Olympische Spiele 2021

Österreich mit größtem Reitsport-Olympiateam seit 2004

Ein Artikel von Ernst Kopica | 14.07.2021 - 11:08
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Lea Siegl und Katrin Khoddam-Hazrati bei der offiziellen Verabschiedung der Olympia-Mannschaft in der Wiener Hofburg. Das rot-weiß-rote Dressur-Trio Bacher, Max-Theurer und Schumach war zu diesem Zeitpunkt bereits zur Quarantäne in Aachen (GER).
© ÖOC / GEPA-pictures.com

Am 23. Juli 2021 beginnen in Tokio die Olympischen Sommerspiele unter strengsten Sicherheits- und Hygienebestimmungen. Nach einer Entscheidung der Organisatoren in Abstimmung mit der japanischen Regierung gehen die Spiele erstmals in ihrer Geschichte ohne Zuschauerbeteiligung über die Bühne.

In Österreichs Mannschaft, die aus insgesamt 75 Athlet:innen besteht, werden dabei nicht weniger als drei Reiterinnen und zwei Reiter vertreten sein. Lediglich die Disziplinen Leichtathletik, Schwimmen, Radfahren bzw. Tischtennis stellen größere Kontingente und man muss bis ins Jahr 2004 zurückgehen, um eine größere Reitsportequipe zu finden. Damals entsandte das ÖOC zwei komplette Vierer-Mannschaften in der Dressur und in der Vielseitigkeit.
 

Dressur-Team will unter die Top 8

Das Dressurteam hatte in Athen den achten Platz geholt und genau dieses Ziel haben sich die rot-weiß-roten Reiter:innen auch 2021 für Japan gesteckt. Auf diesem Platz müsste das Team nach dem Grand Prix, der als Qualifikation ausgetragen wird, klassiert sein. Dann könnten Victoria Max-Theurer (Abegglen), Florian Bacher (Fidertraum) und Christian Schumach (Te Quiero) auch im Mannschaftsfinale, das im Grand Prix Spécial entschieden wird, teilnehmen. Und die Chancen dafür stehen nicht schlecht, denn hinter dem haushohen Favoriten Deutschland und den Medaillenkandidaten Schweden, Niederlande, Großbritannien, Dänemark und den USA wird es einen heißen Kampf um die verbleibenden zwei Plätze geben. Die österreichischen Konkurrenten heißen dabei Kanada, Spanien, Frankreich, Portugal, Belgien, Russland, Australien und Japan. „Wenn alle liefern, wäre so eine Überraschung durchaus im Bereich des Möglichen“, war die Prognose von Dressur-Equipe-Chefin Uschi Barth knapp vor dem Abflug.

Auch für Victoria Max-Theurer stehen die Chancen nicht schlecht nach ihrem 13. Platz (London 2012) wieder ins Finale der Top-18 in der Musikkür zu gelangen. In der momentanen Weltrangliste der Olympiateilnehmer liegt die 35-jährige Oberösterreicherin, die in Tokio zum fünften Mal an Olympischen Spielen teilnehmen wird, auf Platz 15. Bei der Olympia-Generalprobe in Achleiten zauberte sie mit Abegglen (der übrigens nach der Schweizer Fußballer-Legende der 1920er-Jahre Max Abegglen benannt ist) 83,01% ins Viereck. „Wir sind richtig happy, dass wir es geschafft haben, ein Team zu qualifizieren. Mir geht es bei Olympia in erster Linie darum eine gute Runde zu drehen. Wenn ich Abegglen die Sicherheit gebe, die er braucht, können wir gut punkten, das haben wir schon gezeigt“, stapelte Vici bei der Einkleidung des Olympiateams hinsichtlich ihrer eigenen Platzierung ein wenig tief.

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Österreichs Dressur-Equipe für Tokio: Florian Bacher (ST), Victoria Max-Theurer (OÖ) und Christian Schumach (K)
© ÖOC / GEPA-pictures.com

Florian Bacher wird in Tokio nach der Europameisterschaft 2019 in Rotterdam sein zweites großes Championat für Österreich absolvieren. Mit dem 12jährigen Oldenburger Fidertraum, der vor acht Jahren von seiner Frau bei einer Auktion gekauft wurde, besitzt der in Wien lebende und für das Reitsportzentrum Süd in der Steiermark reitende 35jährige einen verlässlichen Partner.

Auch für den Kärntner Christian Schumach ist es mit seinem Te Quiero das Olympiadebüt. „Ich bin sehr stolz die fünf Olympischen Ringe auf meiner Teamwäsche tragen zu dürfen.“ Der 39-Jährige, der sich gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Stefanie Dearing mit dem Team Gut Muraunberg seine Lebensgrundlage aufbaute, hatte in den letzten Jahren viele Dressurtalente unter seinen Fittichen. Te Quiero übernahm er von seiner Schülerin Franziska Fries und formte ihn zu einem Olympiapferd.
 

Neue (gewöhnungsbedürftige) Reglements

In allen drei Reitsport-Disziplinen müssen sich die Fans heuer übrigens auf neue Reglements einstellen. So sind etwa in der Dressur nur noch drei ReiterInnen je Mannschaft erlaubt (es entfällt also das Streichergebnis) und der Grand Prix dient sowohl als Qualifikation fürs Team-Finale (Top 8) als auch fürs Einzel-Kür-Finale (Top 18).

