Vier Stunden lang bahnten sich Kalyna und Sovereignity ihren Weg durch den brennenden Canyon.
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Sovereignty war als einziger in seinem Stall geblieben. Anders als seine vierbeinigen Kollegen wollte er partout nicht in den Anhänger. Er bockte, stieg und war nicht um die Burg in den Transporter zu bewegen. Seiner verzweifelten Besitzerin blieb nichts anderes übrig, als den Wallach zurücklassen. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Feuer, das am 7. Jänner ausgebrochen war, fast 24.000 Hektar Land zerstört. Trotz intensiver Löscharbeiten waren die Flammen erst zu 60 % unter Kontrolle. Das Mobilfunknetz war zusammengebrochen und das Land im Ausnahmezustand.
Ursprünglich waren Kalyna und ihr Vater in das Brandgebiet zurückgekehrt, um nach ihrem Haus zu sehen, vielleicht konnte man ja noch das ein oder andere Stück in Sicherheit bringen. Doch diese Mission musste einer wichtigeren weichen. „Als wir ankamen und all den Rauch und die Flammen sahen, habe ich mir riesige Sorgen um ihn gemacht“, erzählte Kalyna im Gespräch mit The Chronicle Of The Horse. „Wir haben völlig vergessen, noch etwas aus unserem Haus zu holen. Wir sind einfach direkt zum Stall gefahren.“
Rettungsritt durch Flammen und Rauch
Sovereignty, ein Friesen-Warmblut-Mix, war verängstigt und nervös, als Kalyna und ihr Vater eintrafen. Für die 16-Jährige gab es in diesem Moment nur eine einzige Möglichkeit, um den Rappen aus der Gefahrenzone zu bringen: Sie holte Sattel und Zaumzeug und begann die gefährliche Flucht – durch Ascheregen, Funkenflug und umgestürzte Telefonmasten.
14 Meilen voller Herausforderungen
„Kalyna kann man nur schwer etwas abschlagen“, gestand ihr Vater The Chronicle Of The Horse. „Sie sagte: ‚Wir müssen ihn hier rausholen.‘ Obwohl sie noch ein Kind ist, hat sie die Verantwortung übernommen. Sie ist eine hervorragende Reiterin, und ich vertraue ihren Instinkten – also haben wir es einfach getan.“
Eskortiert durch Papa Markian, dessen Kompaktwagen klein genug war, um unter umgeknickten Strommasten und hergestürzten Stromeitungen hindurchzufahren, bahnten sich Kalyna und Sovereignity ihren Weg durch den Canyon.
„Immer wieder habe ich gedacht: ‚Warum begreift er nicht, dass er hier raus muss?‘“, erinnert sich Kalyna an die bangen Momente. „Er blieb immer wieder stehen, stieg und drehte sich im Kreis, und ich dachte nur: ‚Hey, Kumpel, der Canyon brennt!‘“
Unterwegs musste die junge Reiterin oft absteigen, um den Wallach durch schwierige Passagen zu manövrieren. Der Ritt dauerte vier Stunden und führte sie über eine Strecke von 14 Meilen durch das Inferno. Rauch erschwerte die Sicht, brennende Bäume säumten die Straße, und die Hitze war erdrückend. Kalyna improvisierte die gesamte Route und dirigierte sogar den Verkehr, um voranzukommen.
Wenige Meilen vor ihrem erklärten Ziel traf der Tochter-Vater-Rettungstrupp schließlich auf eine Frau mit einem Pferdeanhänger. Spontan bot sie an, Sovereignty mitzunehmen. Eine Einladung, die der Rappe nach dem langen Ritt und den Gefahren unterwegs nun zu gerne annahm. Diesmal sprang er ohne zu zögern auf den Anhänger und konnte sicher aus der Gefahrenzone gebracht werden.
Ein Foto von Kalyna und Sovereignty auf ihrer Flucht aus dem Canyon verbreitete sich rasant im Internet, über Nacht wurde die 16-Jährige zur gefeierten Heldin. Doch die junge Springreiterin bleibt bescheiden: „Ich denke, die meisten Pferdeleute hätten das Gleiche getan“, sagt sie.
Kalynas und Markians Haus wurde glücklicherweise von den Flammen verschont, doch Kalynas eigenes Pferd, ihre Stute Ciel, blieb nicht unversehrt. Bei der Evakuierung zog sie sich eine Knieverletzung zu und musste notoperiert werden. Der Eingriff verlief erfolgreich, ob sich die siebenjährige niederländische Stute jedoch vollständig von dieser Verletzung erholt und wieder auf Turnieren eingesetzt werden kann, ist ungewiss. Immerhin: Die hohen Tierarztkosten konnten dank einer GoFundMe-Kampagne gedeckt werden. Sovereigntys Besitzerin hatte sie ins Leben gerufen, um sich bei der Retterin ihres Pferdes zu bedanken.
Die verheerenden Waldbrände in Los Angeles haben zahlreiche Todesopfer gefordert, immer noch werden Menschen vermisst. Inmitten dieser Tragödie erinnert Kalynas beherzter Ritt, wie stark die Bindung zwischen Mensch und Tier selbst in schlimmsten Zeiten ist.