ZUCHT UND SPORT

Sommerfell im Winter, Tragzeit nach Wunsch: Lichttherapie in Pferdezucht und -sport

Ein Artikel von Eva Schweiger | 24.09.2021 - 16:09
stallgasse6191_ba.jpg

Die Länge der täglichen Lichteinstrahlung - ob im Freien oder im Stall - beeinflusst den Hormonhaushalt von Pferden (Symbolfoto). © www.slawik.com

Statt sein Sportpferd im Winter zu scheren, könnte man es doch einfach dazu bringen, sein Sommerfell früher wachsen zu lassen. Um den optimalen Geburtszeitraum für ein Fohlen zu erreichen, lässt sich die Tragzeit der Zuchtstute ganz einfach um die gewünschte Zeitspanne verkürzen. Damit in der kalten Jahreszeit keine Müdigkeit beim Turnier aufkommt, warum nicht einfach den Sommer simulieren?

Was nach Science Fiction klingt, ist bereits Realität. Mit sogenannten Lichtmasken kann man Pferden zu jeder Jahreszeit genügend Lichteinstrahlung zuführen, um ihren Hormonhaushalt zu beeinflussen und zum Beispiel die fruchtbare Phase von Zuchtstuten in den frühen Frühling vorzuverlegen.

Eine brandneue Studie unter Federführung des Graf Lehndorff Instituts für Pferdewissenschaften der Vetmeduni Wien (Lutzer A. et al: Effects of blue monochromatic light directed at one eye of pregnant horse mares on gestation, parturition and foal maturity, Domestic Animal Endocrinology 78 (2022)) hat bestätigt, dass die simple Bestrahlung eines Auges mit einer blauen LED-Leuchte über eine bestimmte Zeitdauer jeden Tag die gewünschten hormonellen Veränderungen herbeiführt.

 

IMG_0012_c-C. Aurich, Vetmeduni Wien.jpeg

Die Lichtmaske bestrahlt ein Auge mit blauem LED-Licht. © C. Aurich, Vetmeduni Wien

Geburtstermin nach Wunsch

Beim Pferd sind Fortpflanzungs- und Aktivitätsphasen von Natur aus an die Jahreszeiten angepasst. Verantwortlich für diesen automatischen Mechanismus sind verschiedene Hormone, die je nach Tageslänge ausgeschüttet werden und den natürlichen Rhythmus regeln. Melatonin zum Beispiel wird in der Nacht, also in Abwesenheit von Tageslicht, produziert und sorgt für den Ruhemodus des Körpers. Es verhindert auch das Ausfallen des Winterfells und verlängert die Trächtigkeit bei Stuten.

In der Studie der Forschungsgruppe um Tierärztin Anne Lutzer und die Leiterin des Graf Lehndorff Instituts Univ. Prof. Dr. Christine Aurich wurden 20 trächtige Warmblutstuten über zwei Zuchtsaisonen hinweg mit Lichtmasken ausgestattet. Diese bestrahlten ab Anfang Dezember ein Auge täglich von 8 bis 23 Uhr mit blauem LED-Licht geringer Intensität. In einem Zuchtjahr wurde die Tageslichtdauer so künstlich verlängert, im anderen trugen die Stuten zum Vergleich keine Lichtmasken.

Es zeigte sich: Die bestrahlten Stuten brachten ihre Fohlen um durchschnittlich fünf Tage früher zur Welt, die Fohlen waren kleiner, wogen aber gleich viel. Interessant auch: Sowohl Stuten als auch Fohlen in der bestrahlten Gruppe wiesen verringertes Haarwachstum auf. Die Fohlen wurden mit kürzerem Fell geboren. Über welchen Mechanismus das ungeborene Fohlen im Mutterleib allerdings von der veränderten Lichtsituation in der Außenwelt „Wind bekommt“, ist den Studienautor:innen noch nicht eindeutig klar. Dass der Melatoninspiegel der Stute auch den Fötus beeinflusst, kann jedoch angenommen werden

sha_tin_1007211.jpg

Ganzjährig hohe Leistung bringen Pferde leichter, wenn sie im "Sommermodus" bleiben. © www.slawik.com

Künstliches Licht für höchste Leistung

Die Lichtmasken haben also einen eindeutigen Effekt auf die Trächtigkeit von Stuten und die Entwicklung ihrer Fohlen. Der Vorteil der Masken, heißt es auch auf der Website des Herstellers Equilume LTD aus Kildare, Irland, wird zum Beispiel darin gesehen, dass sie individuell für bestimmte Stuten eingesetzt werden können, anstatt wie bisher einen ganzen Stall künstlich zu beleuchten. So müssten die Zuchtstuten nicht so viel Zeit im Stall verbringen, sondern könnten sogar in Offenställen gehalten werden.

