NACHGEFRAGT

Bestnoten für Spanische Hofreitschule von Richard Hinrichs

Ein Artikel von Pamela Sladky | 25.05.2023 - 09:17
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Die Schulquadrille der Spanischen Hofreitschule in Wien
© Rene van Bakel

Überforderte Pferde, schlechtes reiterliches Niveau, enttäuschte Besucher:innen und ein dramatischer Werteverfall waren der Spanischen Hofreitschule, einer der letzten Bastionen der Klassischen Reitkunst, zuletzt von namhaften Kritiker:innen aus dem In- und Ausland vorgeworfen worden. An der Schule bemüht man sich redlich, das in Schieflage geratene Image aufzupolieren. Mantrahaft wird beteuert, man müsse sich um die Qualität des UNESCO Weltkulturerbes keine Sorgen machen. Denn die Kritik käme mehrheitlich von ehemaligen Mitarbeitern, die ob gekränkter Eitelkeiten in regelmäßigen Abständen Attacken gegen die Spanische ritten, versicherte etwa Alfred Hudler, seit Dezember alleiniger Geschäftsführer des „Weißen Balletts“, anlässlich eines Pressegesprächs Ende April. Einen Qualitätsverlust an der Schule gibt es seiner Ansicht nach nicht. Im Gegenteil: Laut Oberbereiter Rudolf Rostek seien die Leistungen von Reiter:innen und Pferden aktuell besser denn je.

Mit dieser Meinung stehen die Geschäftsführung und die Bereiter:innen der Spanischen nicht alleine da. Erst Anfang Dezember 2022 hatte Pferdefachfrau Gabriele Pochhammer nach einem Auftritt der Hofreitschule in Neumünster die Darbietung in höchsten Tönen gelobt. Von vertrauensvoller Gelassenheit und vollendeter Losgelassenheit ist in ihrem Blog zu lesen, von perfekt sitzenden Reiter:innen, die die Hengste mit feiner Hand und unsichtbaren Hilfen durch alle Lektionen führen. Als Herausgeberin des international renommierten Reitsportmagazins St. Georg kann man Gabriele Pochhammer profunde Fachkenntnis im Bereich Dressur kaum absprechen, auch wenn die Klassische Reitkunst der Wiener Schule vielleicht nicht gerade zu ihren Steckenpferden zählt.

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Der Deutsche Richard Hinrichs gilt als einer der bedeutendsten Ausbilder der klassischen Reiterei.
©www.Slawik.com

Ein absoluter Fachmann in diesem Bereich ist hingegen Richard Hinrichs. Der Deutsche gilt weltweit als einer der bedeutendsten Ausbilder der klassisch-barocken Reiterei. Mit der Wiener Schule ist Hinrichs quasi aufgewachsen, seine Eltern waren Schüler der „Spanischen“, während seines Jura-Studiums in Wien ritt Hinrichs zudem selbst intensiv bei Arthur Kottas-Heldenberg, dem späteren ersten Oberbereiter der Hofreitschule. Noch heute sind beide einander freundschaftlich verbunden.

Mitte Mai durfte sich Hinrichs drei Tage lang selbst ein Bild vom aktuellen Leistungsniveau der Spanischen Hofreitschule machen. Als Gründer und Präsident des Bundesverbandes für klassisch-barocke Reiterei (BfkbR) stand dort eine Trainerfortbildung für die Absolvent:innen des Vereins auf dem Programm. Man besuchte den Heldenberg, bekam in Wien die Morgenarbeit zu sehen und Gelegenheit, sich intensiv mit dem reitenden Personal der Schule auszutauschen.

Bei der Abschlussvorstellung wurde dem kundigen Publikum die Arbeit mit den jungen Hengsten, alle Gänge und Touren der Hohen Schule, die Arbeit an der Hand und die Schule über der Erde, die Arbeit am Langen Zügel sowie die Schulquadrille gezeigt.

