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Soring: Repräsentantenhaus stimmt mit überwältigender Mehrheit gegen Pferde-Tortur

Ein Artikel von Pamela Sladky | 17.11.2022 - 12:37
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Der Big Lick  - das hohe und weite Ausgreifen der Vorhand des Pferdes - gilt als Schönheitsideal bei Tennessee Walking Horses und sorgt bei Shows für gute Bewertungen und begeisterte Fans.  

Tennessee Walking Horses sind in den USA beliebte Showpferde. Ihre „Spezialität“ ist der sogenannte Big Lick, eine weit ausholende, exaltierte Aktion der Vorhand. Was amerikanische Fans zu Begeisterungsstürmen hinreißt, trifft außerhalb der USA weitläufig auf Unverständnis. Die übertriebenen Bewegungen wirken unnatürlich, konstruiert und entartet. Dass von Menschenhand extra nachgeholfen werden muss, um Pferden einen derartigen Bewegungslauf abzufordern, ist wenig überraschend. Tatsächlich wird im Training tief in die Trickkiste gegriffen, damit das Strampeln möglichst spektakuläre Ausmaße annimmt. Und vielfach sind die Methoden der Trainer hochgradig tierquälerisch.

So werden etwa Pferdebeine und –hufe durch mechanische und chemische Anwendungen bewusst bis aufs Äußerste schmerzlich gereizt, mit dem Ziel, noch übertriebenere Bewegungen zu erzwingen. Horse-Soring heißt diese Art der missbräuchlichen Manipulation, die seit Jahren scharf kritisiert wird und die Pferde nach jahrelanger Tortur häufig als Krüppel zurücklässt.

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Monströse, keilförmigen Holzplatten an den Pferdehufen gehören ebenso wie Metallketten an den Fesseln weithin zur Standardausrüstung von Tennessee Walking Horses, die auf Shows vorgestellt werden. Utensilien wie diese sollen bewirken, dass die Pferde ihre Vorderbeine noch höher werfen.   © APHIS/Todd Behre

Leiden für ein Schönheitsideal

Für Tierarzt Dr. John Haffner, der selbst jahrzehntelang Teil der Tennesse Walking Horse Szene war, ist klar: Hinter dem Big Lick steckt immer eine schmerzhafte Manipulation. „Es ist eine Tatsache, dass der Big Lick nur durch Wunden erreicht werden kann. Wenn eine Wundbehandlung erkennbar wird, wendet man einfach eine andere an. Der Big Lick ist eine gelernte Reaktion auf Schmerzen. Ohne Schmerz lernt ein Pferd so etwas nicht.“ Dem Sport hat er aufgrund dieser Praktiken längst den Rücken gekehrt. Heute widmet er sich dem öffentlichen Kampf gegen Soring.

Und das ist auch dringend nötig, denn obwohl die tierquälerischen Praktiken 1970 durch den sogenannten Horse Protection Act verboten wurden, wird Soring mit grausamer Brutalität bis heute angewendet. Das haben verdeckte Ermittlungen von Tierschützer:innen immer wieder gezeigt. 


Neuer Anlauf für endgültiges Verbot

Immer wieder hat man in den vergangenen Jahren versucht, die Lücken, die der Horse Protection Act unverbesserlichen Soring-Anwendern bietet, durch eine Gesetzesverschärfung zu schließen. Bislang blieben die Bemühungen jedoch stets ohne Erfolg. Immer wieder wurden die Bemühungen auf der Zielgeraden doch noch vereitelt. Nun wagt man einen neuerlichen Versucht. Am 14. November stimmte das US-Repräsentantenhaus dem sogenannten PAST (Prevent All Soring Tactics)-Act (H.R. 5441) mit deutlicher Mehrheit von 304 zu 111 zu. Zieht der Senat nach, könnte Horse Soring endgültig ein wirkungsvoller Riegel vorgeschoben werden.

„Seit Jahrzehnten drängen wir darauf, das Leiden der Pferde zu beenden, indem wir verdeckte Ermittlungen durchführen, das öffentliche Bewusstsein schärfen und Lobbyarbeit betreiben um dieses Gesetz zu verabschieden“, sagte Kitty Block, Präsidentin und CEO der Humane Society of the United States (HSUS). „Jetzt fordern wir den Senat auf, den PAST-Act zu verabschieden und an Präsident Bidens Schreibtisch zu senden. Es gibt keine Entschuldigung für weitere Verzögerungen oder Behinderungen; diese Tiere haben viel zu lange gelitten.“

Eines der wesentlichen Ziele des neuen Gesetzes ist es, das gescheiterte und von Konflikten geprägte System der Selbstkontrolle innerhalb der Tennesse-Walking-Horse-Industrie zu beenden. Anders als bisher würden auf einschlägigen Veranstaltungen unabhängige, vom US-Landwirtschaftsministerium geschulte, lizenzierte und beauftrage Inspektor:innen dafür sorgen, dass sich die Teilnehmer:innen keiner unerlaubten Methoden bei der Vorstellung und Vorbereitung ihrer Pferde bedienen. Bei Ungereimtheiten müssten sich auch Rechenschaft vor der Behörde ablegen.

Der PAST-Act soll aber nicht nur das fehlgeschlagene Kontrollsystem auf den rechten Weg bringen, auch sämtliche Hilfsmittel, die ein wesentlicher Bestandteil des Horse-Sorings sind, sollen verboten, Strafen bei Verstößen verschärft und die Täter zur Verantwortung gezogen werden – Dinge, die in der Vergangenheit nur unzureichend umgesetzt wurden.

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Das natürliche Gangbild eines Tennessee Walking Horses.


„Seit über einem halben Jahrhundert haben es Tierquäler in der Big-Lick-Fraktion der Tennessee-Walking-Horse-Industrie geschafft, sich der Durchsetzung des Pferdeschutzgesetzes zu entziehen und ihre Grausamkeit unvermindert fortzusetzen – es ist längst an der Zeit, dass das ein Ende hat. Tausende Tennessee-Walking-Horse-Besitzer und andere haben Seite an Seite mit uns daran gearbeitet, dem Leid und dem wirtschaftlichen Schaden, den sie dieser Rasse zugefügt haben, ein Ende zu bereiten“, sagte Keith Dane, Senior Director der HSUS.

Dane ist ehemaliger Direktor der Tennessee Walking Horse Züchter- und Ausstellervereinigung und seit seiner Kindheit Reiter. Er fährt fort: „Diese Unterstützer haben unermüdlich daran gearbeitet, die Rasse von innen heraus zu reformieren, aber sie wissen auch, dass der PAST-Act notwendig ist, um den Schutz unserer Pferde sicherzustellen. Wir feiern die Entscheidung des Repräsentantenhauses und fordern den Senat nachdrücklich auf, dieses entscheidende Gesetz endlich zur Abstimmung zu bringen.“

Im Sinne der Pferde kann man nur hoffen, dass dem PAST-Act dieses Mal nicht wieder kurz vor der Ziellinie ein Bein gestellt wird.