Haltung

Pferdefütterung in Stehzeiten: Worauf es jetzt ankommt

Ein Artikel von Pamela Sladky | 27.03.2020 - 10:42
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In Stehzeiten muss auch die Fütterung angepasst werden. © www.Slawik.com

Die Corona-Pandemie hat die Welt fest im Griff, kein Lebensbereich bleibt von der aktuellen Situation unberührt. Auch der Alltag auf den Reiterhöfen ist heute ein anderer als noch vor ein paar Wochen. In vielen Ländern wurden Ausgangsbeschränkungen verhängt, Besuche im Stall müssen reduziert, das Training wegen der erhöhten Unfallgefahr auf ein Minimum heruntergefahren werden. In manchen Pferdebetrieben und Regionen dürfen die Reiter*innen gar nicht mehr zu ihrem Pferd. Wie lange dieser Zustand andauern wird, kann heute noch niemand abschätzen.

Die derzeitige Situation geht auch an den Vierbeinern nicht spurlos vorüber. Wird nicht mehr trainiert, ausgeritten und longiert, hat das deutliche Auswirkungen auf den gesamten Stoffwechsel. Mit vermehrtem Koppelgang lässt sich der Bewegungsrückgang nur teilweise ausgleichen. Wichtig ist deshalb eine bedarfsgerechte Anpassung der Fütterung. In welchem Umfang man hier eingreifen muss, hängt laut Fütterungsexpertin Conny Röhm stark von der Haltungsform ab. Sie sieht Bewohner einer guten Offenstallhaltung ganz klar im Vorteil. „Je mehr sich die Pferde von sich aus bewegen, desto geringer sind die Auswirkungen, wenn das Training vorübergehend reduziert oder eingestellt wird.“ Anders sieht die Sache da schon bei Boxenpferden aus. „Wenn ein Pferd vornehmlich in der Box steht, muss man das auf jeden Fall auch bei der Fütterung berücksichtigen.
 

Kraftfutter reduzieren

Wo weniger Energie verbraucht wird, sollte auch weniger Energie zugeführt werden. „Am Besten über eine Anpassung des Kraftfutters“, empfiehlt Conny Röhm. Hafer, Gerste und Co sollten jetzt eher nicht in den Trog. Aber auch bei getreidefreiem Kraftfutter sollte man die Ration überdenken. „Nur weil auf der Packung getreidefrei steht, heißt das noch lange nicht, dass das Futter auch energiearm ist“, erklärt die Expertin. Ob man Kraftfutter zur Gänze streichen kann, hängt zum einen vom individuellen Bedarf des Pferdes ab, zum anderen vom Energiegehalt des Heus. Generell gilt: „Beim pummeligen Haflinger oder Noriker ist es sicherlich kein Problem, das Kraftfutter einfach wegzulassen. Bei großen Warmblutpferden und Vollblütern hingegen kann es durchaus sein, dass Kraftfutter für den Erhaltungsbedarf benötigt wird.“ Mineralfutter ist selbstverständlich auch weiterhin sinnvoll.
 

Koliken vorbeugen

Tägliches Training bringt nicht nur den Kreislauf in Schwung, es hält auch die Verdauung auf Trab. Verringert sich das Maß an Bewegung, steigt die Kolikgefahr. Die wichtigste Maßnahme, um den gefährlichen Bauchschmerz beim Pferd zu verhindern ist so simpel wie effizient: „Sorgen Sie dafür, dass die Pferde ausreichend gutes Heu zur Verfügung haben“, rät Conny Röhm. Der Rohfaseranteil im Heu hält den Nahrungsbrei locker, was dazu führt, dass er gut durch den Darm rutscht. Außerdem verhindert eine ausgewogene Haufütterung Hunger und Langeweile – beides Motivatoren, die ein Pferd dazu bewegen, sich an seiner Stroheinstreu zu schaffen zu machen. Der Mix aus reduzierter Bewegung und gesteigerter Strohaufnahme ist gerade bei Pferden, die regelmäßigen Sport gewöhnt sind, hochexplosiv. „Das Risiko einer Verstopfungskolik steigt unter diesen Voraussetzungen enorm“, so Röhm.

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Eine vermehrte Strohaufnahme erhöht das Risiko von Verstopfungskoliken.
© www.Slawik.com

Neigt ein Pferd generell zum Aufgasen oder hat es eine Historie mit Verstopfungskoliken, kann eine tägliche Mashfütterung helfen. „Bei Pferden die viel stehen ist eine kleine Portion bestehend aus 200g Weizenkleie, 80g Leinsaat und 40ml Öl täglich möglich“, sagt Conny Röhm. Allerdings dürfe man den Energiegehalt des Diätfutters nicht unterschätzen, warnt die Fütterungsspezialistin. Insbesondere bei leichtfuttrigen und übergewichtigen Pferden kann – allerdings nur nach Absprache mit dem behandelnden Tierarzt – Paraffinöl gute Dienste leisten. „Paraffinöl wird nicht verdaut, es marschiert einfach durch das Pferd durch ohne zusätzliche Energie bereitzustellen, hält gleichzeitig aber den Verdauungsbrei schleimig und hilft so, eine Anschoppung im Verdauungstrakt zu verhindern.“


