Forschung

Von wegen mächtiges Streitross: Ritterpferde waren nicht größer als Ponys

Ein Artikel von Pamela Sladky | 11.01.2022 - 11:23
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Das Bild des mittelalterlichen Schlachtrosses als riesiges schnaubendes, stampfendes Tier ist ein Mythos. Damalige Reittiere waren neuesten Forschungen zufolge nicht größer als Ponys. ©kontrymphoto - stock.adobe.com

Ein Team von Archäologen und Historikern der britischen University of Exeter analysierte den größten Datensatz englischer Pferdeknochen aus der Zeit zwischen 300 und 1650 n. Chr., der an 171 verschiedenen archäologischen Stätten gefunden wurde. Ziel der Studie, die kürzlich im „International Journal of Osteoarcheology“ veröffentlicht wurde, war es, mehr über die Schlachtpferde des Mittelalters herauszufinden. „Das Schlachtross ist von zentraler Bedeutung für unser Verständnis der mittelalterlichen englischen Gesellschaft und Kultur, sowohl als Statussymbol, das eng mit der Entwicklung aristokratischer Identität verbunden ist, als auch als Kriegswaffe für die Schlacht“, wird Professor Oliver Creighton, der wissenschaftliche Leiter des Projekts, in einer Aussendung der Universität zitiert.
 

Kriegspony statt Kriegspferd

In populären Ritterfilmen werden Streitrösser gerne als massive Reittiere in der Größenordnung von Shire Horses dargestellt. Von einem Stockmaß im Bereich von 1,80 m oder gar darüber waren die echten Ritterpferde des Mittelalters aber meilenweit entfernt. Die Knochenfunde deuten darauf hin, dass das durchschnittliche Streitross 145 cm kaum überragte. Pferde mit einer Widerristhöhe von über 150 cm waren zur damaligen Zeit eine Rarität – selbst in der Hochphase der königlichen englischen Gestüte im 13. und 14. Jahrhundert, als die Tiere von den damaligen Menschen bereits als sehr groß angesehen wurden.

 „Hochmittelalterliche Rösser mögen für die damalige Zeit relativ groß gewesen sein, waren aber eindeutig immer noch viel kleiner, als wir es heute für gleichwertige Funktionen erwarten würden. Die Auswahl- und Zuchtpraktiken in den königlichen Gestüten haben sich möglicherweise vermehrt auf das Temperament und die richtigen körperlichen Eigenschaften für die Kriegsführung konzentriert“, meint Professor Alan Outram von der University of Exeter.

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Das durchschnittliche Pferd des Mittelalters war nicht größer als 145 cm. Mit dem Hochmittelalter (1200-1350 n. Chr.) tauchten vereinzelt Pferde mit einer Widerristhöhe von 160 cm auf, die durchschnittliche Körpergröße nahm jedoch erst im nachmittelalterlichen Zeitraum (1500-1650 n. Chr.) stetig zu und näherte sich schließlich unseren modernen Warmblutpferden an. © University of Exeter

Zu den angestrebten Vozügen könnten Eigenschaften wie ein besonders geschicktes Verhalten auf Turnieren oder die Ausdauer für lange Ritte auf Feldzügen gezählt haben, mutmaßen die Forscher. „Historische Aufzeichnungen geben keine spezifischen Kriterien an, was ein Schlachtross ausmachte“, sagt Archäologin Helene Benkert. „Es ist viel wahrscheinlicher, dass zu verschiedenen Zeiten des Mittelalters auch unterschiedliche Körperformen der Pferde gefragt waren – als Reaktion auf sich ändernde Schlachtfeldtaktiken und kulturelle Vorlieben.“

Klein aber teuer

Für gute Pferde wurde auch schon von den Menschen des Mittelalters ordentlich in die Tasche gelangt. Historische Aufzeichnungen zeigen, dass riesige Summen für den Aufbau und die Pflege von Netzwerken für die Zucht, Ausbildung und Haltung von Kampfpferden ausgegeben wurden. Gute Pferde kosten nun mal eine ordentliche Stange Geld. Das war damals schon so und hat sich bis heute nicht geändert.