Kein Streichergebnis wird es auch in der Vielseitigkeit geben, was aber für die beiden Österreicherinnen Lea Siegl und Katrin Khoddam-Hazrati ohne Belang sein wird. Sie starten nämlich als Einzelreiterinnen, aber allein ihr Antreten darf schon als kleine Sensation bezeichnet werden, besonders die Art und Weise wie es zu diesen Olympiastarts kam. Vielseitigkeits-Chef Thomas Tesch ließ in einem ausführlichen Facebook-Posting die emotionale Achterbahnfahrt der letzten zwei Jahre Revue passieren. Denn Österreichs Mannschaft war bei der EM 2019 die Qualifikation für Japan leider nicht gelungen, aber Lea Siegl konnte nach einem ewigem Auf und Ab in der Rangliste als Einzelreiterin einen Startplatz für Rot-Weiß-Rot sichern. Österreich war schließlich auch erster Reservist bei allfälligen Absagen anderer Nationen. Und solche kamen auch noch in allerletzter Sekunde, nämlich aus Zimbabwe und Pakistan! Worauf die FEI am 21. Juni 2021 (nur 32 Tage vor Beginn der Spiele!) den zweiten Startplatz für Österreich offiziell bestätigte. Aufgrund der Leistungen und Erbringung der erforderlichen Vorgaben nominierte das ÖOC Lea Siegl mit Fighting Line und Katrin Khoddam-Hazrati mit Cosma für die Vielseitigkeitsbewerbe. Diese werden großteils im Equestrian Park im Westen der japanischen Hauptstadt ausgetragen, wo auch die Dressur- und Springkonkurrenzen stattfinden. Lediglich der Geländeritt findet im Sea Forest Park auf einer kleinen Insel im Hafen Tokios statt.

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Lea Siegl und Katrin Khoddam-Hazrati fiebern ihrem ersten Olympia-Einsatz entgegen.
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Für Lea Siegl, deren Vater Harald übrigens in Athen einst 45. in der Einzelwertung wurde und seine Tochter als Trainer begleiten wird, hatten die olympischen Ringe immer schon eine Faszination: „Mit meinen 22 Jahren bin ich die jüngste Olympia-Starterin in der Vielseitigkeit und ich habe durch die Verschiebung ein Jahr gewonnen. 2020 wäre da für mich und „Fighti“ schon etwas zu schnell gekommen. Er ist mit seinem Vollblutanteil für die Hitze in Tokio aber wie geschaffen, ich weiß, was er im Gelände und im Springparcours kann. Aber: Ich bin noch nie so etwas Schweres wie eine Olympia-Prüfung geritten. Ein Top-20-Ergebnis wäre für mich schon eine sehr gute Sache!“

Ähnlich ehrgeizig geht auch die 34-jährige Katrin Khoddam-Hazrati den 9.130-Kilometer-Trip nach Fernost an. „Es war schon immer mein Ziel bei Olympia zu reiten. Ich denke jeder Sportler träumt davon einmal bei diesem Ereignis dabei sein zu dürfen“, bekannte die Wahlsteirerin den Journalisten bei der Sportlerverabschiebung beim Bundespräsidenten. Aber Dabeisein ist für sie nicht alles und entsprechend akribisch bereitet sie sich auf das Abenteuer vor: „Der Konditionsaufbau ist das Wichtigste und wir setzen Schwerpunkte in der Dressur. Wer dort zu weit zurück liegt, hat danach im Gelände und im Sprungparcours fast keine Chance mehr aufzuholen.“

Im Springreiten hatte Österreichs Nummer 1 Max Kühner bei der Olympia-Quali, die Ende 2019 endete, leider Pech und verpasste als erster Reservist (bei Absage von Italien oder Portugal) das Ticket nur ganz knapp. Auch im Springen gibt es gravierende Änderungen im Austragungsmodus. So fällt hier als erstes die Entscheidung im Einzel. Dann startet man wieder von Null und es gehen drei Mannschaftsreiter ohne Streichresultat in die Quali, wobei die besten zehn Nationen im Finale erneut bei Null beginnen. Wer sich so etwas überlegt hat, muss sich sicher was gedacht haben! Die großen Springreitnationen hatten weniger freundliche Worte für diesen neuen umstrittenen Modus!

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Ernst Kopica bei der Arbeit
© Tomas Holcbecher

Berichten aus der Ferne

Es war mir immer ein besonderes Vergnügen, bei den großen Championaten für die Pferderevue als Reporter live vor Ort zu sein und mit aktuellen Berichten online und später in Analysen im Heft über die Erfolge der heimischen Reitsportler:innen zu berichten. Auch für Tokio hatte ich meine Akkreditierung bereits in der Tasche. Als allerdings absehbar war, dass durch die strengen und beschränkenden COVID-Maßnahmen eine vernünftige Berichterstattung in Tokio nahezu unmöglich wird (so wissen Journalisten bis am Vorabend eines Bewerbes nicht, ob ihnen der Zutritt ins Stadion gewährt wird, öffentliche Verkehrsmittel dürfen nicht benützt werden, Quarantänefristen müssen eingehalten werden etc.) entschloss ich mich zur Stornierung meiner vierten Olympiateilnahme in Folge. Auch mein prominenter Journalistenkollege Olaf Brockmann (der jahrzehntelange als Leichtathletik der Kronenzeitung Olympiaerfahrung hat) bestätigte diesen Entschluss: „In so einer Konstellation macht es wenig Sinn nach Japan zu fliegen!“

Aber in Zeiten der digitalen Kommunikation und unter Ausnutzung aller Informationskanäle des IOC werde ich gemeinsam mit dem Redaktionsteam auch aus der Ferne über das Abschneiden der Österreicher berichten.

Ernst Kopica