Distanz

Deutsche Distanzreiter fürchten um faire Bedingungen bei Weltreiterspielen

Ein Artikel von Pamela Sladky | 05.09.2018 - 11:48
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Distanzpferde bei den Weltreiterspielen 2014 in Caen (FRA) © FEI/Arnd Bronkhorst

In seinem offenen Brief an FEI Präsident Ingmar de Vos äußert der VDD ernste Bedenken im Hinblick auf die Entwicklung des Distanzsports im Allgemeinen wie auch den Weltmeisterschaftsbewerb in Tryon:

Sehr geehrter Herr de Vos,

als Verein Deutscher Distanzreiter- und fahrer ev. (VDD) freuen wir uns darüber, dass deutsche Distanzreiter unseren Sport und unsere Nation bei den diesjährigen Weltreiterspielen in Tryon vertreten dürfen. Wir sind überzeugt, dass sie unsere Disziplin in vorbildlicher Weise repräsentieren werden.

Die jüngsten Zwischenfälle bei internationalen Distanzturnieren geben jedoch Anlass zu großer Sorge: Ein totes Pferd bei einem hochdotierten Ritt auf Top-Niveau in Europa, schockierende Bilder von den Europameisterschaften der Jungen Reiter, und, einmal mehr, Spitzen-Distanzpferde, die für positive Dopingergebnisse sorgen. Alle diese Zwischenfälle haben sich während Turnieren zugetragen, die massiv unter dem Sponsoring ein und desselben Unternehmens standen. Jenes Unternehmens, das nun auch die Distanzbewerbe bei den WEG 2018 unterstützen wird. Aus diesem Grund sind wir sehr besorgt um das Wohl der Pferde und hegen ernste Zweifel daran, dass ihre Sicherheit während der Ritte in Tryon an erster Stelle stehen wird. Die Unregelmäßigkeiten, die im Zusammenhang mit dem Testritt im vergangenen Jahr berichtet wurden, bekräftigen diese Sorge.

Wir fordern die FEI auf, ihr Möglichstes zu tun, um faire und pferdefreundliche Bedingungen bei den Bewerben zu garantieren und sicherzustellen, dass die Regeln der FEI eingehalten werden und das Wohlergehen der Pferde stets Priorität hat, sodass die Pferde sicher am Wettkampf teilnehmen können und diejenigen, die das Ziel erreichen, tatsächlich „fit to continue" sind, nachdem sie die finale Verfassungsprüfung bestanden haben.

Tierschutz ist essentiell für die Zukunft unseres Sports und muss oberste Priorität haben.

Hochachtungsvoll
Christian Lüke
Tatiana Peter
Anne Wegner
Dr. Sabine Pfaff
Renan Borowicz

Auch deutsche FEI Distanztierärzte äußerten sich in einem offenen Brief sehr besorgt über die Entwicklungen der Disziplin:

Für viele ist Distanzreiten nicht länger ein Wettbewerb, bei dem die Fähigkeit des Reiters gefragt ist, die Ausdauer und Fitness seines Pferdes bei einem Rennen gegen die Zeit, die Distanz, das Gelände und die Wetterbedingungen auf solche Weise sicher zu managen, dass sein Wohlergehen nicht beeinträchtigt wird. (Art.800.1) Bei vielen Turnieren (Ritte in den Vereinigten Arabischen Emiraten und bei den WEG in Tryon) ist die Rennstrecke (das Gelände) präpariert und nicht mehr in ihrem ursprünglichen Zustand, sie ist gerade und flach. Die Fähigkeit des Reiters die Strecke einzuschätzen und taktisch zu reiten ist damit nicht weiter von Bedeutung. Als Folge dieser Entwicklung kann deutlich schneller geritten werden. Das FEI Forum in Vic hat jedoch gezeigt, dass eine höhere Geschwindigkeit das Risiko, dass Pferde überbeansprucht werden, drastisch erhöht und die Zahl jener Pferde, die die Verfassungskontrollen wegen Unregelmäßigkeiten im Gang oder wegen erhöhter Stoffwechselparameter nicht passieren, massiv ansteigt. Auch Unfälle mit Todesfolge häufen sich.

