Haltung

Schaden Heunetze der Pferdegesundheit?

Ein Artikel von Redaktion | 11.01.2024 - 13:36
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Die Pferdezähne wurden beim Fressen aus Heunetzen in der Schweizer Studie nicht in Mitleidenschaft gezogen, allerdings gab es ein erhöhtes Risiko für leichte Zahnfleischentzündungen.
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Die artgerechte Fütterung von Pferden ist in der Praxis eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. Es gilt Fastenperioden von mehr als vier Stunden am Stück zu vermeiden, gleichzeitig sollen die Pferde aber auch nicht dick werden. Außerdem soll sich der Fütterungs- und Bewegungsaufwand für den Menschen in einem annehmbaren Rahmen bewegen. Ein gängiger Ausweg aus diesem Dilemma: der Einsatz von Slowfeeding-Systemen. Heunetz und Co sorgen für eine verlangsamte Heuaufnahme und damit eine längere Fressdauer bei gleicher Energieaufnahme, sind günstig in der Anschaffung und einfach in der Handhabung. In einer deutschen Forschungsarbeit zeigte sich, dass Pferde, die 1 kg loses Heu in 40 Minuten verputzten, für dieselbe Menge plötzlich 86 Minuten benötigten, wenn sie das Heu aus einem Heunetz mit 4x4 cm Maschenweite zupften. So weit, so gut.

Weil Pferde sich beim Fressen aus Heunetzen gerne mal verdrehen, vehement rupfen und eine unnatürliche Fresshaltung einnehmen, stehen die Slowfeeder allerdings immer wieder in Verdacht, gesundheitliche Schäden und Verspannungen hervorzurufen. Auch negative Auswirkungen auf die Zahngesundheit stehen regelmäßig im Raum. Sind diese Befürchtungen berechtigt?
 

Heunetze im Test

Das Schweizer Nationalgestüt von Agroscope untersuchte in Zusammenarbeit mit der Universität Bern und der französischen Hochschule für Tierosteopathie Biopraxia (F) verschiedene Aspekte der möglichen Auswirkungen von Slowfeeding-Systemen mit Heunetzen auf die Gesundheit von Pferden. 700 Pferde und Ponys nahmen an der Studie teil, 350 wurden mit und 350 ohne Slowfeeding-Systeme gefüttert.

Die gute Nachricht: Erste Auswertungen ergaben keinen Einfluss der Slowfeeding-Systeme auf den allgemeinen Gesundheitszustand – und das, obwohl ein bedeutender Anteil der Pferde eine schräge Hals-Kopfposition bei der Fütterung einnahm. Die Verwendung von Heunetzen in der Pferdefütterung scheint also nicht mit besonderen langfristigen muskuloskelettalen Gesundheitsproblemen verbunden, so das Fazit der Forscher:innen.

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Die oft schräge Kopf-Hals-Position beim Fressen aus Heunetzen und anderen Slowfeedern hatte in der Schweizer Forschungsarbeit keine negativen Auswirkungen auf den allgemeinen Gesundheitszustand der teilnehmenden Pferde.
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Auch eine weiterer Befürchtung konnten die Beobachtungen entkräften: Bei den teilnehmenden Pferden zeigte sich keine ausgeprägte Abnutzung der (Schneide)Zähne. Was hingegen schon auffiel: Bei Pferden, die aus Netzen fraßen, war das Zahnfleisch tendenziell etwas mehr entzündet, außerdem waren die Tasthaare stärker abgenutzt. Pferdehalter:innen sollten aus diesem Grund den Zustand des Zahnfleisches und der Fibrissen ihrer Pferde aufmerksam verfolgen, so die Empfehlung der Forschenden.
 

Natürliches Fressverhalten

So unnatürlich es manchmal auch wirkt, wenn ein Pferd sein Heunetz bearbeitet, so sehr liegt den Tieren das Fitzeln und Rupfen im Blut. „Interessanterweise scheint das Fressverhalten durch Netze dem natürlichen Fressverhalten ähnlicher zu sein als die Fütterung von losem Heu, weil das Zupfen und Reißen ebenfalls Teil des Fressverhaltens sind“, hält Christa Wyss, Ingenieur Agronomin ETHZ und seit 13 Jahren als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Schweizer Nationalgestüt (SNG) von Agroscope tätig, in einem Beitrag in der Fachzeitschrift des Berufsverbandes der Tierheilpraktiker:innen Schweiz fest.

Und noch ein Argument pro Heunetz zeigt die Studie auf: „Pferde, die aus verschiedenen Fütterungssystemen fressen konnten, weisen im Durchschnitt eine bessere Muskel-Skelett-Gesundheit auf.“
 

Auf die richtige Höhe kommt es an

Damit Heunetze ihre positive Wirkung auf die Pferdegesundheit auch in vollem Umfang entfalten können, müssen sie allerdings richtig angebracht werden. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang vor allem die Höhe, auf der der Slowfeeder im Verhältnis zum Pferdestockmaß hängt. Gemäß den Ergebnissen der Schweizer Studie liegt die optimale Fresshöhe zwischen 20 und 30 % der Widerristhöhe des Pferdes. Bei einem Pferd mit 150 cm Stockmaß ist das der Bereich 30 bis 45 cm oberhalb des Bodens.  

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Im Versuch war es übrigens egal, ob die Heunetze waagrecht oder senkrecht ausgerichtet waren, an der Wand fixiert waren oder frei schwingen konnten. Keine Variante konnte in Zusammenhang mit bestimmten Muskelverspannungen gebracht werden. Dieses Ergebnis sei jedoch mit Vorsicht zu genießen, räumt das Forschungsteam ein, denn es sei nur eine geringe Anzahl an ausschließlich aus hängenden Heunetzen fressenden Pferden in die Stichprobe miteingeflossen. „Ebenfalls zu bedenken ist, dass jedes Pferd eine eigene Fressstrategie entwickelt. So werden zwei Pferde, die aus demselben Heunetztyp fressen, nicht dieselbe Körperhaltung und Kopf-Hals-Position einnehmen.“

Obwohl die Schweizer Forschungsarbeit erstmal Entwarnung gibt, was schädliche Auswirkungen von Heunetzen auf die Pferdegesundheit anbelangt, bleibt Pferdebesitzer:innen nicht erspart, ihren Vierbeiner und sein Verhalten auch weiterhin gut im Auge zu behalten. Wer aufmerksam bleibt und genau hinsieht, dem bleiben negative Entwicklungen nicht verborgen und es können frühzeitig Maßnahmen ergriffen werden, um größeres Übel zu verhindern.