung, Diagnose (neu im Gesetz klargestellt), Behandlung sowie veterinärmedizinische Vorbeugungsmaßnahmen gegen Erkrankungen von Tieren insbesondere Impfungen ausschließlich dem Tierarzt, der Tierärztin vorbehalten sind. Wie auch bisher kann sich der Tierarzt, die Tierärztin in der Ausübung seines Berufes dafür auch Hilfspersonen bedienen.

§ 15 Tierärztegesetz NEU regelt Bedingungen der Berufsausübung und Zuziehung von Hilfspersonen, Tierärztinnen und Tierärzte dürfen zur Mithilfe Hilfspersonen heranziehen, wenn diese nach genauen Anordnungen sowie unter ständiger Aufsicht und Anleitung des Tierarztes oder der Tierärztin handeln. Bei Hilfspersonen handelt es sich um bestimmte (namentlich bekannte) Personen, die anlässlich eines konkreten Einschreitens (fallbezogen) vom Tierarzt oder der Tierärztin herangezogen werden können.

Weiters kann der Tierarzt, die Tierärztin nach § 15 Abs. 2 Tierärztegesetz NEU tierärztliche Tätigkeiten oder Teile solcher Tätigkeiten an besonders geschulte Personen übertragen, sofern diese

1.)   eine von der Tierärztekammer durch Verordnung im übertragenen Wirkungsbereich (§ 13 Abs. 1 TÄKamG) anerkannte oder festgelegte Ausbildung über die entsprechende Schulung nachweisen können oder

2.)   Personen im Sinne von § 7 Abs. 3 Z 2 des Tierschutzgesetzes sind, die eine spezielle Schulung besitzen.

Um die Sachkunde solcher Hilfspersonen standardisieren zu können, erhält die Österreichische Tierärztekammer die Möglichkeit, im übertragenen Wirkungsbereich entsprechende Ausbildungen festzulegen. Da das Tierärztegesetz formal noch nicht in Kraft ist, ist jedoch auch eine derartige Verordnung derzeit nicht existent bzw. nicht in Vorbereitung.

Das Gesetz stellt weiters klar, dass auch diese Personen nach Anordnung und allenfalls unter Aufsicht der Tierärztin oder des Tierarztes zu handeln haben. Die Tierärztin oder der Tierarzt trägt die Verantwortung für die Anordnung sowie die Durchführung und hat sicherzustellen, dass eine nach Maßgabe des Schulungsnachweises allenfalls erforderliche Aufsicht erfolgt. Eine freie und selbstständige Behandlung am Tier durch einen Laien, der kein/e Tierarzt/Tierärztin ist, ist also auch weiterhin nicht möglich.

Zudem regelt das Ausbildungsvorbehaltsgesetz klar, dass Ausbildungen für Tätigkeiten die gemäß Tierärztegesetz dem Tierärztevorbehalt unterliegen, nur durch die Veterinärmedizinische Universität Wien erfolgen können, nicht jedoch durch unbefugte Dritte (siehe § 1 Abs 1 Z 9 Ausbildungsvorbehaltsgesetz). Der Versuch eine derartige Ausbildung anzubieten ist strafbar, dabei gilt auch Werbung als Versuch. Wer durch Handlungen oder Unterlassungen gegen § 1 Abs. 1 verstößt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 36.300 Euro zu bestrafen. Die Österreichische Tierärztekammer wird, wie in der Vergangenheit, auch weiterhin rechtliche Schritte gegen Anbieter derartiger Ausbildungen setzen.“

Zum Nachlesen

Änderung des Tierärztegesetzes: www.parlament.gv.at

ARGE Physiotherapie: www.arge-tierphysiotherapie.at