Der Weg zu einer Medaille ist natürlich noch weit, da es für die Gruppen insgesamt drei Runden zu absolvieren gibt. Aber dennoch können Isabel Fiala, Daniela Fritz, Philipp Lehner, Katharina und Nikolaus Luschin sowie Magdalena Riegler ebenso zufrieden sein wie Longenführerin Maria Lehrmann. Die Übungen auf dem noch unerfahrenen Alessio l'Amabile gelangen wirklich gut und es gab dafür 7,873 Punkte. Der Vorsprung auf den Mitfavoriten Deutschland ist mit 0,021 hauchdünn, aber Lokalmatador Frankreich liegt schon 0,656 Punkte zurück und belegt den wohl enttäuschenden 4. Platz. Deutschland bleibt natürlich weiterhin erster Anwärter auf Gold, aber mit dem Pflichtergebnis haben wir unseren Nachbarn einen gehörigen Schreck eingejagt.
Bei den Damen ist die Konkurrenz natürlich wesentlich größer (32 Teilnehmerinnen!), dennoch kann sich hier der 7. Zwischenrang der Tirolerin und Wahlberlinerin Jasmin Gipperich ("Ich bin extrem zufrieden!") sehen lassen. Daniela Fritz (in ihrer ersten Seniorensaison) liegt auf Platz 10 und Katharina Luschin (die ein wenig Pech hatte, als sich ihr Pferd Caramel beim Applaus schreckte) ist 20., hat aber noch Chancen auf die Top 15! In den Einzelbewerben entscheiden vier Runden über die Medaillen, wobei die besten 15 nach zwei Runden weiterkommen.
Der noch nicht so erfahrene Alessio l'Amabile und Longenführerin Maria Lehrmann. © OEPS Andrea Fuchshumer
Als letzte gingen die Herren in die mit Spotlights toll ausgeleuchtete Arena. Die beiden Österreicher legten einen grundsoliden Start hin. Lukas Wacha, der gemeinsam mit Jasmin Lindner als heißer Medaillentipp für den Pas de Deux gilt, liegt dank ausgezeichneter Pferdenoten für seinen Bram auf Platz 6, Stefan Csandl ist derzeit 11.
Weniger glücklich als die Voltigierbewerbe verlief aus österreichischer Sicht die Speed Competition für die zwei Damen und zwei Herren des heimischen Springreiterteams. Dieter Köfler hatte bis zur vorletzten Linie einen wirklich sauberen Ritt hingelegt, dann passte leider der Absprung zum Oxer nicht ganz und auch der folgende Steilsprung fiel. Der Kärntner kommentierte seine Vorstellung mit Emir vh Moleneind im Interview minuziös: "Der Anfang war gut zu reiten, alle Klippen gingen gut, leider war ich zum Oxer zu kurz, daraus wurde auch die Distanz zum Steilsprung länger, Schlusslinie war ok. Das Problem mit ihm ist, dass wir nicht die Galoppade über die ganze Runde halten können!" Astrid Kneifel gelang mit Royal Des Bissons ein besseres Ergebnis, leider fiel auch bei ihr jener Steilsprung, der schon Köfler zum Verhängnis wurde. Nach der Runde strahlte sie dennoch: "Ich muss gestehen, ich war gestern nervöser als heute. Der Abwurf war mein Fehler, da hätte ich einen Galoppsprung mehr machen müssen. Als der Applaus beim Einritt kam - ich denke der Sprecher hat erzählt, dass er ein Franzose ist – blieb er so brav, normalerweise ist das die Aufforderung für ihn herumzuhüpfen wie ein Känguruh! Vielleicht versteht er französisch."
