WEG Tryon

Weltreiterspiele: Hurrikanwarnung, Baustellenchaos und gut gelaunte Reiner

Ein Artikel von Ernst Kopica | PS | 12.09.2018 - 14:37
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Bei der Eröffnungsfeier marschierte Anna Lisec als österreichische Fahnenträgerin zusammen mit weiteren 67 Nationen ein. © Tomas Holcbecher/holcbecher.com

Mit völlig unspektakulären Feierlichkeiten wurden die 8. Weltreiterspiele am Dienstagabend in Tryon eröffnet. Eine protzige Show wäre angesichts der gegenwärtigen Schwierigkeiten aber ohnehin nicht angebracht gewesen. Größte Sorge gilt derzeit dem herannahenden Hurrikan „Florence“. Am Ende der Woche soll der Monstersturm, der schon jetzt als stärkster der vergangenen 30 Jahren gehandelt wird, North Carolina erreichen. Von den Behörden wurde eine Sicherheitswarnung ausgegeben, mehrere Küstengebiete werden evakuiert, tausende Menschen sind auf der Flucht.

Von den drohenden Wetterunbilden einmal abgesehen wird am WEG-Gelände vielerorts immer noch gehämmert und gebohrt. Stellenweise gleicht das Tryon International Equestrian Center mehr einem Raketentestareal denn einer WM-Austragungsstätte. Das ist schade, denn eigentlich bietet die großzügige Anlage alles, was es für eine Reitsportveranstaltung in dieser Größenordnung braucht. Das findet auch Rudi Kronsteiner: „Das wäre eine so schöne Anlage, schade, dass es noch nicht wirklich fertig ist!“

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© "Werden hier Raketen getestet?" "Nein, die Weltreiterspiele veranstaltet."

Gemeinsam mit seinen Teamkollegen Martin Mühlstätter, Markus Morawitz und der erst 22-jährigen Anna Lisec absolvierte der Million-Dollar-Reiner am Dienstag ein hochkarätiges Abschlusstraining – in der imposanten Halle sah man die Konkurrenten um eine Medaille aus Deutschland und die Favoriten aus den USA. Die Reiner sind aus österreichischer Sicht auch die ersten, für die es sportlich spannend wird.

Die Stimmung im Team ist gut, die Zuversicht, wieder eine Medaille zu machen, groß. „Wir machen ein Stockerl,“ meinte etwa Martin Mühlstätter im Interview selbstbewusst. Der in den USA lebende Kärntner ist überzeugt, dass man wie schon bei den Weltereiterspielen 2014 um die vorderen Plätze mitmischen wird. „Ich kann nicht versprechen, ob es der erste, zweite oder dritte Platz wird, aber wir machen eine Medaille!“ Mit seinem Sportpartner Blo Gun hat Mühlstätter auch im Einzel gute Karten.

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Martin Mühlstätter zählt auch im Einzel zum erweiterten Favoritenkreis.
© Tomas Holcbecher/holcbecher.com

Als Startreiter hat Equipechef Gerold Dautzenberg („Mich interessieren nur die Scores!“) Markus Morawitz und Gunners Chic Magnet nominiert, die WM-Debütantin Anna Lisec und This Wimps So Fly folgen noch vor der Mittagspause. Österreich ist als zehntes von zwölf Teams dran, der erste Reiter startet um 9 Uhr Ortszeit, 15 Uhr MESZ. Die Entscheidung fällt am Nachmittag ab 16 Uhr Ortszeit (22 Uhr MEZ).

Noch ein wenig Zeit haben die Para-Reiter Pepo Puch und Julia Sciancalepore, die ebenfalls gut in Tryon angekommen sind. Ihre Pferde Sailor’s Blue und Heinrich V warten zusammen mit den Voltigierpferden in der Quarantäne-Station auf ihren Einsatz.