Als weiterer Einsatzbereich neben der Pferdezucht wird der Sport genannt. In der oben erwähnten Studie konnte gezeigt werden, dass das Fell an geschorenen Körperstellen der Stuten, die mit Licht behandelt wurden, langsamer nachwuchs. Schon in früheren Studien hatte man herausgefunden, dass der Fellwechsel im Frühling durch eine im Spätherbst begonnene Lichtbehandlung früher eintritt. Auf der Website von Equilume heißt es, dass Pferde durch Lichtbehandlung für 16 Stunden täglich über acht Wochen ihr Winterfell verlieren. Dieses Lichtregime müsse dann für den Erhalt des Sommerfells beibehalten werden. Möchte man den Herbstfellwechsel verzögern, wird der Einsatz der Lichtmaske ab Mitte Juli empfohlen.

Aber nicht nur das Fell, sondern auch die Leistung ändert sich im Winterhalbjahr: Bei Renn- und Sportpferden kann eine starke Performance auch in der kalten Jahreszeit erhalten bleiben, wenn sie ausreichend Licht ausgesetzt werden. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass jedes Pferd mindestens sechs bis acht Wochen Pause von der Lichtbehandlung pro Jahr bekommen sollte, um seinen inneren Rhythmus wieder an die Jahreszeit anzupassen.

Stuten mit Masken im Laufstallc-C. Aurich, Vetmeduni Wien.JPEG

Ob mit Lichtmaske (wie hier die Test-Stutengruppe für die Studie der Vetmeduni Wien) oder ohne - in einem natürlichen saisonalen Rhythmus leben die wenigsten unserer Pferde. © C. Aurich, Vetmeduni Wien

Folgen für Körper und Psyche?

Fast das ganze Jahr über unter künstlichen „sommerlichen“ Verhältnissen zu leben – kann das gesund sein? „Tatsächlich ist es ja so, dass bei unseren Hauspferden ein nicht unerheblicher Teil der Stuten keine Winterpause im Fortpflanzungsgeschehen mehr zeigt“, erklärt Univ. Prof. Dr. Christine Aurich. „So ist in unseren Breitengraden zwar bei Stuten der Ponyrassen, die im Winter draußen gehalten werden, eine Winterpause häufig vorhanden, bei Stuten, die im Stall gehalten werden und dort normal gefüttert werden, zeigen aber 50 % und mehr im Winter durchgehend fruchtbare Zyklen.“

Unsere Pferde leben also zum Großteil auch ohne Lichtbehandlung nicht nach demselben saisonalen Rhythmus, dem ihre wilden Verwandten und Vorfahren unterworfen waren. Die ganzjährig gute Futterversorgung und die wegfallenden winterlichen Strapazen machen (potenzielle) Fortpflanzung ganzjährig möglich. „Das hat keine negativen Auswirkungen auf ihre Gesundheit und Psyche“, ist Univ. Prof. Dr. Christine Aurich überzeugt. „Es gibt übrigens beim Englischen Vollblut auch Deckhengste, die nach der Zuchtsaison auf der Nordhalbkugel auf die Südhalbkugel (z. B. nach Südamerika oder Australien) wechseln, und dort gleich anschließend die nächste Zuchtsaison ohne Pause absolvieren, eventuell für viele Jahre nacheinander. Auch hier konnten bislang keine negativen Auswirkungen auf Gesundheit, Fruchtbarkeit und Tierwohl beobachtet werden.“

Fakt ist, dass nicht nur die Pferde, sondern auch wir Menschen selbst, unsere Haustiere, Nutztiere und in zunehmendem Maße auch Wildtiere ein immer weniger naturnahes Leben führen. Was das auf Dauer bedeuten mag, gilt es erst herauszufinden.