EUROPAMEISTERSCHAFTEN DRESSUR 2025

Gänsehaut in Crozet: Verboomen und Zonik Plus tanzen zu Gold, verpatzte Wechsel kosten Laudrup-Dufour den Titel

Ein Artikel von Redaktion | 29.08.2025 - 19:09
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Ein Ritt zum Genießen wurde mit dem Europameistertitel belohnt: Justin Verboomen (BEL) und Zonik Plus © LUKASZ KOWALSKI

30 Paare gingen im heutigen Grand Prix Spécial, der ersten Entscheidung um die Einzelmedaillen bei dieser EM, an den Start. Der Reigen der Top-Paare wurde von Charlotte Fry (GBR) und Glamourdale eröffnet. Im Grand Prix hatte das Paar zwei deutliche Patzer, die das britische Team die Titelverteidigung gekostet haben könnten. Im Spécial begann das Duo mit einer gewohnt starken Trabtour. Der starke Schritt danach war den Richtern im Durchschnitt eine knappe 7 wert, für den versammelten gab es etwas mehr – zu diesem Zeitpunkt lag das Paar bei rund 79 Prozent. Das änderte sich mit der ersten Piaffe, in der der Rappe eine deutliche Widersetzlichkeit zeigte (Noten zwischen 3 und 4). Die zweite Piaffe gelang besser, doch der Trend war mittlerweile auf 72 Prozent gesunken. Mit der Galopptour kletterte die Wertung zwar wieder nach oben, den herben Punkteverlust aus der Piaffe konnte das Paar jedoch bis zum Schluss nicht mehr ausgleichen. Mit einer Endnote von 75,289 % war klar, dass Fry und Glamourdale heute in der Medaillenentscheidung keine Rolle spielen würden.
 

Katharina Hemmer glänzt mit Bestleistung

Einen Ritt ohne Fehler knallte danach Katharina Hemmer mit Denoix ins EM-Viereck. Schon im Grand Prix hatten die beiden eine richtig gute Prüfung gezeigt, heute war es noch einmal ein Stück besser. Das Paar begann mit einer hervorragenden Trabtour, Denoix mit viel Elastizität und Bewegung durch den gesamten Körper. Da und dort hätte der Fuchs gerne etwas großzügiger im Rahmen sein dürfen, abgesehen davon gab es jedoch kaum etwas zu bemängeln. Am Ende der Trabtour standen knapp 80 % auf der Anzeigetafel. Im Schritt fehlte es etwas an Dehnung und Ruhe (Notendurchschnitt 7), der Trend rutschte auf 78 %. Dort blieb er auch, denn in den folgenden Lektionen überzeugte das Paar mit bemerkenswerter Beständigkeit und Bewertungen konstant im Bereich zwischen 7,5 und 8. Auf der Schlusslinie warf Hemmer noch einmal alles in die Waagschale, was ihr Denoix zu bieten hatte, und schloss bei 78,678 % ab – ein neues Personal Best, das im Endergebnis Rang 4 bedeutete, knapp außerhalb der Medaillenränge.

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Erste Europameisterschaft, Gold mit der Mannschaft, Platz vier im Spécial mit neuem Personal Best: Katharina Hemmer und Denoix begeistern in Crozet © LUKASZ KOWALSKI

Moody im Flow, Freese, Wandres und Hester mit Top-Ten-Ritten

Für die Briten legten im Anschluss Becky Moody und Jagerbomb nach. Das Paar besticht durch sein harmonisches Miteinander, einen unerschütterlichen Takt und eine absolut konstante Anlehnung. Jagerbomb ist kein Bewegungswunder, aber ein durch und durch willig mitarbeitendes Pferd, immer zufrieden im Ausdruck und von vorbildlicher Durchlässigkeit. Auch diesem Duo gelang heute eine fehlerfreie Prüfung, auch hier war der Schritt die schwächste Gangart. Mit 77,796 % reihte sich Moody hinter Hemmer ein – Platz 5.

Mit Isabel Freese und Total Hope OLD kam der Regen. Die Norwegerin und ihr Totilas-Sohn, dem man zwischendurch immer wieder einen längeren Hals wünscht, hatten ihre Glanzmomente vor allem im Galopp. Die Wechsel und der starke Galopp zählen zu den Highlights des Paares. 74,316 % bedeuteten am Ende Platz 10.

Frederic Wandres und Bluetooth OLD waren im Grand Prix etwas unter ihren Möglichkeiten geblieben. Diesmal ritt der Deutsche vom Start weg auf Angriff. Die angestrebte Steigerung gelang, doch um die Spitze wirklich herauszufordern, reichte es nicht: 75,942 % und Platz 7.

Das galt auch für Carl Hester, bestes Paar der Briten im Auftaktbewerb. Dessen Fame war heute weniger locker unterwegs als im Grand Prix, was sich trotz feinster Anlehnung und Zügeleinwirkung in einem über weite Strecken recht engen Rahmen zeigte. Die Richter zollten Hesters reiterlicher Meisterklasse dennoch Respekt und vergaben wohlwollende 76,383 %, was Platz 6 bedeutete.

