Gesundheit

Wurmresistenzen zunehmend ernste Bedrohung für die Pferdegesundheit

Ein Artikel von Pamela Sladky | 17.03.2022 - 19:12
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Die stetig steigende Resistenzentwicklung der Pferdeparasiten stellt die Pharmakologie vor ein ernstes Problem, denn neue synthetische Wirkstoffe sind derzeit nicht in Sicht. © www.slawik.com

Chemische Entwurmungsmittel gibt es erst seit knapp sechs Jahrzehnten, doch bereits in dieser relativ kurzen Zeit haben die Parasiten eine beachtliche Widerstandsfähigkeit gegen die verschiedenen Wirkstoffe entwickelt. Das liegt zum einen an dem häufig zu sorglosen Umgang mit den Präparaten, etwa einer falschen, meist ungenügenden Dosierung – vor allem aber auch an deren rigorosem Einsatz.

Seit mit der Einführung des Wirkstoffes Benzimidazol in den 1960er Jahren eine regelmäßige Entwurmung im Abstand von jeweils zwei Monaten empfohlen wurde, hat sich eine Art „prophylaktische“ Entwurmung etabliert, die auch heute noch bei einem Großteil der Pferde durchgeführt wird. Entwurmt wird nach wie vor nicht nach Bedarf, sondern systematisch. Die Häufigkeit, mit der Einzeltiere bzw. ganze Pferdebestände auf diese Weise quasi vorsorglich entwurmt werden, variiert in der Regel von zwei- bis sechsmal jährlich und beruht in vielen Fällen auf den persönlichen Vorlieben des Stallbetreibers. Eine vorherige diagnostische Untersuchung, die den Ist-Stand des individuellen Wurmbefalls erhebt, bleibt dabei meist ebenso aus wie eine anschließende Effizienzüberprüfung.

Die Folge: Weil viel zu häufig entwurmt wird, obwohl gar keine Notwendigkeit dazu besteht, haben sich unter den Darmparasiten zunehmend Resistenzen gebildet. Waren es bis vor einigen Jahren hauptsächlich Anti-Wurm-Präparate der Benzimidazol-Gruppe betroffen, sind mittlerweile alle Wirkstoffklassen von zunehmender Resistenzbildung betroffen. Diese Entwicklung stellt die Pharmakologie vor ein ernstes Problem, denn neue synthetische Wirkstoffe sind derzeit nicht in Sicht. Und sie bereitet Veterinären zunehmend Sorgen, wie sich anlässlich des 30. National Equine Forums in London zeigte.


Radikale Auswirkungen erwartet

„Wenn Anthelminthika weiterhin wahllos und unkontrolliert verabreicht werden, wird das unweigerlich zu kritischen Gesundheitsproblemen führen“, mahnte etwa Dr. Claire Stratford, Verantwortliche für die Anthelmintika-Richtlinie des Veterinary Medicines Directorate (VMD). „Es gibt keinen Anlass zur Panik, aber es ist eine echte Bedrohung für alle unsere Pferde und erfordert dringend kollektive Aufmerksamkeit“, so Stratford.

Schon jetzt gebe es Fälle, in denen Weideflächen für Pferde unbrauchbar seien, weil sie mit arzneimittelresistenten Parasiten kontaminiert sind. „Dieses Problem wird radikale Auswirkungen auf unsere Branche haben, und zwar in Jahren, nicht erst in Jahrzehnten“, ist David Rendle, Präsident der britischen Tierärztevereinigung, überzeugt. Für Rendle, Stratford und ihre Kolleg:innen braucht es jetzt vor allem eines: Einen raschen einheitlichen und branchenübergreifenden Ansatz, um ein Fortschreiten der Resistenzen einzudämmen.


Wurmpaste nur noch gegen Befund

Doch wie könnte ein solcher Ansatz aussehen? Diskutiert wird derzeit, die Verfügbarkeit von Entwurmungspräparaten erheblich einzuschränken. Wurmkuren könnten dann nur noch gegen Vorlage eines entsprechenden Kotbefundes ausgehändigt werden. Zumindest bei Veterinär:innen findet dieser Vorschlag breite Zustimmung. In einer Befragung unter britischen Tierärzten gaben 90 % der Teilnehmer:innen an, davon überzeugt zu sein, dass eine solche Maßnahme wesentlich dazu beitragen könnte, das Wohl der Pferde langfristig zu verbessern. Auch Rendle befürwortet sie. 20 Jahre Forschung und Aufklärung hätten bislang nur ungenügende Veränderungen in der allgemeinen Wurmbekämpfungsstrategie bewirken können. Viele Pferdebesitzer:innen würden aus Gründen der Bequemlichkeit und der Kostenersparnis nach wie vor lieber zur Wurmpaste greifen als Kotproben ihres Pferdes untersuchen zu lassen.

Untermauert wird diese Annahme durch aktuelle Zahlen aus Großbritannien. Im vergangenen Jahr wurden im Vereinigten Königreich rund 120.000 Kotanalysen durchgeführt, gleichzeitig aber 1,13 Millionen Dosen Entwurmungsmittel verkauft. Auf jede Kotanalyse kommen elf verabreichte Wurmpasten anstelle von durchschnittlich etwa vier Tests pro Entwurmungsmittel, wenn ein gezielter Ansatz – wie das bei der „Zeitgemäßen Entwurmung“ der Fall ist – verfolgt werden würde. „Das läuft definitiv falsch herum“, so Rendle.

Fakt ist: Pferde brauchen ein gutes Parasitenmanagement um gesund und leistungsbereit zu bleiben. Sollen auch noch zukünftigen Pferdegenerationen wirkungsvolle Präparate zur Verfügung stehen, wird es ein Umdenken im Umgang mit Wurmkuren geben müssen. Je eher, desto besser.