Trauer um Jenny

Kampf gegen Krebs verloren: Wanderstute Jenny ist tot

Ein Artikel von Pamela Sladky | 21.03.2022 - 09:34
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Ihre außergewöhnlichen Touren durch Frankfurt-Fechenheim machten Jenny weltbekannt.
© imago images/brennweiteffm

Die Trauer bei Jennys Besitzer Werner Weischedel ist groß. Am 20. April wäre die Stute 27 Jahre alt geworden. Doch diesen Geburtstag wird sie nicht mehr erleben. Jenny musste eingeschläfert werden.

Als im Dezember des Vorjahres bekannt wurde, dass die Stute an einem Schimmelkarzinom erkrankt war, war das ein Schock für Weischedel. Der Tumor lag so ungünstig, dass er den Darm blockierte, die Prognose war düster. Doch dann machte eine Therapie an der Tierärztlichen Hochschule Hannover Hoffnung, dass Jenny es doch schaffen könnte. Viermal die Woche pilgerte Werner Weischedel mit seiner Stute in einem eigens angeschafften Transporter zur Behandlung. Und zunächst sah es gut aus, der Tumor wurde kleiner. Letztlich konnte die Therapie das Unvermeidliche aber doch nur etwas hinauszögern. Am Freitag nahm das bekannteste Pferd Frankfurts seinen letzten Atemzug. „Das Karzinom ist aufgebrochen“, bestätigte Weischedel die traurige Nachricht gegenüber der Frankfurter Rundschau. „Es ging nicht mehr. Wir konnten ihr nicht mehr helfen.“
 

Ein Teil der Stadtgeschichte

17 Jahre lang hatte Jenny Frankfurt-Fechenheim durchstreift – ganz ohne menschliche Begleitung. Wenn Werner Weischedel morgens in den Stall kam, wartete die Stute stets ungeduldig auf ihn. Nicht, weil sie Futter haben wollte. Jenny wollte endlich wieder losziehen.

Sobald Werner Weischedel die Boxentüre öffnete, machte sich die Schimmelstute auf den Weg. Über das Kopfsteinpflaster der Fechenheimer Fußgängerzone zielstrebig Richtung Mainufer. Wann immer sie Lust dazu hatte, blieb sie stehen, zupfte da und dort an etwas Grünem und setzte ihren Weg dann fort. Vorbei an Passanten, Radfahrern, Hunden und Straßenbahnen, bis sie schließlich das Landschaftsschutzgebiet am Frankfurter Main erreicht hatte.

Am liebsten mochte die Schimmeldame Kinder, ganz besonders, wenn sie im Kinderwagen saßen. Möglich, dass das daran lag, dass die Knirpse gerne etwas Leckeres in der Hand hielten. Doch egal, ob Kind, Hund oder Erwachsener: Jenny verhielt sich immer vorsichtig und rücksichtsvoll. Das war ihre Natur. Deswegen hatte Werner Weischedel auch nie Angst, dass einmal etwas passieren könnte. „Sie lebt wie ein Pferd, benimmt sich aber wie eine ganz vornehme Dame“, hatte der Pensionist stets erklärt.

Es gab eine Zeit, da hatte Weischedel zwei von der Sorte. Da zog Jenny Seite an Seite mit ihrer Schimmelfreundin Charly ihre Runden. Doch vor sechs Jahren musste Charly eingeschläfert werden. Auch sie fiel einem Schimmelkarzinom zum Opfer.

Nun hat auch Jenny ihre letzte Reise angetreten. „Wir haben uns so sehr gewünscht, dass sie das älteste Pferd der Welt wird.“ Dieser Wunsch hat sich für den 81-Jährigen leider nicht erfüllt. Jenny hinterlässt eine große Lücke. Nicht nur bei Walter Weischedel und seiner Frau. Auch Frankfurt und viele Fans auf der ganzen Welt trauern um sie. Ihr außergewöhnliches Leben hat sie weltweit zu einer Pferdeberühmtheit gemacht, die sogar in einigen Reiseführern verewigt wurde – als ungewöhnlichste Attraktion Fechenheims.