Herkunft geklärt

Siegeszug um die ganze Welt: Ursprung der domestizierten Pferde entdeckt

Ein Artikel von Pamela Sladky | 02.11.2021 - 13:48
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Unsere Hauspferde haben ihren Ursprung im Steppengebiet zwischen Don und Wolga - eine Region, die auch als Wiege des russischen Don Pferdes gilt.   ©Edoma - stock.adobe.com

Die Nutzung des Pferdes spielt in der Menschheitsgeschichte eine im wahrsten Sinne des Wortes tragende Rolle. Dabei dienten die Tiere nicht nur zur schnellen Fortbewegung und beim Transport von Waren, sie halfen auch beim Ackerbau und verschafften ihren Reitern in kriegerischen Auseinandersetzungen und bei Eroberungen einen entscheidenden Vorteil. Wann und wo der gemeinsame Weg von Mensch und Pferd seinen Anfang nahm, gab Wissenschaftler:innen lange Zeit Rätsel auf.

DNA-Forschung bringt Licht ins Dunkel

Die ältesten Hinweise auf domestizierte Pferde stammen aus Kasachstan. Die dort lebenden Botai-Pferde wurden bereits vor 5.500 Jahren von Nomaden gezähmt. Genanalysen sprachen jedoch eindeutig gegen die Theorie, dass sie die Vorväter der modernen Hauspferde sein könnten. Dasselbe gilt für die Przewalski-Pferde sowie die frühen Pferde Anatoliens, Sibiriens und der Iberischen Halbinsel, die zwischenzeitlich ebenfalls als Urväter der Hauspferde gehandelt worden waren.

Endgültig Licht ins Dunkel rund um die Entstehungsgeschichte des modernen Pferdes bringt eine Studie aus Toulouse, Frankreich. Den Forschenden stand Genmaterial von 273 Pferden zur Verfügung, die im Zeitraum zwischen 50.000 und 200 vor unserer Zeitrechnung quer über den eurasischen Kontinent verteilt waren. Die Auswertung der Proben zeigte: Unsere heutigen Freizeit-, Sport- und Arbeitspferde stammen von Tieren ab, die vor 4.700 bis 4.200 Jahren in der pontischen Steppe im Nordkaukasus lebten. Diese Pferde verbreiteten sich vom Süden des heutigen Russlands nach Böhmen, in den Donauraum, nach Anatolien und Eurasien, wo sie die dort ansässigen Pferdelinien in erstaunlichem Tempo verdrängten. "Die genetischen Daten deuten auf eine explosionsartige Vermehrung der Pferde hin, die in den letzten 100.000 Jahren ihresgleichen sucht", erklärt Studienleiter Prof. Ludovic Orlando vom französischen „Centre national de la recherche scientifique“ (CNRS) aus Toulouse. "Damals übernahmen Menschen die Kontrolle über die Fortpflanzung dieser Tierart und produzierten Pferde in beträchtlicher Anzahl."

Stärkerer Rücken, bessere Nerven

Für den beeindruckenden Siegeszug der russischen Pferde gibt es gute Gründe. Bei ihren Untersuchungen entdeckten die Forscher:innen zwei Gene, die mit guten Reiteigenschaften in Verbindung stehen: Zum einen hatten die Pferde aus der Don- und Wolga-Steppe offenbar einen besonders starken Rücken, sodass sie Menschen und Ausrüstung problemlos tragen konnten. Zum anderen waren die Pferde wohl weniger scheu und konnten damit leichter gefügig gemacht werden. Das Forschungsteam vermutet, dass diese Merkmale den Erfolg der Tiere zu einer Zeit sicherten, als das Reisen mit Pferden weltweit zunahm.
 

Rinder als Migrationshelfer?

Diese Erkenntnis widerlegt eine lange verbreitete Annahme: „Bisher ging man davon aus, dass Pferde bereits im frühen dritten vorchristlichen Jahrtausend bei der Expansion von Menschen aus den eurasischen Steppenregionen in zahlreiche Regionen Europas eine entscheidende Rolle bei der Mobilität spielten. Das ist nun klar widerlegt. Ob wir für diese große, sich über mehrere Jahrhunderte und einige Zwischenetappen erstreckende Migrationswelle nun eher Rindergespanne als Mobilitätsfaktor ins Auge fassen können, müssen spätere Studien zeigen.“

Die Studie "The origins and spread of domestic horses from the Western Eurasian steppes" wurde am 20. Oktober 2021 im renommierten Wissenschaftsmagazin „Nature“ veröffentlicht.