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Justin Verboomen den Tränen nahe - was für ein Ritt! © LUKASZ KOWALSKI

Sternstunde für Justin Verboomen

Mit dem nächsten Reiter begann das Rennen um Gold: Justin Verboomen und Zonik Plus, die Senkrechtstarter dieses Jahres und neue Lieblinge der Dressurfans, betraten die Arena. In Aachen hatten die beiden trotz Top-Ergebnissen im Vorfeld für eine Überraschung gesorgt, in Crozet war die Erwartungshaltung eine andere. Nach ihren Siegen in der Soers zählten Verboomen und sein erst neunjähriger Hengst zu den Titelanwärtern – ein enormer Druck für den zurückhaltenden Belgier. Dem schienen beide im Grand Prix Tribut zu zollen. Zum ersten Mal in ihren bisherigen Prüfungen auf diesem Niveau machten sie Fehler. Rang drei war das Ergebnis.

Heute patzten die beiden nicht. Stattdessen lieferten sie einen Ritt, der Gänsehaut verursachte – vom Start bis zum Schluss. Mit tänzerischer Leichtigkeit und unglaublicher Elastizität präsentierte Verboomen seinen Hengst die gesamte Prüfung über. In der Galopptour kam etwas Spannung auf, die sicheren und sehr taktmäßigen Piaffen vertragen durchaus noch mehr Lastaufnahme – aber wer von einem neunjährigen Pferd in seiner ersten Grand-Prix-Saison Perfektion verlangt, ist ein Träumer. Annähernd perfekt hingegen waren die Pirouetten: winzig klein, getragen, durchgesprungen – kein Wunder, dass drei der sechs Richter hier zur Höchstnote 10 griffen. Auch auf der Schlusslinie griff die Jury noch einmal tief in die Punktetasche, weitere 10er inklusive. Am Ende standen sensationelle 82,371 % zu Buche, die einen völlig überwältigten Justin Verboomen fassungslos und den Tränen nahe zurückließen.

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Es ist und bleibt vorerst nicht die Lieblingsübung von Isabell Werth und Wendy: die fliegenden Wechsel © LUKASZ KOWALSKI

Wendy und der Wechselteufel

Isabell Werth und Wendy hatten es im Anschluss nicht leicht. Der Schmelz, die Leichtigkeit und Mühelosigkeit, die bei Verboomen und Zonik Plus ins Auge sprangen – da konnte dieses Paar schwer mithalten. Fehler in beiden Einerwechsellinien machten endgültig klar, dass sich Werth wie schon in Aachen hinter dem Belgier einreihen musste. Ihre 79,027 % reichten letztlich für Bronze.

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Tolle Runde, mit ganz viel Gefühl und Harmonie geritten, heute leider mit Fehler in den Einerwechseln: Cathrine Dufour und Freestyle © LUKASZ KOWALSKI

Cathrine Dufour hingegen lieferte wie schon im Grand Prix eine fantastische Runde mit ihrer Freestyle. Harmonie pur war auch hier die große Überschrift. Die Trabtour hätte man kaum besser reiten können, zwischenzeitlich lag das Duo bei über 83 %. Die Passagen gelangen wunderbar regelmäßig, federnd, leicht, nicht zu exaltiert, wie man es bei dieser EM schon des öfteren auch zu sehen bekommen hat. Die Galopptraversalen konnten qualitativ nicht ganz mit dem Rest mithalten, ein dicker Schnitzer passierte nach butterweichen, sensationell schönen Zweierwechseln jedoch in den Einerchangements auf der Diagonale. Da fand Freestyle nach einem Fehler einfach nicht mehr in den Rhythmus – die Richter quittierten es mit einem Notendurchschnitt von 3,7. Es war dieser Fehler, der die Dänin die Goldmedaille kosten sollte. 81,687 % bedeuteten Rang zwei für sie, nach Team-Bronze nun Einzel-Silber.

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Isabell Werth und Cathrine Dufour auf der Jagd nach Justin Verboomen - nicht nur in der Siegerehrung! © LUKASZ KOWALSKI

Dufour nahm es gefasst: Sie fühle sich nicht, als habe sie Gold verloren, sagte sie nach ihrem Ritt. Sie habe den Moment genossen und das unglaubliche Gefühl, das ihr Freestyle vermittelt habe, das sei für sie am Ende das, was wirklich zählt. „Aber in der Kür werde ich ihn schon noch einmal ordentlich fordern“, meinte sie lachend in Richtung Justin Verboomen.

Der Belgier rang beim ersten Interview nach seinem Fabelritt immer noch mit seinen Emotionen. Mit zweieinhalb Jahren hat er Zonik Plus in Portugal entdeckt und von Beginn an selbst ausgebildet. „Und jetzt ist er erst neun Jahre alt, er hat noch so viel zu lernen, ich selbst habe noch so viel zu lernen – und nun stehen wir hier. Ich kann es einfach nicht glauben.“ Der – vor allem selbst auferlegte – Druck sei enorm gewesen: „Es war wirklich schwer für mich, damit klarzukommen. Und Zonik Plus hat trotzdem so  einen unglaublichen Job gemacht.“

„Ich wusste, dass es eine harte Konkurrenz bei dieser EM werden würde“, meinte die Drittplatzierte Isabell Werth anschließend. „Um mit diesen beiden mithalten zu können, fehlt uns noch die letzte Sicherheit in den Wechseltouren“, so die Deutsche. Bis dahin darf sie sich aber über Bronze freuen.

Am Sonntag steht mit der Kür das große Finale bevor. Justin Verboomen reitet nun als Topfavorit hinein, doch Cathrine Dufour und Isabell Werth sind heiß auf Revanche offen – spannender könnte es kaum sein!

Alle Ergebnisse im Detail gibt es hier