Zum Streichresultat fürs Team wurde Markus Saurugg und seine Texas, die beim Einritt vor der Mauer einen Stopp hinlegte. Im Parcours selbst kam bald ein Fehler am Wasser und im Finish drei Abwürfe: "Ich war sehr aufgeregt, habe aber ein gutes Gefühl gehabt. Das Ergebnis ist natürlich ärgerlich, da habe ich mir mehr erwartet." Stefanie Bistan hätte dann mit einer Superrunde auf Boogegardens Apollonia noch viel Boden gut machen können und das Team-Küken begann auch hervorragend. Aber vor dem bei Sprung 4 fehlte etwas der Schwung, wodurch auch die Distanz zur Mauer nicht mehr passte. Aber Bistan ließ sich bei ihrem WM-Debüt nicht aus der Ruhe bringen und ritt noch eine schöne Runde nach Hause. "Es war ein wenig unglücklich. Meine Stute ist leider geräuschempfindlich und das Publikum hat genau beim Einritt geklatscht! Nach dem ersten Fehler dachte ich nur: Verdammt!"
Wenngleich natürlich die Platzierungen der Österreicher nach dem ersten Tag und 153 gestarteten Paarungen (85. Kneifel, 105. Köfler, 111. Bistan und 124. Saurugg) auf den ersten Blick etwas ernüchternd klingen, so ist es dennoch positiv, dass erstmals wieder seit 2011 ein rot-weiß-rotes Sprungteam an einem großen Championat teilnimmt. Noch dazu mit Reitern und Pferden, die noch nicht über herausragende internationale Erfahrungen verfügen. Auf die Mannschaft, die derzeit auf Rang 26 liegt, wartet nun die erste echte Nationenpreisrunde. Vorne ist es hauchdünn: Frankreich führt vor Schweden, den USA, Deutschland, den Niederlanden und Kanada. Riesenüberraschung in der Einzelwertung mit dem Spitzenreiter Bertram Allen aus Irland, der seine ersten großen Erfolge in Magna Racino feierte.
Moules et frites
Dass der Ruhetag bei den Weltreiterspielen wirklich Ruhe bringen würde, erwies sich gestern als Aberglaube: Springtraining, Interviewzeiten mit Voltigier-Teamchef, Fotos mit allen Österreichern, Artikel-Schreiben für das nächste Pferderevue-Heft, irgendwie vergeht die Zeit wie im Flug. Dennoch finde ich abends das erste Mal Zeit die Innenstadt von Caen zu erkunden.
Bei der Suche nach einem netten Restaurant sehe ich die belgischen Geheimfavoriten im Springreiten mit ihrem Chef Kurt Gravemeier in einer kleinen Kneipe am Hafen bei großen Töpfen sitzen. Belgier verstehen ja bekanntlich etwas von Fisch und Muscheln, also bestelle ich "Moules et frites", preiswert und köstlich. Rund herum ein Sprachengewirr, der historische Ortskern – klein, aber fein – ist fest in der Hand der Reitersleute. Beim abschließenden Calvados bleibt noch Zeit die Geschichte der Umgebung nachzulesen, mit Wikipedia heutzutage ja kein Problem.
Caen ist demnach die Hauptstadt der französischen Region Basse-Normandie und mit knapp über 100.000 Einwohnern die größte Stadt des französischen Départements Calvados. Der Stadtname stammt aus dem Keltischen und bedeutet ursprünglich "Schlachtfeld", womit wir schon beim wichtigsten Mann in der Geschichte dieser Region wären. Nämlich bei Wilhelm dem Eroberer, der allen aus den Schulbüchern wegen seiner Schlacht von Hastings im Jahr 1066 bekannt sein dürfte. Der normannische Herrscher ließ die wichtigsten historischen Gebäude der Stadt errichten, nämlich die Burg am Hügel und zwei Abteien, eine nur für Männer und eine für Frauen, in denen er und seine Frau Mathilde begraben sind.
Das zweitwichtigste Datum für Caen betrifft das Jahr 1944, als die Alliierten die Normandie als Landungsort ihrer Invasion festlegten. Nach dem D-Day am 6. Juni rückten die Briten, Kanadier und US-Amerikaner gemeinsam mit französischen Einheiten nach Caen vor. In der "Operation Overlord" war die rasche Übernahme der Stadt geplant, um eine große und psychologische Kriegswirkung zu erzielen. Die deutschen Verteidiger leisteten aber unerwartet massiven Widerstand, sodass im Verlauf der Kämpfe die Stadt fast vollständig zerstört wurde, was man dem Stadtbild heute auch noch stark anmerkt.