Muskelabbau lässt sich nicht wegfüttern

Eine große Sorge der Pferdebesitzer*innen gilt dem Thema Muskelabbau. „Der wird sich nicht verhindern lassen, wenn die Pferde von heute auf morgen weniger gearbeitet werden. Auch nicht über die Fütterung“, stellt Conny Röhm klar. Vor allem Sportpferde würden bei verringertem Training zwangsläufig ganz massiv an Muskelmasse verlieren. Grundverkehrt wäre es jetzt, durch zusätzliches Futter gegensteuern zu wollen. „Natürlich muss das Pferd weiterhin genügend Eiweiß zur Verfügung haben, aber eben nur so viel, wie es auch tatsächlich benötigt. Davon abgesehen sollte jedem klar sein, dass sich Muskeln nicht anfüttern lassen.“ Eine Versorgung über den tatsächlichen Bedarf hinaus würde letztlich nur dazu führen, dass die Pferde vermehrt Fett einlagern. „Dann bleiben sie zwar optisch schön rund, sobald die Pferde aber aufs Gras kommen, erhöht sich auch das Hufrehe-Risiko drastisch – auch bei Sportpferden, für die die Stoffwechselerkrankung sonst eigentlich kein Thema ist.“ Röhm rät den Pferdebesitzern, sich hier nicht verrückt zu machen. „Die Muskeln sind ja weiterhin noch da, sie werden nur flacher. Nach Corona kommt das alles wieder.“

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© Eliane Reichelt

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Fressen gegen Langeweile, Kräuter für mehr Ruhe

Häusliche Quarantäne sorgt bei vielen für gähnende Langeweile. Auch der Großteil der Pferde muss jetzt auf Entertainment durch seine Besitzer*innen verzichten. Die beste Strategie gegen tierische Fadesse ist die kontinuierliche Nahrungsaufnahme. Engmaschige Heunetze und andere Slow-Feeding-Systeme leisten hier gute Dienste. Sie halten die Pferde länger beschäftigt, ohne dass sie Gefahr laufen, ungesunde Extra-Pfunde zuzulegen.

Vierbeinern, die in der jetzigen Situation zu Stress neigen, kann man mit speziellen Futterzusätzen helfen. „Es gibt Kräutermischungen, die sehr potent sind und durchaus mehr Ruhe ins Pferd bringen“, bestätigt Conny Röhm. Baldrian, Hopfen, Melisse und Eisenkraut gehören zu den bekanntesten Vertretern unter den natürlichen Beruhigungsmitteln. In der Regel werden sie von Pferden gut vertragen. Was man allerdings bedenken sollte: Auch Kräuter sind nicht frei von Nebenwirkungen. „Man verlangsamt damit den gesamten Stroffwechsel, was gerade in der Stehhaltung auch negative Folgen haben kann. Hier muss man Für und Wider gut abwägen“, rät Röhm.

Auch dem Mineralstoff Magnesium wird eine entspannende Wirkung bei Pferden nachgesagt. „Magnesium wirkt aber nur dann, wenn das Pferd einen Mangel hat“, betont sie. Ein weiteres verbreitetes Beruhigungsmittel ist Tryptophan. Die Aminosäure ist Bestandteil vieler Ergänzungsfuttermittel, die für Entspannung sorgen sollen, ihr Einsatz ist nicht unumstritten. „Tryptophan kann wirken, wirkt aber nicht bei allen Rassen. Hier scheint es rassegenetische Varianten zu geben.“ Wer sich für eine Fütterung der Aminosäure entscheidet, sollte wissen, dass sie in hoher Dosierung nicht nur beruhigend wirkt. „Auch das Lernverhalten wird davon negativ beeinflusst“, weiß Conny Röhm.


Betreuungszeiten bestmöglich nutzen

Wer nach wie vor Zugang zu seinem Pferd hat, sollte das Maximum aus der gemeinsamen Zeit herausholen. „Jetzt geht es vor allem darum, die Pferde bei Laune zu halten und ihren Kopf zu beschäftigen. Und wenn die Möglichkeit zu Bewegung gegeben ist, dann sollte man sein Pferd auch wirklich arbeiten lassen, damit es in die Tiefe atmen und sein gesamtes Bewegungspotenzial ausschöpfen kann.“ Für Reiter heißt es in dieser Situation, flexibel zu bleiben, offen zu sein für neue Ideen und Vorgehensweisen und nicht stur an gewohnten Trainingsmustern festzuhalten. Und sich in jeder Situation an die behördlichen Vorgaben zu halten „damit die derzeitigen Beschränkungen so schnell wie möglich aufgehoben werden können und wir alle wieder zu unseren Pferden dürfen wie gewohnt“, appelliert Conny Röhm.