Haltung

Giftiges Gras: Jetzt ist besondere Vorsicht geboten

Ein Artikel von Sven und Peggy Morell, Pamela Sladky | 27.09.2018 - 10:15
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Pilze helfen Gräsern bei Trockenheit und starker Abnutzung durch Weidetiere. Für Letztere, und damit auch für Pferde, sind sie giftig.

Giftpflanzen haben auf Pferdeweiden nichts verloren, das ist klar. Allerdings lauert mitunter auch im Gras selbst eine Gefahr für unsere Pferde. Gemeint ist damit nicht etwa ein zu hoher Eiweiß- oder Zuckergehalt, der den Stoffwechsel der Tiere belastet. Nein, die Gräser selbst enthalten giftige Substanzen. Sie gehen mit Pilzen eine Symbiose ein, das heißt: sowohl die Pflanze als auch die Pilze profitieren von dem Zusammenschluss. Während die giftigen Stoffwechselprodukte der Pilze die Pflanze vor Überweidung, Dürre oder Parasiten schützen, sorgt im Gegenzug die Pflanze für die Ernährung und Verbreitung der Pilze – sozusagen eine Win-win-Situation für beide. Allerdings geht das lohnende Gegengeschäft auf Kosten einer dritten Partei: der der Weidetiere.

Pferde sind besonders empfindlich

Vergiftungen von Weidetieren beispielsweise durch Lolitrem B und dem Mutterkorn-Alkaloid Ergovalin sind in den USA, Neuseeland und Australien schon lange bekannt. Für unsere Pferde kann der Zusammenschluss zwischen Pilz und Pflanze ebenfalls gefährlich werden, weiß Johannes Reinholz, der an der Universität Paderborn eine Doktorarbeit zu diesem Thema verfasst hat: „Die Ergebnisse der Freilandversuche zeigten, dass es in Deutschland zum Auftreten der Weidetiererkrankung ,ryegrass staggers‘ kommen kann. Die Lolitrem-B-Gehalte einzelner Parzellen lagen oberhalb der toxischen Dosis von 2000 μg/kg“.

Ryegrass staggers, auch bekannt als Weidegras-Taumelkrankheit, ist nur eine der Krankheiten, die durch giftiges Gras hervorgerufen werden kann. Bemerkbar macht sie sich unter anderem durch Nervenstörungen, unablässiges Kopfschütteln bis hin zu schweren Lähmungserscheinungen und Koliken. Daneben macht sensiblen Pferden auch das Equine Schwingelödem zu schaffen, das von Schwingel und Weidelgras ausgelöst wird. Betroffene Tiere leiden unter Schwellungen im Kopfbereich, vor allem an Lippen, Maul, Augenlidern und der Ohrspeicheldrüse, aber auch am Hals und in der Unterbauchregion. Angelaufene Beine und Hautentzündungen weisen wiederum auf eine Trifoliose, eine Vergiftung durch Klee hin.  

Hochleistungsgräser im Visier

Renate Vanselow, Diplom-Biologin aus Schleswig-Holstein, warnt seit Jahren vor dem Problem toxischer Gräser. Besonders die sogenannten Hochleistungsgräser, also Sorten, die eigentlich für die Weidehaltung von Milchkühen gezüchtet wurden, seien problematisch, so die Fachbuchautorin. Stress – wie beispielsweise Überweidung, aber auch üppige Düngung – verstärkt das Problem.

Die häufige Empfehlung, Hochleistungsgräser wie das Deutsches Weidelgras von Weiden und Futterwiesen gänzlich zu verbannen, ist in der Praxis kaum durchführbar. Selbst wer weidelgrasfreies Saatgut verwendet wird seine Weide kaum frei von Weidelgras halten können. Dazu ist es zu gut an die Grünlandnutzung angepasst.

Dem Pferdehalter bleibt damit eigentlich nur, die Weidepflege so weit wie möglich dahingehend zu gestalten, dass Pflanzen-Stress gar nicht erst aufkommt. Das bedeutet eine Überweidung zu vermeiden, dem Grün rechtzeitig ausreichende Erholungspausen zu bieten und für eine ausgewogene Düngung zu sorgen.

Gleichzeitig sollte man die Augen für ungewöhnliche Symptome seines Pferdes offenhalten, ausreichend Heu füttern und die Weidezeit gegebenenfalls verkürzen. Letzteres gilt vor allem für die sensible Zeit, zu der insbesondere der frühe Herbst zählt. Denn Gräsergifte wie Lolitrem B und Loline haben gerade im September und Oktober wieder Hochkonjunktur.