Hitzedebatte

Haben bald alle Fiaker in Österreich ab 30 Grad hitzefrei?

Ein Artikel von Eva Schweiger | 01.07.2021 - 15:42
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©Ingo Bartussek - stock.adobe.com

Ab 35 Grad Celsius dürfen die Wiener Fiaker nicht mehr fahren. Dass die Pferde aber bereits unterhalb dieses Grenzwerts an Hitzestress leiden, davon sind Vertreter verschiedener Tierschutzorganisationen seit langem überzeugt. Sie kämpfen jedes Jahr aufs Neue um eine geänderte Hitzefrei-Regelung: Ab 30 Grad sollen die Fiakerpferde ruhen dürfen. In der Stadt Salzburg schien dieser Wunsch im vergangenen Jahr sogar Gehör zu finden: Im Dezember 2020 beschloss der Salzburger Gemeinderat einstimmig, dass der Fiakerbetrieb in der Stadt ab Sommer 2021 schon ab 30 Grad eingestellt werden sollte. Sofort wurden danach auch Forderungen an die Stadt Wien laut, nachzuzuziehen.

Leider währte die Freude auf Seiten des Tierschutzes nicht lange: Im Juni 2021 stellte sich der Salzburger Beschluss als nichtig heraus, da sich die Salzburger Fiaker lediglich zu einer Verhandlung über die Änderung des fraglichen Vertrages mit der Stadt bereiterklärt hatten. Ohne ihre Zustimmung ist die neue Hitzefrei-Regelung nun nicht durchführbar und die Pferde arbeiten auch 2021 wie bisher erst ab 35 Grad nicht mehr. 

In Wien schützt man bisher nur die Kutscher:innen

In Wien ist der Grenzwert im Fiaker- und Pferdemietwagengesetz (LGBl. Nr. 57/2000) festgeschrieben. Wörtlich heißt es dort unter §3 (4): „Erreicht die von der Wetterstation Wien Innere Stadt (TAWES) der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) gemessene Temperatur an einzelnen Tagen einen Wert von mindestens 35,00 ° Celsius, so sind an diesem Tag weitere Rundfahrten und bestellte Fahrten unzulässig. Der Betrieb ist für diesen Tag einzustellen und die Standplätze sind unverzüglich zu räumen.“

Was allerdings kaum jemand weiß: Hier geht es nicht um die Belastung der Pferde, sondern um die Arbeitsbedingungen der Kutscher:innen und die allgemeine Verkehrssicherheit. Auch andere Berufsgruppen, wie beispielsweise die Bauarbeiter:innen, kennen eine vergleichbare Hitzefrei-Regelung. Den Grenzwert für die Fiaker nun für Wien auf 30 Grad Celsius zu senken, sei daher mit dem Argument des Tierschutzes über dieses Landesgesetz nicht machbar, sagt Mediensprecherin Michaela Zlamal aus dem Büro des Wiener Tierschutz-Stadtrats Jürgen Czernohorszky (SPÖ).

Deshalb habe es bereits eine Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Bundesminister Wolfgang Mückstein (Grüne) gegeben. Eine Neuregelung sei in dieser Causa nur über eine Änderung der 1. Tierhaltungsverordnung (BGBl. II Nr. 485/2004) nach dem bundesweiten Tierschutzgesetz möglich. In deren Anhang 1 sind die Mindestanforderungen für die Haltung von Pferden und Pferdeartigen festgelegt, die unter Punkt 2.7 auch ihre Betreuung und zulässige Arbeitsbelastung inklusive Ruhepausen und -tage regeln. Von einem zulässigen Temperaturbereich bei der Arbeit ist bis jetzt allerdings dort nicht die Rede. 

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Eine Studie der Vetmeduni Wien (2008) stellte bei Fiakerpferden in Wien auch bei hohen Temperaturen keine Hitzestresssymptomen fest, solange für ausreichend Abkühlungsmöglichkeiten gesorgt wurde. ©Sina Ettmer - stock.adobe.com

Wiener Fiaker berufen sich auf Studie, die keinen Hitzestress nachwies 

Die Wiener Fiaker lehnen die Forderungen indessen ab. Sie berufen sich auf eine Studie der Veterinärmedizinischen Universität Wien aus dem Jahr 2008 zum Thema Hitzestress bei Fiakerpferden. Damals wurde im Auftrag der Tierschutzombudsstelle Wien die Frage untersucht, ob die Tiere in Wien aufgrund hoher Umgebungstemperaturen und wenig vorhandener Abkühlungsmöglichkeiten subklinische oder gar klinische Symptome von Hitzestress zeigten. Bei den zwölf vierbeinigen Probanden (Warmblüter und Traber) ließen die vergleichenden Messungen von Körpertemperatur, Atemfrequenz und Blutwerten sowie Verhaltensbeobachtungen an heißen und kühlen Tagen nicht auf Hitzestress schließen.

Ein Fahrverbot schon ab 30 Grad entbehre also jeder fachlichen Grundlage und käme außerdem de facto einem Berufsverbot gleich, sagt Ursula Chytracek, Sprecherin der Fiaker in der Wirtschaftskammer Wien. Gegen ein solches kündigten die Fiaker im Fall des Falles bereits Rechtsmittel und die Forderung nach Entschädigungszahlungen an.

Änderung der Tierhaltungsverordnung für das ganze Land?

Bundesminister Mückstein wurde im Schreiben des Wiener Stadtrats Czernohorszky ersucht, in die 1. Tierhaltungsverordnung ein Fahrverbot für Pferdegespanne ab 30 Grad aufzunehmen. Käme es dazu, könnte dies sämtliche Gespannfahrten in Österreich betreffen. Auch jede andere Nutzung von Pferden als Sport- oder Arbeitstiere könnte theoretisch unter die Regelung fallen. „Es geht uns momentan nur um die gewerblichen Kutschenfahrten. Genaueres zu einer eventuellen Neuregelung ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt. All das muss jetzt mit dem Minister besprochen werden“, so Mediensprecherin Zlamal.