Dressur

London: Zum Abschied fast 90 Prozent und ein Weltcup-Sieg für Charlotte Dujardin und Gio

Ein Artikel von Pamela Sladky | 17.12.2021 - 23:31
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Was für ein Abschied: Bei ihrem letzten gemeinsamen Turnierauftritt holten Charlotte Dujardin und Gio vor Heimpublikum noch einmal einen umjubelten Sieg. (Archivbild)
© FEI/Christophe Taniére

Im vergangenen Oktober wurde Charlotte Dujardins Olympia- und EM-Medaillengewinner an die britische Juniorin Annabella Pidgley verkauft, für die London International Horse Show haben die beiden aber noch einmal als Duo der Konkurrenz die Stirn geboten. Ihr 82-Prozent-Sieg am Donnerstag ließ wenig Zweifel darüber, wer in der Londoner Weltcup-Kür die Siegerschleife umgehängt bekommen würde, dennoch war die Art und Weise, wie Dujardin und ihr kleiner Fuchs ihre Abschiedsvorstellung gaben, einmal mehr beeindruckend. Die fünfköpfige Jury honorierte die Kür, mit der das Duo heuer bereits Olympia- sowie EM-Bronze gewonnen hatte, mit 89,040 %. Bislang war die persönliche Bestmarke des Paares bei 88,543 % gelegen. Dahinter reihten sich Charlotte Fry (GBR) auf Dark Legend (81,945 %) und Frederic Wandres (GER) auf Duke of Britain (80,26 %) ein.

Ob Dujardins nicht ganz fehlerfreie Darbietung in London tatsächlich fast 90 % wert war, darüber kann man diskutieren. Auch die Jury war sich hinsichtlich der Bewertung nicht ganz einig. Vor allem der niederländische Richter bei B, Eduard de Wolf van Westerrode, erwies sich als Spielverderber. Er lag mit seiner Bewertung gut 5 % unter jener seiner vier Kolleg:innen und verhinderte so, dass Dujardin und ihr Passagierwunder die magische 90-Prozent-Hürde überwanden. Für das britische Publikum war der fulminante Abschiedssieg ihrer Dressur-Queen auf dem quirligen Apache-Sohn aber auch ohne die 90 vor dem Komma das perfekte Ende einer kurzen aber höchst erfolgreichen gemeinsamen Karriere.

Liebe auf den ersten Blick

Ihren Anfang hatte die gemeinsame Reise von Charlotte Dujardin und Gio 2016 genommen, als Dujardin einen Kurs in Kalifornien gab. Eine der Teilnehmerinnen (die kurzfristig als Ersatz für eine andere Kursteilnehmerin eingesprungen war!) hatte den damals noch fünfjährigen Gio mitgebracht, den sie dreijährig erworben und selbst ausgebildet hatte. Für Dujardin war es Liebe auf den ersten Blick. Als sie am nächsten Tag bei einer Trainingsdemonstration vor gut 1000 Zuseher:innen reiten sollte, fackelte sie deshalb nicht lange und fragte Gios Besitzerin einfach, ob sie ihr den Wallach dafür leihen würde. Bis zu diesem Augenblick hatte noch nie jemand anderes auf Gios Rücken gesessen, doch mit der Olympiasiegerin im Sattel machte es auf Anhieb klick. Danach war der Multi-Championesse klar: Dieses mutige Energiebündel muss sie haben! Der Rest ist Geschichte. Dujardin kaufte Gio und nahm ihn mit nach Großbritannien in den Stall ihres Trainers Carl Hester. Dort trat der kleine Fuchs mit dem Spitznamen Pumpkin seine weitere Ausbildung an.

Erstmals öffentlich zu sehen bekam man das Paar 2017 auf einem nationalen Turnier in Gloucestershire. Zweimal ging es dort an den Start, zweimal gab es die Siegerschleife. Es sollten noch viele weitere folgen. Im Oktober 2020 traute sich das Duo in Keysoe (GBR) erstmals an einen Grand Prix auf internationaler Ebene. Es war ein Debüt, das es in sich hatte: 79,348 % und Platz zwei lautete die Ausbeute im Grand Prix, in der Kür gab es bereits den ersten Sieg und satte 83,360 %. Angesichts dieser Ergebnisse wundert es nicht, dass sich Dujardin nach nur zwei weiteren Turnieren traute, bei den Olympischen Spielen in Tokio mit dem noch so unerfahrenen Gio anzutreten.  

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Kleines Pferd, große Galoppade: Charlotte Dujardin und Gio bei den Olympischen Spielen in Tokio
© FEI/Christophe Taniére

Dort bewies Pumpkin, dass er wirklich „cool as a cucumber“ ist, wie sein Groom Alan Davis immer behauptet. Mit drei Spitzenergebnissen sicherten Gio und Charlotte dem britischen Team die Bronzemedaille, in der Kür holte das Paar zusätzlich Einzel-Bronze. Eineinhalb Monate später folgten bei der EM in Hagen (GER) bereits die nächsten Medaillen für Dujardin und den kleinen Wallach: Mannschaftssilber und Einzel-Bronze.

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Das Erfolgs-Trio bei den Dressur-Europameisterschaften in Hagen 2021: Charlotte Dujardin, Gio und Meistertrainer Carl Hester © FEI / Liz Gregg

Ende Oktober wurde schließlich bekannt, dass die Europameisterschaften das letzte gemeinsame Championat des britischen Dream-Teams sein würden. Dujardin verkündete via Facebook den Verkauf von Gio. Als neue Besitzerin stellte sie die britische Vier-Sterne-Dressurrichterin Sarah Pidgley vor, die Mutter der zweifachen Junioren-Vize-Europameisterin Annabella Pidgley. Die 17-jährige Britin ist es auch, die Gio nunmehr reitet. Trainiert wird das neu formierte Duo von Charlotte Dujardin, die auf diese Weise weiterhin ein wachsames Auge auf "ihren" kleinen Pumpkin haben kann.

Alle Ergebnisse aus London gibt es hier.