Ist es das, was die FEI möchte? Das Wohlergehen des Pferdes sollte von höchster Bedeutung sein!

Uns geht es nicht darum, dass gefährliche Streckenabschnitte nicht entschärft werden sollen. Dies ist eine wichtige Maßnahme, die der Sicherheit der Pferde und Reiter dient. Allerdings sollten sich die Rennstrecken in ihre natürliche Umgebung einfügen. Dies ist ein essenzieller Teil des Distanzsports. Andernfalls könnte auch einfach auf runden Rennbahnen geritten werden.

Die Organisation von großen Distanzritten befindet sich derzeit über den Sponsor Meydan hauptsächlich in den Händen von Dubai. Diese Ritte sind gut organisiert und bieten alle erdenklichen Möglichkeiten für Pferde und Reiter. Allerdings hat sich auch gezeigt dass  

1. sie die FEI hinsichtlich der Auswahl der Offiziellen beeinflussen können. Wenn man sich die Offiziellen der Distanzturniere in Pisa, Euston Park und Tryon, oder Estland ansieht, sind sie fast ident mit den FEI-Kommissionslisten. Ist das korrekt? Bei der WM in Samorin 2016 haben die Offiziellen ihren Einfluss geltend gemacht um Reiter aus den Vereinigten Arabischen Emiraten einen Vorteil zu verschaffen indem sie Pferde, die bereits von außerhalb des Vet-Gates als lahm beurteilt werden konnten, trotzdem passieren durften. Da wurde einfach ein Auge zugedrückt! Im Vet Gate haben Betreuer die Veterinäre bedrängt um zu verhindern, dass die Herzrate gemessen wird. Sobald sich jedoch ein Veterinär beschwert oder nicht entspricht, wird er nicht länger zu bestimmten Ritten eingeladen. Ist das im Interesse des Pferdewohls oder der Fairness?

2. die Veterinäre in den Kommissionen häufig nicht gewechselt werden, wie es das FEI-Reglement verlangt (VR.Art. 1121.1). Ist das eine Entwicklung, die man unterstützen sollte?

3. Doping nach wie vor ein Problem ist. Hier sollte es deutlich härtere Strafen für Reiter, Trainer und Besitzer betroffener Pferde geben. Ein Ausschluss sollte nicht für einige Monate gelten sondern für Jahre – in manchen Fällen wäre sogar ein lebenslanger Ausschluss gerechtfertigt! Ein Pferd sollte am Ende eines Rittes wirklich „fit to continue“ sein (was häufig ignoriert wird) und über viele Saisonen hinweg im Distanzsport mitlaufen können.

Zahlreiche erfahrene FEI Distanztierärte wie Pierre Romantzoff haben ihre Funktion nach langjähriger Tätigkeit niedergelegt, weil sie von der aktuellen Situation dermaßen frustriert sind, dass sie den Sport nicht länger unterstützen wollen.

Wir sind ebenfalls sehr besorgt über die derzeitige Entwicklung im Distanzsport.

Ist es das, was die FEI will?
Ist es im Interesse des Fair Play? Nein.
Ist es im Interesse des Pferdewohls? Nein.

Wir wünschen uns von der FEI deshalb ETWAS zu tun, um die Situation wieder in Ordnung zu bringen.

Dr Juliette Mallison
Claudia Bretthauer
Christian Dreker
Martin Grell
Christina Pleuger
Claudia Zerlik

Anhaltende Kritik

Nach dem großen Distanzskandal, der 2015 zum Ausschluss der Nationalen Vereinigung der Vereinigten Arabischen Emirate aus der FEI geführt hatte sowie wenig später zur Verlegung der Distanz WM von Dubai ins slowakische Samorin, ist der Sport nach wie vor nicht zur Ruhe gekommen. Erst Mitte August war eine Stute beim H.H. Sheikh Mohammed Bin Rashid Al Maktoum UK Endurance Festival 2018, Europas höchstdotiertem Distanzrennen, erneut ums Leben gekommen. Daneben sorgen Dopingergebnisse, bei denen Pferde auf einen ganzen Cocktail an Medikamenten positiv getestet werden, regelmäßig für Negativschlagzeilen.