Ernst Kopicas WEG-Blog

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Championats-Veteran: Ernst Kopica berichtet auch diesmal für die Pferderevue direkt vor Ort von den Weltreiterspielen.   © Tomas Holcbecher

Mittlerweile ist es für mich das zehnte internationale Pferdesport-Championat, bei dem ich journalistisch im Einsatz bin. Begonnen hatte es 2008 mit den Olympischen Spielen in China, nach zwei weiteren Spielen in London und Rio, vier Europameisterschaften sind es hier in North Carolina meine dritten Weltreiterspiele. Je öfter man in den USA bei Reitevents zu berichten hat, umso häufiger stellt man sich unwillkürlich die Frage: Liegt der FEI wirklich das Wohl der Pferde und auch das Wohl der Aktiven so am Herzen, wie sie es in ihren Kampagnen immer vorgibt? Denn warum müssen über 500 Vierbeiner, die in den restlichen 50 Wochen des Jahres meist in Europa trainiert und gestartet werden, in einer so aufwändigen und teuren Operation über den Teich geflogen werden? Mit Quarantäne und allem anderen, was so dazu gehört. Sportpolitik ist halt nicht immer einfach zu verstehen.

Sei’s drum. Man gewöhnt sich als Journalist ja mittlerweile auch daran fürs Land der unbegrenzten Möglichkeiten ein Visum zu benötigen (das übrigens genau das doppelte von dem kostet was man bei den russischen Behörden zahlen muss). Für heuer wählte ich eine gänzlich andere Zeitplanung als sonst und flog bereits einige Tage früher ab, um mich in aller Ruhe akklimatisieren zu können. Ja, die Zeitumstellung sowie das schwül-tropische Klima stellen mit zunehmenden Alter doch gewisse Herausforderungen dar. Dass es in North Carolina (bei Norden denkt man eher an kalte Temperaturen) um diese Zeit über 30 Grad haben kann, hat man ja schon irgendwo gelesen. Dass es aber eine tropische Luftfeuchtigkeit von fast 90 Prozent gibt, die einem ganz schön zusetzt, das war irgendwie untergangen. Aber es gibt ja Klimaanlagen! Leider sind die in den meisten Fällen allerdings so kalt, dass man sich wie im Gefrierschrank fühlt. Und ja, da ist ja auch noch Florence, der Hurrikan im Atlantik. Vorsichtshalber hat man in North Carolina eine Sicherheitswarnung ausgegeben, in der Nacht auf Freitag soll es dann so weit sein – mal schauen!

Nun gut, also erst einmal drei Tage in Charlotte, der Hauptstadt des Bundesstaates. Einwohnerzahl zwischen 800.000 und 2,5 Millionen, je nach Definition des Stadtgebietes. Überraschend grün, überraschend modern und trendy! Die „Local Beer Breweries“ haben es zu einem gewissen überregionalen Ruhm geschafft. Ich konnte mich von der Qualität des Hopfengetränkes auch überzeugen und entdeckte ein hier gebrautes „Styrian Dragon Beer“! Von den Weltreiterspielen bekommt man hier vorerst gar nichts mit. Die Stadt steht ganz im Zeichen des Saisonstarts im American Football. Gemeinsam mit Sascha und Florian, den Kollegen der Schweizer Pferdewoche, gelang es mir Karten für das restlos ausverkaufte Spiel (über 74.000 Zuseher) zu bekommen! Die Besucherprognosen für das hippologische Event im 70 Meilen entfernten „Tryon International Equestrian Center“ (so die vom Veranstalter geforderte exakte Bezeichnung) sehen bei weitem nicht so gut aus. Die anvisierten 500.000 Besucher in den zwei Wochen wird man wohl klar verfehlen. Aber der Immobilien-Tycoon Mark Bellissimo strahlt als Hausherr in seinen Interviews bis heute Zuversicht aus. Und das trotz der Unterkunftsprobleme, von denen jenes der Pferdegrooms wohl das ärgste ist. Zumindest ruderte Bellissimo da gewaltig zurück und entschuldigte sich bei den den Equipechefs, dass er die Situation falsch eingeschätz hat. Nur leider haben davon die Pferdepfleger nichts, die in Militärzelten schlafen müssen. Zum Glück haben es unsere Leute besser. Österreichs Delegations-Chef Frank Spadinger konnte für die heimischen Grooms Hotels in 30-Minuten-Distanz und Holzblockhütten vor Ort organisieren.