In ihrem Experiment entwickelten die Forscher:innen zunächst eine Aufgabe, bei der die 20 Testpferde eine Karte mit ihrer Nase berühren mussten, um eine Belohnung zu erhalten. Die Aufgabenstellung war zu Beginn simpel, doch die Wissenschaftler zogen den Schwierigkeitsgrad nach und nach an. Im nächsten Schritt gab es die Belohnung nur noch bei ausgeschaltetem Licht. War das Licht an, wurde den Pferden trotz Berührung der Leckerbissen verweigert.
Laut Studie hatten alle Pferde Schwierigkeiten, diese Aufgabe zu bewältigen. Sie berührten die Karte wahllos, unabhängig davon, ob das Licht nun an oder aus war, denn nach wie vor gab es bei richtiger Reaktion (Berührung der Karte bei Licht aus) ja eine Belohnung.
Das änderte sich, als eine „Strafe“ ins Spiel kam. Berührten die Pferde die Karte, während das „Stopp“-Licht eingeschaltet war, gab es eine zehnsekündige Auszeit, in der das Spiel unterbrochen wurde und die Pferde somit keine Möglichkeit mehr hatten, an eine Belohnung zu kommen. Das Resultat: Die Pferde lernten blitzschnell, ihre Strategie zu ändern und nur noch im richtigen Moment zu handeln.
Von wegen durchschnittlich: Pferde sind Meister der Anpassung
Was zunächst also wie ein Missverständnis aussah – die Pferde schienen das Spiel nicht zu verstehen – entpuppte sich als ein Beweis für ihre erstaunliche Anpassungsfähigkeit. Die Tiere hatten das Spiel offenbar von Anfang an durchschaut, aber eine Methode gefunden, die ihnen mit minimalem Aufwand dennoch häufige Belohnungen einbrachte. Erst als ein Risiko eingeführt wurde, änderten sie ihr Verhalten sofort und bewiesen damit ihre kognitive Flexibilität.
Ein Blick in die Zukunft: Pferde planen strategisch
Die Studie zeigt, dass Pferde möglicherweise zu einer Form des Lernens fähig sind, die als "modellbasiertes Lernen" bekannt ist. Diese Lernmethode galt bisher als zu komplex für Pferde. Doch die Tiere überraschten die Forscher, indem sie bewiesen, dass sie in der Lage sind, ihr Verhalten bewusst zu ändern, sobald die Bedingungen dies erfordern. Diese Fähigkeit, zukünftige Konsequenzen ihres Handelns zu erkennen, hebt sie weit über das hinaus, was ihnen bislang zugetraut wurde.
Die Ergebnisse dieser Studie werfen ein neues Licht auf die Intelligenz und das Lernverhalten von Pferden. „Es ist faszinierend, weil sie einen sehr unterentwickelten präfrontalen Kortex haben, dem wir normalerweise diese Art des Denkens bei Menschen zuschreiben. Das bedeutet, dass sie eine andere Gehirnregion nutzen müssen, um ein ähnliches Ergebnis zu erzielen, und das lehrt uns, dass wir keine Annahmen über die Intelligenz oder das Bewusstsein von Tieren treffen sollten, basierend darauf, ob sie wie wir ‚gebaut‘ sind", so die leitende Forscherin Dr. Carrie Ijichi.
Die Studie wurde in der Zeitschrift Applied Animal Behaviour Science veröffentlicht.