Studie

Gruppenhaltung und große Auslaufflächen fördern die Fähigkeit der Pferde den Menschen besser zu verstehen

Ein Artikel von Redaktion | 27.04.2023 - 12:08
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Die artgerechte Haltung von Pferden wirkt sich positiv auf die Interaktion mit dem Menschen aus.
© www.slawik.com

Die Ergebnisse der Studie, die in der Zeitschrift Animal Cognition veröffentlich wurde, weisen auch darauf hin, dass es keinen großen Unterschied macht, ob die Pferde mit der Person, die die Hinweise liefert, vertraut sind, oder nicht.


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Menschen arbeiten seit Tausenden von Jahren mit Tieren zusammen. Wie gut die Kommunikation zwischen beiden Spezies funktioniert, hängt zu einem großen Teil von der Fähigkeit des Tieres ab, die Hinweise des Menschen zu verstehen. Eine zentrale Rolle spielen hierbei körpersprachliche Hinweise in Form von Gesten, wie etwa das manuelle Zeigen. Wenn es darum geht herauszufinden, wie gut Tiere Hinweise von Menschen verstehen, wird deshalb meist auf Tests zurückgegriffen, bei der eine Person auf ein Objekt zeigt, in dem Futter versteckt ist. Das Versuchstier soll dann dem Hinweis des Menschen folgen, um das futterliefernde Objekt unter mehreren optisch identen aber leeren richtig zu identifizieren.

In den vielen Versuchen, die bislang mit unterschiedlichsten Säugetieren durchgeführt wurden, sind Hunde klar die Spitzenreiter im Deuten menschlicher Gesten. Die Ergebnisse bei Pferden brachten bislang hingegen gemischte Ergebnisse. Woran das liegen könnte, hat nun ein Team finnischer Forscher:innen versucht herauszufinden. Ihre Vermutung: Externe Faktoren wie das Alter des Pferdes, die Vertrautheit mit dem Menschen, aber auch die Haltung des Pferdes könnten maßgeblichen Einfluss auf das erfolgreiche Abschneiden eines Pferdes in einem solchen Test haben.


Haltung beeinflusst Erfolgsquote maßgeblich

In freier Wildbahn leben Pferde in komplexen sozialen Gruppen und legen auf der Suche nach Nahrung täglich durchschnittlich zwischen 9 und 16 km zurück. Hauspferde werden trotz des zunehmenden Trends zur Gruppenauslaufhaltung immer noch vielfach in Einzelboxen gehalten, mal mit weniger, mal mit mehr Auslauf, entweder allein oder in (Kleinst-)Gruppen.

Dass sich regelmäßiger Auslauf mit Artgenossen nicht nur positiv auf die Gesundheit auswirkt, sondern auch das Verhältnis zum Menschen günstig beeinflusst, ist wissenschaftlich belegt. So zeigte etwa die Arbeit von Lansade et al., dass Pferde in Gruppenauslaufhaltung Menschen gegenüber eine positivere Einstellung haben (weniger Aggressionsbekundungen) als Pferde in Einzelboxenhaltung.

 „Deshalb wollten wir untersuchen, ob die soziale und physische Umgebung von Pferden ihre Reaktionsfähigkeit auf menschliche Anzeichen beeinflusst“, so Studienautorin Océane Liehrmann vom Fachbereich Biologie der Universität Turku in Finnland.

Dazu beobachtete und analysierte das internationale Forschungsteam die Reaktion von Pferden auf menschliche Signale im Kontext ihrer Lebensumstände. Außerdem wurde untersucht, ob das Pferd anders reagierte, wenn die Hinweise von seinem vertrauten Besitzer oder einem Fremden gegeben wurden.

Die Forscher:innen rekrutierten 57 private Freizeitpferde aus der Region Turku, um die Verhaltenstests durchzuführen. Im Experiment stand der Mensch zwischen zwei Eimern, wovon einer ein Stück Karotte enthielt. Mit Blicken und per Handsignal wurde dem Pferd dann angezeigt, wo sich die Leckerei befand. Danach durfte sich das Pferd frei für einen der beiden Eimer entscheiden. Folgte es dem Hinweis des Menschen und näherte es sich dem richtigen Behälter, wurde der Deckel geöffnet und das Pferd durfte die Karotte fressen. Andernfalls ging es leer aus. Zehnmal wurde das Experiment pro Pferd durchgeführt, wobei die Forscher:innen analysierten, wie oft die Pferde dem Hinweis des Menschen folgten.

