Wildpferde

USA: Pferdegrippe-Ausbruch forderte bereits 119 Wildpferdeleben

Ein Artikel von Redaktion | 04.05.2022 - 14:25
AdobeStock_134222287.jpeg

A herd of horses in the mountains © AdobeStock.com | Hunta

Der Ausbruch im Wild Horse and Burro Corral des US-amerikanischen Landesverwaltungsamtes Bureau of Land Management (BLM) in Cañon City, Colorado, begann am 23. April. Neun Tage später sind 119 Pferde tot. Sie entstammen einer Herde von 445 Tieren, die erst im Herbst 2021 in die Auffangstation in Cañon City gebracht worden war, nachdem Waldbrände in der West-Douglas-Region eine Evakuierung notwendig gemacht hatten.

Was die Tiere getötet hat, haben zwei Labore inzwischen ermitteln können: Probenuntersuchungen identifizierten als Ursache das Influenzavirus Typ H3N8, eine Unterlinie eines in Nordamerika endemischen Stammes der Pferdegrippe.


Fehler im Management

Die aktuellen Ereignisse gäben Grund zur Besorgnis, meinte der Kongressabgeordnete Steve Cohen anlässlich einer Anhörung in der Vorwoche. „Die Einrichtung hält derzeit 2500 Pferde … auf engstem Raum – wenn sie nicht eingepfercht worden wären, wäre es durchaus möglich, dass sich der Erreger nicht annähernd so schnell verbreitet hätte.“

Besorgt ist Cohen auch über die groß angelegten Einfang-Aktionen mittels Helikopter, über Wildpferde und -esel, die beim Schlachter landen, und subventioniertes Vieh, das in bundesweit ausgewiesenen Wildpferdearealen weidet. Die wilden Equiden der Region seien gefährdet, so der Kongressabgeordnete, der als Konsequenz eine Anhörung des Ausschusses in dieser Angelegenheit fordert. „Sie sollten das Recht haben, in diesen Gebieten zu grasen. Sie sind ein amerikanisches Kulturgut."

Mit seinen Bedenken steht Steve Cohen nicht alleine da. Auch bei der American Wild Horse Campaign (AWHC), einer gemeinnützigen Organisation, die sich dem Schutz der wilden Mustangs verschrieben hat, ist man der Meinung, dass beim Wildpferdeprogramm des BLM einiges im Argen liegt. „Die Situation in Cañon City ist ein Beweis für ein kaputtes bundesstaatliches System, das ernsthafte Tierschutzprobleme hat. Nichtsdestotrotz plant die Regierung, noch in diesem Jahr 19.000 weitere Pferde zusammenzutreiben“, sagte Holly Gann Bice, Verantwortliche für Regierungsbeziehungen bei der AWHC.

Die Ausbrüche von ansteckenden Krankheiten und Infektionen sieht ihre Kollegin Suzanne Roy als direkte Folge der chaotischen Massentierhaltung des BLM, das ehemals wilde Pferde mit Tausenden anderen in Gehegen zusammensperrt. „Wenn man Pferde aus der Wildnis in großer Zahl zusammenbringt, dann braucht es Impfungen. Es scheint, als habe BLM seinen Pflegeauftrag und seine Verantwortung für diese bundesweit geschützten Tiere vernachlässigt.“

Dass es in einigen Bereichen tatsächlich erheblichen Raum für Verbesserungen gibt, führt ein aktueller Veterinärbericht vor Augen. So wurde bis vor kurzem in der Auffangstation in Cañon City ein einziger Lader zum Füttern und zum Abtransport von toten Pferden verwendet. Zwischen diesen Vorgängen wurde lediglich die Schaufel gekalkt. Der AWHC vorliegende Dokumente zeigen außerdem, dass das BLM lediglich zweimal jährlich eine Reinigung des Areals vorschreibt.

Die aktuellen Grippe-Todesfälle seien letztlich „nur die Spitze des Eisbergs“, so die AWHC. Die Organisation fordert einen sofortigen Einfang-Stopp – und eine Untersuchung der Vorgänge in Cañon City durch eine unabhängige Stelle. „Wir haben Belege dafür, dass jeden Monat Dutzende Pferde in den Haltungseinrichtungen des BLM an anderen Ursachen als Infektionskrankheiten sterben, darunter Schädelfrakturen, gebrochene Beine, Geburts- und Kastrationskomplikationen, Wachstumsstörungen, viele aber auch aus unbekannten Gründen, die einfach als ‚tot im Auslauf aufgefunden‘ eingetragen werden“, kritisiert die Organisation.
 

Schwierige Behandlung

Die Einrichtung in Cañon City steht derweilen unter freiwilliger Quarantäne. Zur Eindämmung des Virus-Ausbruchs würden Biosicherheitsmaßnahmen durchgeführt. Kranke Pferde erhielten Entzündungshemmer und Antibiotika.

Das BLM verweist seinerseits auf die Schwierigkeiten, mit der die Behandlung der grippekranken Pferde einhergeht. „Die meisten betroffenen Tiere sind wild und ungezähmt und können nicht ohne Einsatz des hydraulischen Klemmstandes behandelt werden. Das birgt die Gefahr einer weiteren Ausbreitung der Krankheit in der gesamten Einrichtung und einer Belastung der Tiere, was die aktuellen Probleme noch weiter verschlimmern und auch zu weiteren Verletzungen für erwachsene Pferde und Fohlen führen könnte“, gab die Behörde in einer Stellungnahme an.

Eine individuelle Behandlung sei aus diesen Gründen nur begrenzt möglich. Vorbeugend werde deshalb die Medikation mit Antibiotika über das Trinkwasser erwogen – dieser Schritt wurde bislang aber noch nicht umgesetzt. „Zudem werden laufend Anstrengungen zur Staubminderung unternommen, einschließlich der Benetzung benachbarter Straßen und Schotterflächen“, so das BLM, das hofft, durch diese Maßnahmen die Atemwege der Pferde zu schonen.

Eine Gefahr für die übrigen Pferde der Einrichtung sieht die Behörde nicht gegeben. „Bei etwa 10 bis 20 Prozent der in Cañon City untergebrachten 2.184 Pferde, die nicht aus West Douglas stammen, beobachten wir derzeit lediglich die typischen milden Anzeichen einer Influenza-Infektion. Todesfälle gab es in der größeren Gruppe keine.“

Warum ausgerechnet die Pferde aus dem West-Douglas-Areal derart schwer betroffen sind, ist noch nicht restlos geklärt. Möglich sei, dass ihre Lungen durch den Rauch der Waldbrände bereits erheblich vorgeschädigt waren.