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Bereiter Marcus Nowotny und Bereiterin Hannah Zeitlhofer im Pas de deux © srs/renevanbakel.photo

Hohes Niveau

Hinrichs‘ Fazit zur Darbietung in der ehrwürdigen Reithalle: Man sei überrascht worden „mit vielen weit ausgebildeten Pferden sowie dezent einwirkenden Reitern und Reiterinnen, die es in dieser großen Anzahl in dieser Qualität in der Geschichte der Schule zuvor noch nicht gegeben hat.“

Vergleiche mit früheren Zeiten – etwa der 400-Jahr-Feier im Jahr 1972 – braucht die derzeitige Truppe laut Hinrichs nicht zu scheuen. Das Programm sei zwar um mehrere Punkte deutlich verkürzt, das ließe jedoch „das hohe Leistungsniveau des Instituts zur Geltung kommen“. Auch die im Galoppteil gekürzte Version der Schulquadrille will Hinrichs nicht als Niveauverlust deuten, wie er in einem Nachbericht auf der Facebook-Seite des BfkbR wissen lässt.

Die harsche Kritik kann der Klassik-Profi auf Nachfrage der Pferderevue nicht nachvollziehen. „Reiten ist für mich die Kunst des Augenblicks. Als Reiter hat man nie Sicherheit. Da kann man noch so gut sein, man muss jeden Tag wieder ran und versuchen seine Leistung bestmöglich abzurufen oder sie zu verbessern. Und wir haben es ja auch noch mit einem anderen Lebewesen zu tun!  Insofern waren wir sehr positiv überrascht, welches Feuerwerk bei unserem Besuch abgebrannt wurde. In reiterlicher wie in fachlicher Hinsicht fantastisch.“

Es sei eine Momentaufnahme gewesen, betont Hinrichs. Allerdings eine, die ihm Superlative wie „gigantisch“ entlockt. „Die Pferde waren generell sehr zufrieden mit sich und ihren Reitern. Die Reiter gut sitzend, sehr souverän einwirkend, die Handhaltung zum Beispiel sogar besser als man sie manchmal in früheren Zeiten gesehen hat.“

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Levade an der Hand © srs/renevanbakel.photo

Wien als Maßstab der klassischen Reiterei

Die Befürchtung, es gäbe einen Mangel an jungen Pferden, kann Hinrichs nach seinem Besuch in Wien nicht bestätigen: „Das war nicht unser Eindruck. Wir haben am Freitag einen Querschnitt durch die ganze Ausbildung gezeigt bekommen, darunter die Morgenarbeit, zwei Pas de deux, und zwei jüngere Pferde am langen Zügel. Auch für die Schulen über der Erde gibt es sehr talentierten Nachwuchs. Insofern ist für mich die These widerlegt, dass da nichts mehr nachkommt.“

Den beiden Oberbereitern Rudolf Rostek und Herbert Seiberl, die zuletzt ebenfalls in der Kritik standen, stellt der Kenner ein gutes Zeugnis aus. „Herr Rostek war der Leiter unseres Seminars. Sowohl von dem her, was er fachlich gezeigt hat als auch wie er es kommentiert hat, haben wir ihn als sehr kompetent erlebt. Und wenn ich an die reifen Leistungen von Herrn Seiberl denke, seine Levaden, die er in Neumünster und Paris gezeigt hat, dann sind das Momente, für die es sich zu leben lohnt. Wenn man selbst einmal eine Levade gesessen hat, dann kann man das als Suchtmittel bezeichnen. Dann weiß man aber auch, dass es solche Momente, wie wir sie dort erleben durften, nicht immer geben kann.“

Dessen müsse man sich auch an der Spanischen bewusst sein und mit jeder Vorstellung und jeder Morgenarbeit die Chance ergreifen, dem Publikum zu zeigen, wofür man ihn Wien stehe. „Ich hoffe für die Schule, dass die Akteure auch weiterhin immer darauf bedacht sind, dass sie harmonische Bilder bieten, damit die Schule nicht nur eine Touristenattraktion, sondern auch der Maßstab der klassischen Reiterei bleibt.“