Bei ihnen blieben alle Stangen liegen: Europameister Roger Yves Bost auf Myrtille Paulois. © Tomas Holcbecher
Die beiden Schlussrunden verlangten den 25 noch im Bewerb befindlichen Paaren wirklich alles ab. Im ersten Umlauf erwiesen sich die knapp bemessene Zeit (sie wurde bereits nach einem Reiter heruntergesetzt - allerdings zu viel, wie auch Kursdesigner Frank Rothenberger später zugab) sowie ein im Schatten stehender brauner Oxer als Stolpersteine. In der Entscheidung sollte dann die auf der Schlussgeraden stehende Dreierkombination die größte Klippe darstellen. Die Konkurrenz entwickelte sich wie ein Ausscheidungsrennen: Ein Klassereiter nach dem anderen verabschiedete sich aus dem Medaillenkampf, nur die beiden Männer an der Spitze (der Routinier Roger Yves Bost und der Aufsteiger des britischen Teams Ben Maher) schienen eiserne Nerven zu haben.
Maher (der 2011 in Linz den Grand Prix gewinnen konnte) musste mit seiner Cella zwar in der ersten Runde einen Abwurf hinnehmen, blieb aber immer aber noch in Tuchfühlung zu Bost, der mit seiner etwas unorthodoxen Reitweise sicherlich nie einen Schönheitspreis gewinnen wird. Ungewohnt sein Zeitfehler, denn sonst gilt „Bosti“ immer als ganz flinker!
Die Siegerstute Myrtille Paulois gilt als Juwel unter den derzeitigen Spitzenpferden und ging früher unter Jessica Kürten. Seitdem sich ihre Besitzerin Lady Georgina Forbes von ihrer irischen Landsmännin getrennt hatte, steht sie aber im Stall des im Künstlerort Barbizon beheimateten Franzosen, der übrigens mit diesem Erfolg seinen allerersten internationalen Einzel-Titel holte, obwohl er seit 1989 bei Großereignissen immer dabei ist. Mannschaftsweltmeister war er im Jahr 1990 mit dem unvergessenen Norton de Rhuys.
Ben Maher mit Silber, Roger Yves Bost mit Gold und Scott Brash mit Bronze (v.l.n.r.) © Tomas Holcbecher
Von Pepo Puchs Goldmedaille beflügelt war Österreichs Para-Grade- III-Reiter Bernd Brugger. Im Gegensatz zur Team-Prüfung ritt er im Individual-Test eine fehlerfreie Prüfung und klassierte sich mit 66,244 % auf dem hervorragenden 4. Platz in diesem hochklassigen Feld. Der Sieg ging an Deutschlands Para-Aushängeschild Hannelore Brenner, für Brugger gab es als Belohnung auch die Qualifikation fürs Kurfinale am Schlusstag, bei dem er gemeinsam mit Pepo Puch und Thomas Haller Österreichs Farben vertreten wird. „Heute kann ich wirklich zufrieden sein, denn Denigo hat alle Lektionen gut gemacht, kein Vergleich zum Donnerstag! Auch die vielen Leute am Viereck haben uns diesmal gar nicht irritiert. Die 66 % entsprechen derzeit unserem Leistungsvermögen, ich habe ja das Pferd ja erst seit einem halben Jahr!“
Leider schien Thomas Haller die Kür-Qualifikation hauchdünn verpasst zu haben, ein kurzes Angaloppieren seiner Stute Diorella kostete Punkte und brachte Rang 8, obwohl der Gesamteindruck besser war als im Team-Test. Trainer Ernst Mayr: „Da wollte er etwas zu viel, schade!“ Dann stellte sich aber heraus, dass fürs Kür-Finale beide Noten aus Team und Individual zählen und Thomas Haller rutschte ins 7er-Feld.
Hier sind die gesamten Ergebnisse.
Teambildende Maßnahmen
Ein gemeinsames Abendessen auf Einladung von OEPS-Präsidentin Elisabeth Max-Theurer war für die beiden österreichischen Reitmannschaften in Herning nur das Tüpfelchen auf dem i. Schon zuvor zeigten sich alle Aktiven und auch der mitgereiste Tross von Eheleuten, Pferdebesitzern, Pflegern, Trainern, Physiotherapeuten, aber auch wir Journalisten, sehr angetan vom rot-weiß-roten Team-Feeling das hier in Dänemark herrscht. Es scheint, dass die Frohnatur Pepo Puch Wunder wirkt, das Dressurteam ist vollzählig vertreten, wenn ein Österreicher im Para-Viereck unterwegs ist und umgekehrt. Fahnen werden geschwenkt, Hilfsbereitschaft und Sportsmanship werden groß geschrieben, so sollen große Championate ablaufen.
Dass es auch bei erfolgsgewohnten Nationen nicht immer so harmonisch abgeht, sieht man bei den deutschen Springreitern oder bei den niederländischen Dressurreitern. Ein Photograph plauderte über die Team-Springreiter-Siegerehrung aus der Schule: „Man hatte das Gefühl, den Deutschen ist es eine unangenehme Pflicht da oben zu stehen, sie unterhielten sich, blickten desinteressiert in andere Richtungen, während die Briten und Schweden freundlich in die Linse lachten!“ Und auch bei den Niederländern hatte man schon einen herzlicheren Umgang gesehen, man agiert zwar professionell miteinander, aber allein das Hickhack rund um die Qualifikation des dritten Reiters fürs Kürfinale (die Noten von Hans Peter Minderhoud und Danielle Heijkoop wurden laufend korrigiert, am Ende blieb ein enttäuschter Minderhoud auf der Strecke) sprach Bände.
Es ist zu hoffen, dass dieser neue Weg vom österreichischen Verband bei den kommenden Großereignissen weitergegangen wird und auch die Aktiven entsprechende Unterstützung erfahren. Denn in jedem meiner Interviews klang es bei den Sportlern durch, dass solche Championate auch für jeden einzelnen Reiter eine enorme finanzielle Belastung ist. Aber ich bin sicher, wo ein Wille, da ein Weg!