Bei der Auswertung der Daten zeigte sich, dass nicht nur die Lebenserfahrung den Erfolg der Übung maßgeblich beeinflusste (die Erfolgsrate stieg von 47 % bei einjährigen Pferden auf 86 % bei 26 jährigen und älteren Tieren), sondern auch die äußeren Lebensumstände. So folgten Pferde aus Gruppenhaltung den Gesten des Menschen signifikant häufiger (knapp 30 % öfter) als Pferde, die vorwiegend alleine oder mit einem zweiten Pferd zusammen lebten. Und auch großzügige Auslaufflächen begünstigten den Erfolg (79 %), wohingegen Pferde mit wenig Raum zur freien Bewegung deutlich schlechter abschnitten (64 %).

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Um an die Karotte zu gelangen, mussten die Pferde in der Studie den Hinweisen des Menschen folgen. © Océane Liehrmann et al. 2023

Gruppenhaltung verbessert sozial-kognitive Fähigkeiten

In der Studie wurden die Pferde, die auf größeren Weiden lebten, auch in größeren Gruppen gehalten, während die Mehrzahl der Pferde, denen nur kleine Flächen zur freien Bewegung zur Verfügung standen, diese meist für sich allein hatten oder nur mit einem anderen Pferd teilten. Daher sei es schwierig festzustellen, ob die soziale Benachteiligung oder der Mangel an Raum die Ergebnisse stärker beeinflusste. „Dennoch beziehen sich beide Faktoren auf die Qualität des Lebensumfelds der Pferde und können ihr potenzielles Wohlbefinden widerspiegeln“, so Liehrmann.

„Hauspferde, die in größeren Gruppen leben, können von einer stärkeren kognitiven Stimulation profitieren. In der Tat fördert die Möglichkeit, mit verschiedenen Individuen zu interagieren, komplexe soziale Situationen, aus denen die Pferde lernen und ihre sozial-kognitiven Fähigkeiten verbessern können. Das könnte auch erklären, warum in Gruppen lebende Pferde bei der Aufgabe, bei der es um die Kommunikation mit dem Menschen ging, besser abschnitten“, sagt Liehrmann.

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Pferde aus Gruppenhaltung hatten mit 81 % eine deutlich höhere Erfolsquote im Test als alleine (64 %) oder paarweise (57 %) gehaltene Pferde. © www.Slawik.com

Während die soziale Situation und das Alter der Pferde also maßgeblichen Einfluss auf die Erfolgsquote im Test hatten, schien die Tatsache, ob es sich beim Menschen um eine vertraute Person handelte oder nicht, keine große Rolle zu spielen. Ein Ergebnis, dass die Forschenden durchaus überraschte, denn frühere Experimente mit denselben Pferden hatten gezeigt, dass die Vertrautheit mit dem Menschen das Verhalten des Pferdes in neuartigen Situationen deutlich beeinflusst.

„Unsere Hypothese ist, dass der Kontext eine Rolle spielen könnte, wenn wir den Effekt menschlicher Vertrautheit auf Mensch-Tier-Interaktionen untersuchen. In einer stressigeren Umgebung können sich Tiere mehr auf einen vertrauten Menschen als auf einen Fremden verlassen, während in einem positiven Kontext, in dem sich Tiere bereits sicher fühlen und von einer Futterbelohnung profitieren, die Identität des interagierenden Menschen weniger wichtig sein kann.“

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Bei Pferden, die den größten Teil des Jahres in Boxen oder kleinen Paddocks verbrachten, lag die Erfolgsquote bei lediglich 62 %. Ganzjährig auf der Weide gehaltene Pferde erreichten 79 %. © Victoria Kotlyarchuk

Insgesamt zeige die Studie jedenfalls, dass die Lebensbedingungen der Pferde einen Einfluss auf ihre Fähigkeit hätten, unseren Hinweisen zu folgen. „Das Lebens- und Sozialumfeld von Pferden ist eine Herausforderung und bietet Raum für Diskussionen in der Welt des Pferdesports. Unsere Ergebnisse unterstützen die Idee, dass eine angemessene Umgebung für Pferde in Form von Zugang zu Weiden und die Möglichkeit, frei mit ihresgleichen zu interagieren, zur Entwicklung ihres Sozialverhaltens beitragen, was sich auf die Interaktion mit Menschen auswirken könnte.“

Die Studie "What drives horse success at following human-given cues? An investigation of handler familiarity and living conditions" von Océane Liehrmann, Camille Cosnard, Veera Riihonen, Alisa Viitanen, Emmi Alander, Plotine Jardat, Sonja E. Koski, Virpi Lummaa und Léa Lansade wurde am 19. April im Fachjournal "Animal Cognition" veröffentlicht und kann hier nachgelesen werden.